SXSW 2016

"Wir müssen häufiger an das Unmögliche glauben"

16.03.2016
Wie können Firmen Daten optimal nutzen? Was bringen künstliche Intelligenz und virtuelle Realität? Und wo stehen wir in 20 Jahren? Auf dem SXSW-Festival in Texas suchen Technologiefans und Start-Ups nach Antworten.

Wenn es um die Zukunft in der digitalen Welt geht, ist das Interesse enorm. Über zwei Etagen stehen die Menschen im riesigen Kongresszentrum in Austin, Texas Schlange, um den Vortrag von Kevin Kelly - einst Chefredakteur des Branchenmagazins "Wired" - zu hören. Sein Thema auf der diesjährigen Digital-Konferenz South by Southwest (SXSW): "Welche zwangsläufigen Technologietrends unsere Zukunft prägen".

Wie zu erwarten, sind es bei Kelly die derzeit angesagten Topthemen künstliche Intelligenz, virtuelle Realität und das Tracken von Daten. Der Autor und Publizist ruft zum Optimismus auf ("Ja, Roboter nehmen Jobs weg - aber sie schaffen auch Neue") und sagt: "Wir müssen die Zukunft umarmen." Die Entwicklungen seien ohnehin unvermeidbar. Vielmehr gelte es, diese so zivil wie möglich zu gestalten.

Obama, Datenschutz & Tech-Trends

Zehntausende Besucher aus aller Welt strömen zu dem sechstägigen Interactive-Teil der SXSW. Dass die SXSW am vergangenen Freitag von niemand geringerem als US-Präsident Barack Obama eröffnet wurde, verdeutlicht, wie wichtig die Konferenz geworden ist. "Neue Technologien befähigen Menschen zu Dingen, die sie sich niemals erträumt hätten. Aber gleichzeitig ermächtigen sie auch gefährliche Menschen", sagte Obama zu den Herausforderungen der Politik, wenn es um die zunehmende Digitalisierung geht. Beim aktuellen Streit zwischen Apple und dem FBI um verschlüsselte Daten auf einem iPhone blieb der Präsident aber recht vage.

Während das Thema Datenschutz in den USA an Fahrt gewinnt, blieb die Debatte um Hasskommentare auf sozialen Netzwerken auf der SXSW nur Randthema. Bei vielen der rund tausend Vorträge, Interviews und Diskussionsrunden standen die von Kelly erwähnten Topthemen im Fokus - in all ihren Facetten.

Der Virtual-Reality-Trend

Google-Manager Chris Urmson sprach als Chefentwickler der selbstfahrenden Autos des Internet-Konzerns. Der Zeitpunkt kam für ihn etwas ungünstig: Hatte doch erst kürzlich eines der autonomen Fahrzeuge erstmals einen Unfall verschuldet. Im "German Haus" standen Themen wie Smart Cities oder virtuelle Realität auf der Agenda. Großen Erfolg feierte das Berliner Start-Up Splash, das eine App entwickelte, die das unkomplizierte Produzieren von VR-Videos per iPhone ermöglicht. Dafür wurden es mit dem begehrten "SXSW Accelerator"-Preis ausgezeichnet.

Bei dem Wettbewerb war auch Nicolas Chibac in der Kategorie virtuelle Realität angetreten. Der Hamburger hat eine Drohne mit integriertem 360-Grad-Kamerasystem entwickelt. "Virtuelle Realität ist schon ein umstrittenes Thema", sagt Chibac. "Wie bei den meisten neuen Technologien, habe sie gute und schlechte Seiten". Natürlich sei die Vorstellung beängstigend, dass Menschen künftig vielleicht mehrere Stunden am Tag in eine parallele, virtuelle Welt abtauchten. Aber mit Hilfe der Drohne - ausgestattet mit Wärmesensoren - könne etwa in Katastrophengebieten oder einsturzgefährdeten Gebäuden effizient nach Überlebenden gesucht werden.

Start-Up-Sprungbrett SXSW

Für die zahlreichen Startups, die sich in Austin tummeln, kann die SXSW das ideale Sprungbrett sein - ob durch mediale Aufmerksamkeit oder den Kontakt mit Investoren. Ein Vorbild für viele Jungunternehmer ist Kevin Plank. Der 43-Jahre alte Gründer des Sportartikel-Anbieters Under Armour ist Vorzeigebeispiel für den "Amerikanischen Traum":4 Vor 20 Jahren rief er das Unternehmen im Keller seiner Großmutter ins Leben - 2015 lag der Umsatz bei knapp 4 Milliarden Dollar.

Auf Sportkleidung alleine setzt der ehrgeizige Unternehmer schon lange nicht mehr. In den vergangenen Jahren investierte Plank mehrere hundert Millionen Euro in digitale Zukäufe. Zu Under Armour zählen inzwischen vier Sport-Apps aber auch smarte Turnschuhe und viele andere Wearables und Tracking-Tools, die Schritte zählen, die Herzfrequenz messen oder den Schlaf überwachen. "Daten sind das neue Öl", sagt Plank. Diejenigen Firmen, die die Daten lesen und vor allem auswerten könnten, seien diejenigen, die gewinnen würden.

Aber wie sieht den nun die Welt in 20 Jahren aus? Sicher scheint, dass die Veränderungen rasant kommen und gravierend sind. "Die Zukunft ist schwer zu greifen", sagt "Wired"-Gründer Kelly. Eine Online-Enzyklopädie wie Wikipedia oder Verkaufsplattform wie eBay habe man sich vor ein paar Jahrzehnten auch nicht vorstellen können. "Wir müssen häufiger an das Unmögliche glauben." Eine konkrete Prognose für 2036 könne er daher nicht geben. "Die Dinge, die in 20 Jahren wichtig und bedeutend sind, wurden noch gar nicht geschaffen." (dpa/fm)