CW-Gespräch mit Filenet-CEO Lee Roberts

"Wir haben alles für den Erfolg getan"

06.09.2002
Im Gegensatz zu vielen anderen Softwarefirmen trotzt der US-amerikanische DMS-Spezialist Filenet mit vergleichsweise guten Umsatz- und Gewinnzahlen der Krise im IT-Markt. CEO und Chairman Lee Roberts erläuterte im Gespräch mit CW-Redakteur Gerhard Holzwart seine Strategie.

CW: Das Geschäft mit Dokumenten-Management-Systemen (DMS) läuft derzeit für die einschlägigen Anbieter alles andere als gut. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf, wenn man die jüngsten Ereignisse um die deutschen Softwarehäuser SER Systems und Ceyoniq in Betracht zieht. Ist dies allein mit der Krise im Softwaremarkt zu erklären oder spielen auch andere Einflüsse eine Rolle?

ROBERTS: Ich denke, dass Sie mit Ihrer Frage gleich einen Teil der Antwort geliefert haben. Bei den von Ihnen genannten Firmen kamen strategische Management-Fehler und vielleicht auch kriminelle Machenschaften zum Tragen; letzteres möchte ich aber nicht weiter kommentieren. Insofern sind dies jeweils individuell zu betrachtende Vorgänge. Ich stimme mit Ihnen nicht darin überein, dass der DMS-Markt - wenn man ihn noch so bezeichnen möchte - schlechte Perspektiven hat, sieht man einmal von der derzeit allgemein zu beobachtenden Investitionszurückhaltung vieler Kunden ab.

CW: Was verstehen Sie unter strategischen Management-Fehlern, die Sie ihren beiden gescheiterten deutschen Wettbewerbern ankreiden?

ROBERTS: Lassen Sie mich darauf diplomatisch antworten, indem ich Ihnen die Gründe für den Erfolg unserer Company nenne. Filenet ist bekanntlich mit am längsten im DMS-Markt aktiv und hat sich über die Jahre von einem reinen Imaging- und Archiv-Spezialisten zu einem Lösungsanbieter im Bereich Enterprise-Content- und Business-Process-Management gewandelt. Dabei haben wir mit unserer Produktstrategie den Anforderungen Rechnung getragen, die heute den Markt prägen: Die Kunden wollen eine geringere Total Cost of Ownership, sie wollen nach Möglichkeit alles aus einer Hand - und sie benötigen eine einheitliche Infrastruktur für die Verwaltung immer größerer Bestände an Daten und Dokumenten.

CW: Tut mir Leid, aber auch SER und Ceyoniq hatten sich die Themen Enterprise-Content-Management oder Knowledge-Management auf ihre Fahnen geschrieben.

ROBERTS: Aber offensichtlich für ihre Kunden nicht überzeugend genug dargestellt und gelebt. Ich sage noch einmal: Es reicht heute nicht mehr, ein Archivsystem als Insellösung zu verkaufen. Sie müssen Dokumente in die jeweilige Legacy-Umgebung, also in den Workflow integrieren können. Und dafür benötigen Sie die entsprechenden neuen Produkte - etwa im Bereich Web-Content-Management oder Enterprise-Application-Integration (EAI). Hinzu kommt: Wir arbeiten stärker denn je mit den großen Systemintegratoren zusammen, um unsere Systeme beispielsweise an die SAP- oder Siebel-Welt anzupassen.

CW: Was die Integration von Archivsystemen in SAP angeht, bietet dies schon seit Jahren die Ixos AG an. Was ist daran so neu?

ROBERTS: Ich kann mich nur erneut wiederholen: Das Entscheidende ist, dass wir heute nicht mehr nur von Archivlösungen reden, sondern von Enterprise-Content-Management.

CW: Und was steckt hinter dieser Marketing-Formel?

ROBERTS: Das ist keine Marketing-Formel, sondern die Beschreibung der Realität bei den Kunden. Nehmen Sie nur eine große Bank oder eine öffentliche Behörde. Wenn Sie es konkreter haben wollen, dann reden wir hier von der digitalen Kontoführung oder vom elektronischen Krankenschein, der Passverlängerung oder was auch immer. Oder nehmen Sie den Außendienst eines großen Versicherers. Immer mehr Internet-basierte Prozesse erfordern ein völlig neues Verständnis der digitalen Pflege und Verwaltung von Dokumenten.

