Fujitsu-CTO Joseph Reger

"Wir leben im Zeitalter der Konvergenz"

19.06.2014
Von 
Kriemhilde Klippstätter ist freie Autorin und Coach (SE) in München.
Fujitsu stellte im Deutschen Museum in München die neue Mainframe-Serie "BS2000 SE" vor, die sowohl x86- als auch Mainframe-Arbeitslasten verarbeiten kann. Für Joseph Reger, CTO von Fujitsu Technology Solutions, ist sie ein Beispiel für eine gelungene Konvergenz der Server-Techniken.

COMPUTERWOCHE: Herr Reger, warum ist Konvergenz heute so wichtig?

REGER: Weil man mit solchen Systemen mehr erledigen kann. Die Daten aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bilden einen Kontext und aus diesem großen Raum kann man sich Lösungen erarbeiten. Die muss man dann sofort verifizieren, möglichst in Echtzeit.

Josef Reger, CTO von Fujitsu: "Die Konvergenz wird auch Auswirkungen haben auf die Art, wie man wirtschaftet."
Josef Reger, CTO von Fujitsu: "Die Konvergenz wird auch Auswirkungen haben auf die Art, wie man wirtschaftet."
Foto: Fujitsu

CW: Geht dabei nicht die Qualität verloren, das Spezialwissen?

REGER: Die Gesamtheit ist wichtiger als "best in class". Die vernetzte Welt braucht eine End-to-End-Wertschöpfungskette. Das lehrt uns auch das Internet der Dinge, in dem die analoge Welt mit Computertechnik aufgerüstet wird und sich daraus End-to-End-Lösungen erreichen lassen.

CW: Derzeit konvergiert fast alles: Netztechnik mit Server, Speichertechnik mit Rechnerei…

REGER: Ja, nehmen Sie die modernen Smartphones, da ist die Konvergenz schon in ein Gerät eingebaut mit Fähigkeiten für Kommunikation, Rechnerei, Touch Screen, Kamera und so weiter. Davon werden wir in Zukunft noch viel mehr sehen. Geräte mit mehr vielen Sensoren für die unterschiedlichsten Anwendungen.

CW: An was denken Sie?

REGER: Wir haben in unseren Labors in Japan Smartphones mit bis zu 50 verschiedenen Sensoren ausgestattet. Da waren Sensoren für alles Mögliche dabei, etwa für Klima- und Wetterdaten aber auch für medizinische Informationen wie Blutdruck und dergleichen. Irgendwann wird der Mensch mit der digitalen Welt verschmelzen, da bin ich mir sicher. Die ersten Anzeichen dafür sehen wir schon, etwa intelligente Depots im Körper, die zeitgerecht Medizin ausschütten.

Geschäfte im Internet der Dinge

CW: Da bahnt sich auch ein gutes Geschäft an. IDC schätzt den Markt mit dem Internet der Dinge auf 1,7 Billionen Dollar.

REGER: Mindestens. Die Konvergenz wird auch Auswirkungen haben auf die Art, wie man wirtschaftet.

CW: Inwiefern?

REGER: Produktion und Wartung erfolgen dann aus einer Hand, das Produktgeschäft wird zum Servicegeschäft.

CW: Ist die ITK-Industrie schon dafür gerüstet?

REGER: Die IT steht nicht mehr im Weg. Sie liefert genug Daten, auch in Echtzeit. Mit Cloud Computing kann man innerhalb von Minuten eine Infrastruktur einrichten. Wenn einer am Montag eine gute Idee hat, kann das Projekt in der gleichen Woche starten. Jetzt ist die Stunde der Kreativen, jetzt wird sich zeigen, ob das Marketing gut genug ist. Die IT-Infrastruktur ist jedenfalls gewappnet.

CW: Gilt das auch für die Programmierung?

REGER: Die neue Generation und Gattung von Programmierern geht da ganz eigene Wege. Sie produzieren Wegwerf-Applikationen, die nur einen einzigen Zweck erfüllen und nur eine Aufgabe lösen.

CW: DevOps?

REGER: Genau. Programmierer und Operator entwickeln gemeinsam schlanke Applikationen, die - außer ihrer eigentlichen Aufgabe - nur die Minimalanforderungen besitzen, damit sie ablaufen. Die Entwicklung geht nur zusammen mit dem Operator, der weiß, über was das System schon verfügt und was nicht neu geschrieben werden muss. Das ist richtig innovativ.

CW: Gilt das auch für den Mainframe?

REGER: Das eigentliche Ziel ist, die Mainframe-Entwicklung nicht anders zu gestalten als die normale Entwicklung und dafür die Tools, wie etwa Eclipse, bereitzustellen. Ich glaube aber nicht an DevOps bei Mainframes. Aber die normalen Applikationen sollen schnell entwickelt werden.

BS2000 auf x86

CW: Wieso gibt es bei aller Leistungssteigerung der x86-Architektur immer noch spezielle Mainframe-CPUs?

