"Wir brauchen mehr Unterstützung"

29.07.2008
Von 
Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.
Michael Neff, CIO der Heidelberger Druckmaschinen AG, fühlt Achim Berg, Geschäftsführer von Microsoft Deutschland, auf den Zahn. Unter anderem geht es um die Frage: Wie sexy ist Microsoft eigentlich noch?

NEFF: Wird Microsoft durch den Rückzug von Bill Gates quasi ein normales Unternehmen?

BERG: So komplett ist der Rückzug nicht. Bill Gates bleibt ja Microsoft-Chairman und wird an ausgewählten Projekten weiter mitarbeiten. Man wird ihn nach wie vor in Redmond treffen - auch wenn jetzt Steve Ballmer in seinem Büro sitzt. Die Tugenden, die Microsoft ausgezeichnet haben, bleiben definitiv erhalten.

COMPUTERWOCHE-Gipfeltreffen

In lockerer Folge bringt die COMPUTERWOCHE jeweils den CIO eines wichtigen deutschen Unternehmens mit einem hochkarätigen Manager aus der IT-Industrie ins Gespräch. Die Redaktion bereitet die Gespräche mit den Protagonisten intensiv vor. Aber während des Dialogs sind die CW-Redakteure nur Zaungäste.

NEFF: Der Deal zwischen Yahoo und Microsoft scheint gescheitert. Wie hätten Enterprise-Kunden von der Akquisition profitiert?

Achim Berg

Achim Berg wurde mit Wirkung zum 1. Februar 2007 zum General Manager von Microsoft Deutschland und Area Vice President Microsoft International berufen. Der gelernte Informatiker verantwortet somit das Geschäft im viertgrößten Markt der Microsoft Corp. Vor seiner Tätigkeit bei Microsoft leitete Berg als Mitglied des Vorstands der T-Com seit 2002 Marketing und Vertrieb für das Festnetz. Von 1999 bis 2001 war er Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Fujitsu-Siemens Computers GmbH und dort maßgeblich daran beteiligt, die Computersparten der beiden größten IT-Hersteller in Deutschland zusammenzubringen

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BERG: Prinzipiell kann man Business und Consumer-Themen nicht wirklich voneinander trennen. Denken Sie nur an das Thema Instant Messaging. Die Leute erwarten zunehmend, dass sie mit den Geräten und Services, mit denen sie zu Hause werkeln, auch in der Firma arbeiten können. Und schließlich hat Yahoo einiges, was Microsoft sehr gut gebrauchen könnte. Der globale Werbemarkt steht für mehr als 500 Milliarden Euro, das ist deutlich mehr als die 300 Milliarden Euro, die der weltweite Softwaremarkt ausmacht. Da ist es extrem wichtig, dass wir das Thema Online weiter vorantreiben, denn viele künftige Geschäftsmodelle basieren auf Online-Werbung. Da müssen wir dabei sein - und zwar vorn.

NEFF: Microsoft bietet eine Vielzahl von Tools an. Gute Tools! Aber um sie zu Lösungen auszubauen, sind wir Enterprise-Anwender auf die Microsoft-Partner angewiesen, und manche von denen wissen einfach nicht genug. Wenn Sie wirklich im Enterprise erfolgreich sein wollen, müssen Sie dieses Problem besser in den Griff bekommen.

BERG: Ich gebe Ihnen Recht. Es ist schwierig, wenn Partner auf der ganzen Produktpalette arbeiten wollen, aber nicht können. Ich rate unseren Partnern immer, sich zu spezialisieren. Es gibt nur ganz wenige, die groß genug sind, um sich breit aufzustellen.

NEFF: Helfen Sie uns, die richtigen Partner zu finden, die entsprechend aufgestellt sind und ihr Aufgabengebiet wirklich beherrschen! Wir brauchen mehr Unterstützung. Die Partner müssen sehen, was in unseren Architekturrahmen passt und was nicht. Wir haben zu oft den Eindruck, dass sie nur ihre Vertriebsziele im Auge haben.