CW: Würde das Hohelied, dass Sie da auf den DMS-Markt neuer Prägung singen, zutreffend sein, müssten die Umsätze von Filenet und die anderer DMS-Anbieter geradezu explodieren.

ROBERTS: Ich denke, dass wir uns - bezogen auf die letzten drei Quartale - in puncto Wachstum und Ertrag nicht verstecken müssen. Ansonsten hatte ich ja eben betont, wie wichtig für uns die Zusammenarbeit mit großen Partnern im Systemintegrationsbereich ist. Der Bedarf im Markt ist in der Tat so groß, dass Sie ihn als verhältnismäßig kleines Softwarehaus heute nicht mehr alleine befriedigen können. Und, das sollte man auch noch einmal unterstreichen, Sie können heutzutage keine Technologie mehr verkaufen, sondern ausschließlich Lösungen.

CW: Was macht Sie so sicher, dass Sie in diesem Geschäft auch künftig zu den Gewinnern zählen?

ROBERTS: Sicherheit gibt es im Business nie. Aber wir haben alles für den Erfolg getan. Wir haben unsere Kostenstruktur angepasst, als andere noch nichts von der Krise wissen wollten. Jedoch haben wir nicht dort gespart, wo viele Softwarefirmen dann, als der Markt richtig eingebrochen ist, um so stärker die Axt anlegen mussten: bei der Entwicklung und im Vertrieb. Wenn wir heute immer noch 20 Prozent des Umsatzes in die Weiterentwicklung unserer Produkte investieren, spricht dies doch Bände. Und was noch wichtiger ist: Unsere Kunden honorieren das.

Filenet: Fragen hinter dem Erfolg

Der US-Anbieter Filenet hatte es lange Zeit schwer, sich in Deutschland zu etablieren. Interne Management-Querelen bei der deutschen Niederlassung taten vor einigen Jahren dazu ihr Übriges. Jetzt aber können sich die Filenet-Verantwortlichen in Deutschland die Hände reiben: Viele der ehemaligen SER- und Ceyoniq-Kunden, darunter auch sehr namhafte, laufen geradezu panikartig zu Filenet über. Ähnliches hört man auch bei Ixos in so genannten Hintergrundgesprächen. Den um ihren Investitionsschutz beziehungsweise die Wartung ihrer Archiv- und DMS-Systeme bangenden Anwendern garantiert man entsprechende Sicherheit.

Bei Filenet dürfte dies vermutlich auch ein gerüttelt Maß an vermeintlicher Zukunftssicherheit sein. Denn die US-Company, eine der ersten DMS-Firmen überhaupt im Markt, hat sich wie kaum ein anderer Hersteller in diesem Segment in den letzten Jahren neu positioniert. Aus dem Achiv-Spezialisten wurde ein Anbieter für das so genannte Enterprise-Content-Management. Nimmt man die jüngsten Zahlen als Maßstab, scheint die Strategie aufzugehen. Im zweiten Quartal 2002 (Ende: 30. Juni) wies Filenet bei einem Umsatz von 88,2 Millionen Dollar einen Reingewinn von 1,7 Millionen Dollar aus.

Allerdings gibt es auch eine Reihe von Experten, die die Diversifizierungsstrategie von Filenet in neue Märkte mit einer Portion Skepsis betrachten. Darunter Bernhard Zöller, Geschäftsführer des Beratungshauses Zöller & Partner, der in einer Kurzanalyse folgendes meint: "Neben Ixos, Documentum und Saperion erzielt Filenet derzeit vergleichsweise beachtliche Lizenzzuwächse. Das spricht für die Tatsache, dass man auch in Zukunft von einem wachsenden Bedarf an Archiv- beziehungsweise Enterprise-Content-Management-Lösungen ausgehen kann. Wir sind aber gespannt, ob und wie Filenet seine Kernprodukte pflegt. Denn die Tatsache, dass Filenet schon sehr lange auf dem Markt ist, heißt natürlich nicht, dass die Produkte perfekt wären.

Neue Filenet-Produkte wie "Brightspire" dagegen zielen eigentlich auf einen anderen Markt: Process-Integration/EAI. Derartige Projekte haben aber nach unseren Beobachtungen - bisher zumindest - mit dem traditionellen DMS-Markt nur minimale Synergieeffekte aufzuweisen. Natürlich ist Prozessintegration ein dominierendes Thema in den meisten DMS-Projekten, aber man benötigt für die Integration eines DMS in die Prozesse einer der führenden Anwendungsumgebungen nicht unbedingt komplett neue EAI-Frameworks." xx