REGER: In der Vergangenheit wurde schon ziemlich viel mit anderen als den Prozessoren für Großrechner probiert, vor allem, als IBM damals die Hardware nicht mehr weitergab. So hat etwa Fujitsu das BS2000-Betriebssystem probehalber auf Mips-Chips portiert, später auf Sparc. Das Problem war, dass Windows nicht auf Sparc-Maschinen lief. Das Ziel aber war ja der "Universal Server", auf dem alle Betriebssysteme ablaufen sollten. Dann brachte Intel den Itanium-Chip und man dachte, das wäre jetzt die richtige CPU für alle Rechnerarten. Allerdings konnte Intel diesen Prozessor nicht am Markt durchsetzen. Dafür wurde die x86-Architektur immer erfolgreicher. Fujitsu hat ja auch BS2000 auf x86 portiert: Die Modelle der SQ-Serie arbeiten damit. Sie sind für kleinere und mittlere Anforderungen konzipiert.

CW: Dabei wird das Betriebssystem emuliert, oder?

REGER: Teile von BS2000 wurden auch übersetzt.

CW: Aber die Intel-Chips werden doch immer leistungsfähiger, wieso reicht das nicht aus?

REGER: Man hatte gehofft, dass die x86-CPUs so stark sein werden, dass das bisschen Emulation keine Rolle spielen würde und man mit der /390-Hardwarewetteifern könnte. Aber das ist leider nicht passiert.

CW: Wieso nicht?

REGER: Weil die Taktraten nicht mehr gestiegen sind. Man produziert heute Chips mit vielen Rechenkernen und relativ geringer Taktrate. Das ist aber nichts, was Großrechner benötigen, denn Mainframe-Anwendungen sind mono-thread. Prozessoren mit der Fähigkeit zum Multithreading helfen da nicht. Deshalb wird die Mainframe-Hardware à la /390 noch immer gebraucht.

CW: Inwiefern ist der neue Mainframe "BS2000 SE" konvergent?

REGER: Na, das ist ein tolles System - ein hochgezüchteter und stabil laufender Intel-Server, der aber auch noch /390-Prozessoren hat.

CW: Also ein Intel-Server mit Mainframe-Einschüben.

REGER: Der Server ist sehr modular aufgebaut. Der Anwender entscheidet, wie viele Instanzen von /390-Hardware er haben will. Dort laufen seine alten Anwendungen sehr schnell. Darunter gibt es dann ein paar Intel-Prozessoren und dort laufen Windows und Linux in beliebigen Mischungen. Selbst eine BS2000-Instanz kann für einfache Anwendungen dort eingekapselt auf den Intel-Prozessoren ablaufen. Also Konvergenz bei Hard- und Software.

Alles ist virtualisiert…

CW: Natürlich auch mit Möglichkeit zur Virtualisierung?

REGER: Das ganze System ist virtualisiert. Das sind virtuelle Maschinen, die miteinander kommunizieren und zwar über eine sehr schnelle interne Verbindung für den Datenaustausch.

CW: Datenaustausch zwischen /390- und Intel-Prozessoren? Wer braucht das und wie soll das funktionieren?

REGER: Etwa bei einer Datenbankanalyse, die läuft vielleicht schneller auf einer Intel-CPU. Dann werden diese Daten ausgelagert. Beide Betriebssysteme können sie lesen.

CW: Beide Betriebssysteme können den gleichen Datensatz lesen?

REGER: Dafür sorgt Fujitsu, das ist unser Job. Oft müssen die Daten nicht umgewandelt oder ausgetauscht werden, sondern beide Bereiche greifen darauf zu: Der eine lagert Daten ab, der andere liest sie schon. Die Daten werden nicht bewegt.

CW: Das klingt einfach.

REGER: Es gibt Formate, die dafür gemacht wurden. In diesen Formaten muss gespeichert werden, dann funktioniert das.

CW: Die interne Kommunikation…

REGER: … erfolgt über die gleichen physischen Verbindungen aber schnellere Protokolle als TCP/IP.

… und konvergent

CW: Also konvergent?

REGER: Ja, das ganze System ist konvergent, weil Intel-Hardware mit Mainframe-Hardware konvergiert. Die Storage-Verbindungen sind auch konvergent, weil auch Fibre Channel unterstützt wird. Bei den Betriebssystemen sind Windows-Varianten, Linux und BS2000 konvergent. Insgesamt sind Hardware und Software konvergent, das ist der Witz und das ist viel mehr als wir bisher gehabt haben. Dabei ist alles sehr modern implementiert auf Basis von Virtualisierung und Hypervisor-Technologie.

CW: Ist das jetzt der Universal Server?

REGER: Der Design-Wunsch richtet sich nicht mehr nach der Hardware, heute geht es um das Betriebssystem. Die neuen Mainframes verarbeiten BS2000 auf zweierlei Arten, weil es ja auch in der Intel-Partition läuft. Windows in allen Varianten und Linux laufen in der Intel-Partition. Bleibt Unix, aber da hat Linux eigentlich alles übernommen. Natürlich gibt es Nischenbereiche, wo vielleicht ein Sparc-Kommunikationssystem unter Solaris zehn Prozent schneller als ist als Linux auf Intel. Aber das diskutiert man nicht. Wie gesagt, best-in-class spielt keine Rolle mehr, es geht um End-to-end-Lösungen. (sh)