BERG: Wir investieren viel in die Qualifizierung unserer Partner, allein innerhalb der nächsten zwölf Monate mehr als eine Million Euro. Aber bis ins Detail ausbilden können wir sie nicht. Wir müssen den Kunden aber sagen können, welcher Partner was kann. Das ist heute schon auf unserer Internet-Seite mit dem Partnerfinder möglich. Außerdem haben wir entschieden, dass wir eine große Zahl von Architekten einstellen, die den Kunden schon vor dem Verkauf in Architekturfragen zur Seite stehen.

Michael Neff

Michael Neff ist seit April 2000 CIO der Heidelberger Druckmaschinen AG. Für seine weitsichtige IT-Strategie - unter anderem die weltweite Standardisierung von 16 000 Client-Systemen - kürte ihn die COMPUTERWOCHE zum "CIO des Jahres 2005". Bevor Neff zu "Heidelberg" wechselte, nahm er sieben Jahre lang die CIO-Aufgaben für das Pharmaunternehmen Hoechst Marion Roussel wahr. Im Hoechst-Konzern hatte er schon 1986 angeheuert. Zunächst arbeitete er dort vier Jahre als IT-Manager im Geschäftsbereich Folien und Kunststoffe, um dann ein Intermezzo als Controller der Zentralforschung zu geben.

NEFF: Verbessert werden muss auch die Zusammenarbeit der Hersteller untereinander. Nehmen Sie nur SAP und Microsoft. Kürzlich habe ich einem meiner Vorstände erzählt, was Microsoft und SAP da unter dem Namen Duet auf die Beine gestellt haben. Der Mann war der Ansicht, solche Probleme seien schon vor 20 Jahren gelöst worden. Der konnte gar nicht verstehen, warum es so schwierig sein soll, einen mit Outlook gestellten Urlaubsantrag automatisch im SAP-HR-System zu buchen.

BERG: Mit SAP und Microsoft haben Sie ein gutes Beispiel gewählt. Da fragt man sich in der Tat, warum wir nicht schon vor 15 Jahren Duet entwickelt haben. Wir werden aber besser. Mit der Version 3.0 von Duet sollen Kunden ihre Applikationen selbst verbinden können und nicht immer auf vorgefertigte Module warten müssen. Diese Version dürfte in 18 bis 24 Monaten auf den Markt kommen. Ich kann die Zusammenarbeit mit SAP nur als gut bezeichnen.

NEFF: Ihr Wort in Gottes Ohr! Unsere Erfahrung ist, dass beide Partner immer wieder versuchen, den Kunden auf ihren jeweiligen Campus zu ziehen. Anbieter wie Microsoft investieren viel Geld in Marketing- und Innovationsbotschaften. Der Vertrieb will verkaufen und pusht diese Produkte entsprechend stark - unabhängig davon, ob sie in unsere Architektur passen oder nicht.

BERG: Wenn man als Lieferant dem Kunden Produkte reindrückt, schadet man sich langfristig selbst. Sicher darf man nicht vergessen, dass wir gleichzeitig auch Wettbewerber sind, und die Teams von Microsoft sollen sich diesem Wettbewerb auch stellen. Doch wenn Lösungen mit Angeboten unserer Partner im Wettbewerb stehen, dann müssen wir zuerst das Wohl des Kunden im Auge haben. Sonst haben wir und möglicherweise auch unser Partner den Kunden verloren - die schlechteste aller Optionen.

NEFF: Etwas anderes, das mich stört: Microsoft vermarktet zurzeit unter dem Begriff "People Ready" seine Collaboration-Werkzeuge. Ich finde die reibungslose Zusammenarbeit von Mitarbeitern eines Unternehmens absolut wichtig. Aber wie argumentiere ich hier in meinem Unternehmen? Der Begriff People Ready hilft mir da überhaupt nicht. Das versteht mein Vorstand nicht. Wieso hilft Microsoft seinen Enterprise-Kunden nicht, den Nutzen für das Business klar zu kommunizieren?

