Gartner Symposium 2014

"Wir brauchen Ethiker und Psychologen in der IT"

11.11.2014
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Gute CIOs geben anderer Leute Geld aus

Der von Sondergaard beschriebene Trend, wonach IT-Investitionen immer häufiger aus den Fachbereichen heraus initiiert und bezahlt werden, ist aus Nunnos Sicht nicht negativ zu bewerten. Ein guter CIO verstehe sich ohnehin nicht als Chef einer Abteilung, sondern als Leiter eines abteilungsübergreifenden Teams. "Dann ist er auch nicht auf das IT-Budget beschränkt. Er kann quasi anderer Leute Geld ausgeben."

Allerdings müsse man gerade das Marketing bisweilen bremsen, weil es gern über das Ziel hinausschieße, räumte die Analystin ein. Trotzdem müsse der CIO eine Atmosphäre schaffen, in der sich niemand gezwungen fühle, etwas vor ihm zu verstecken: "Sonst ist diese Innovation ja für ihn verloren." Nötig sei eine abgestimmte Kontrolle: "Monitoren Sie, ermutigen Sie die Leute, und stecken Sie einen Rahmen ab."

Gartner Symposium 2014
Gartner Symposium 2014
Foto: Gartner

Risiko-Management - mit den Haien schwimmen

Wichtig sei, wie die CIOs ihre digitalen Teams aufstellten, ergänzte Nunno. Hier sei mehr Miteinander und weniger Hierarchie gefragt: "Die IT kommt nicht vom anderen Stern - es sei denn in einigen Unternehmen, die traditionell in Silos organisiert sind."

Wie viel Modus zwei sie sich leisten könnten und müssten, sollten die Unternehmen genau abwägen, schickte Nunno hinterher. Nicht zuletzt, weil mit den neuen Möglichkeiten auch Risiken verbunden seien. 89 Prozent der CIOs sehen im Digitalen Business bislang Gefahren und Risiken von unbekanntem Ausmaßen auf sich zukommen. "Im Wasser gibt es immer Haie", bestätigte Nunno, aber ein Haiangriff sei oft die Reaktion auf die eigene Unvorsichtigkeit oder Dummheit.

In der Konsequenz rät Nunno den Unternehmen, das Risiko nicht zu vermeiden, sondern es zu managen: "Diejenigen, die sagen, sie wollten allen Risiken aus dem Weg gehen, werden aus dem Geschäft herausfallen; diejenigen, die jedes Risiko in Kauf nehmen, werden sich selbst hinauskatapultieren." Wer in einer risikoaversen Organisation arbeite, habe immer noch die Möglichkeit, erst einmal klein anzufangen mit der Digitalisierung.

Humanisten statt Maschinisten

Die neuen technischen Möglichkeiten sind ja nicht für alle Menschen faszinierend. Manche empfinden sie als furchterregend, andere zumindest als unheimlich, führte Frank Buytendijk, Research Vice President bei Gartner aus. Er untermauerte die von Sondergaard angerissene These, wonach das Digital Business ein Human Business sei.

"Der digitale Business-Moment ist ein zutiefst menschlicher Moment", sagte der Gartner-Analyst, "im Gegensatz zu einem Maschinenmoment". Angesichts dieser Tatsache sollten sich die Unternehmen die Frage stellen: Wie viele unserer Projekte haben eigentlich einen funktionalen Fokus? Und wie viele drehen sich darum, den Menschen zu berühren? Letztere hätten meist auch einen ethischen Aspekt, den es herauszuarbeiten gelte. "Werden Sie digitale Humanisten", forderte Buytendijk die Zuhörer auf, "keine digitalen Maschinisten".

Das digitale Business-Manifest

Selbstverständlich komme auch der digitale Humanismus nicht ohne Automatisierung aus, räumte der niederländische Gartner-Manager ein. Ohne eine sorgfältige Infrastruktur funktionierten nicht einmal "humane" Anwendungen. Aber der Mensch als Nutzer dürfe nicht hinter der Maschine verschwinden.

Dazu hat Buytendijk sein "digitales Business-Manifest" formuliert. Es besteht aus drei Punkten:

  1. Stellen Sie die Menschen in den Mittelpunkt. Fragen Sie nicht, was die Leute wollen, beobachten Sie, was sie tun. Und setzen Sie Ihre eigenen Leute dort ein, wo die Action ist.

  2. Erwarten Sie das Unerwartete. Hören Sie zu, beobachten Sie, und halten Sie sich zurück, wenn etwas gut läuft.

  3. Respektieren Sie Freiräume. Praktizieren Sie Privacy by Design - über den vollen Lebenszyklus vom Anfang bis zum Ende des Prozesses.

Künftig würden in der IT nicht nur Techniker benötigt, prognostizierte Buytendijk: "Wir brauchen Philosophen, Ethiker, Psychologen und Leute, die eine Geschichte erzählen können."