BERG: Es reicht sicher nicht aus, dass ein Marketing-Spruch gut klingt. Den Nutzen von IT-gestützter Collaboration haben wir genau untersucht. Studien unter anderem von Gartner beweisen eindeutig, dass Unternehmen, deren Mitarbeiter intensiv zusammenarbeiten, dreimal erfolgreicher sind als Firmen, in denen weniger gut kooperiert wird.

NEFF: Warum höre ich das erst jetzt von Ihnen und nicht schon in den Marketing-Botschaften, die Sie unter die Leute bringen? Das sind doch die Informationen, mit denen ich die Entscheidungsträger überzeugen kann.

BERG: Sorry, dass ich der Erste bin, der Ihnen das erzählt. Ich bin ein großer Freund von klaren, pragmatischen Aussagen, und wenn die von unseren Enterprise-Kunden bislang nicht gehört wurden, dann muss ich unserem Marketing und unserem Vertrieb helfen, sie konsequenter in die Unternehmen zu tragen.

NEFF: Ein weiteres Thema, das mich in der Zusammenarbeit mit IT-Anbietern umtreibt, ist der Einkauf. Heidelberg hat ein Portal, über das der Zentraleinkauf mit den Lieferanten zusammenarbeitet. Das funktioniert überall gut, nur nicht für die IT. Der Softwareeinkauf läuft kompliziert und ineffizient. Warum lässt sich dafür nicht auch ein Portal aufbauen, in dem die Einkaufsregeln, die Architekturbeschreibung des Kunden sowie sämtliche bestellten und installierten Produkte hinterlegt sind? Das würde uns Lichtjahre voranbringen. Dieses Portal könnte meinetwegen für jeden Lieferanten unterschiedlich sein.

BERG: Da spricht überhaupt nichts dagegen. Das ist eine sensationell gute Idee.

NEFF: Das sagen Ihre Kollegen auch. Aber bisher hat es niemand gemacht.

BERG: Ich habe schon einige Ideen, wie wir das realisieren können, zumindest bilateral. Lassen Sie uns noch einmal in einem Jahr darüber reden. Ich bin sicher, bis dahin kann ich etwas vorweisen, das Ihrer Idee zumindest nahekommt. Ich habe aber auch eine Frage: Wie viel Prozent Ihres Budgets geben Sie eigentlich für den Betrieb aus und wie viel für Innovation?

NEFF: Wir geben etwa 80 Prozent dafür aus, dass die Lichter weiter- brennen, und 20 Prozent für Projekte. Bei diesen Projekten handelt es sich nicht unbedingt um neue Technologien, wir setzen dort auch reife Technologie ein.

BERG: Aber ist dieses Verhältnis nicht frustrierend?

NEFF: Natürlich ist es das. Deshalb komme ich noch einmal zurück auf die notwendige Argumentationshilfe von Seiten des Anbieters. Wie können uns die Hersteller helfen, die weichen Komponenten eines Business-Plans transparenter zu machen? Können Sie uns nicht unterstützen, damit wir schnell kleine überzeugende Show Cases bekommen? Es gibt doch keine bessere Argumentationshilfe als ein gut funktionierendes Beispiel. Dazu brauchen wir weltweit standardisierte Plattformen, auf denen man solche Sachen schnell ausrollen und nutzen kann. Wenn Sie sich ansehen, welche Prozesse heute nötig sind, um so etwas zu realisieren, dann können Sie nur mit dem Kopf schütteln.

BERG: Gerade durch Software as a Service oder, wie wir es nennen, Software plus Service, haben wir doch die Möglichkeit, schnell Dinge auszuprobieren, ohne dass wir gleich den ganz großen Apparat bemühen müssten.

NEFF: Mal etwas anderes: Microsoft hat derzeit offenbar ein Problem im Markt. Wir haben Vista weltweit erfolgreich eingeführt, aber ich muss mich von meinen CIO-Kollegen fragen lassen, warum wir so etwas tun.Das ist doch paradox. Wir erzielen in unserem Unternehmen Vorteile durch eine Innovation aus dem Hause Microsoft, aber im Markt fragt man sich derzeit: Was ist eigentlich noch sexy an Microsoft? Also frage ich mich: Was läuft in Ihrem Hause falsch, dass sich bei meinen Kollegen ein solcher Eindruck verfestigen kann? Auch von meinen Chefs muss ich mich fragen lassen, warum ich von einem Unternehmen kaufe, über dessen Rechtsstreitigkeiten dauernd in der Presse berichtet wird und dessen Einstellung zu Open Source sehr negativ ist.

BERG: Zunächst zu Windows Vista. Inzwischen sehen wir in den Medien mehr und mehr Berichte, die Windows Vista eine gute Qualität bescheinigen. Die Treiberprobleme der ersten Monate sind komplett überstanden. Wir haben im Business-Umfeld nach zwei Jahren mehr Windows-Vista-Installationen, als wir zum gleichen Zeitpunkt Windows-XP-Installationen hatten. Nun zum Thema Open Source und Offenheit: Microsoft hat lange sehr konsequent und rigide seinen eigenen Weg verfolgt - mit allen Vor- und Nachteilen. Aber seit drei, vier Jahren sind wir in dieser Hinsicht eine vollkommen andere Firma. Es gibt heute keine offenere Plattform als unsere. Vielleicht müssen wir das noch stärker kommunizieren.

NEFF: Wir sind dabei, unsere Infrastruktur zu virtualisieren. Unter anderem haben wir Softgrid eingeführt. Gibt es auf Ihrer Seite Überlegungen, wie man in Zusammenhang mit Virtualisierung das Thema Lizenzen adressieren könnte, um noch größere finanzielle Vorteile zu erzielen?

BERG: Das ist keineswegs trivial. Im Bereich Server-Virtualisierung ist das Problem verhältnismäßig einfach zu lösen. Aber Sie sprechen ja über Applikationsvirtualisierung mit Softgrid, wo in sich gekapselte Programme auf einem PC laufen. Und hier wird das Thema wirklich komplex. Deshalb haben wir unsere Lizenzierungsmöglichkeiten entsprechend flexibilisiert.

NEFF: Das verstehe ich. Aber die Industrie erleichtert uns das Leben nicht gerade, wenn sie auf die Lizenzierungsfrage in einer virtuellen Welt keine klaren Antworten gibt. Solange das Lizenzthema nicht gelöst ist, können wir die finanziellen Vorteile nicht wirklich realisieren.

BERG: Zumindest nur einen Teil davon.

NEFF: Wir setzen Microsoft-Tools auch im Rechenzentrum mit gemischten Umgebungen ein. Dabei stellen wir immer wieder fest, dass Ihre Produkte, zum Beispiel der Microsoft Operation Manager, nicht mit den Tools anderer Hersteller kooperieren können.

BERG: Wir haben beschlossen, alle unsere Produkte zu öffnen. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, aber wir bewegen uns definitiv in diese Richtung. Und wenn Sie da mit dem MOM noch ein Problem haben, würde ich mir das gerne genauer ansehen, damit wir klären können, ob es sich dabei um ein Produktproblem handelt.

NEFF: Zu guter Letzt mal zwei generelle Fragen: Warum ist die IT für ein Unternehmen eigentlich strategisch? Und wieso ist Microsoft für die IT strategisch?

BERG: IT ist überhaupt nicht strategisch, wenn sie nicht den eigentlichen Geschäftszweck unterstützt. Dann hat auch der CIO ein Problem. Sie müssen deutlich machen, dass Sie mehr sind als ein Kostenfaktor. Und zur Bedeutung von Microsoft: Wir wissen, dass wir nicht der einzige strategische Partner sind. Aber wir sehen uns immerhin als einen strategischen Anbieter - und zwar weit über die Themen Office und Windows Vista hinaus, also für den kompletten Enterprise-Bereich. Microsoft ist einfach der Anbieter mit der breitesten Produktpalette.

NEFF: Aus meiner Sicht wird Microsoft nach wie vor sehr stark mit Office und Windows verbunden, neuerdings auch mit dem Thema Collaboration. Aber im Enterprise-Umfeld stehen Sie erst an der Schwelle zum strategischen Lieferanten.