Praxiserfahrungen spalten die Anwender

Windows XP - die Tools hinter der Kulisse

22.02.2002
MÜNCHEN (hi) - Mit dem Spagat, Windows XP als Consumer- und Profi-Betriebssystem in einem zu positionieren, ist Microsoft in ein Zwickmühle geraten. Zahlreiche nützliche Werkzeuge, die in den Händen unbedarfter User viel Schaden anrichten können, wurden so gut versteckt, dass sie auch der Profi kaum findet.

"Das beste Betriebssystem aus dem Hause Gates", "Eine unsichere Crash Engine ohne Mehrwert" - knapp vier Monate nach der offiziellen Vorstellung polarisiert Microsofts aktuelles Betriebssystem die Anwender in den Newsgroups mehr als irgendeine Vorgängerversion. An diesem breiten Meinungsspektrum ist der Softwarekonzern allerdings nicht ganz unschuldig. Weil der Hersteller auf gedruckte Handbücher komplett verzichtete und auf die integrierten XP-Ratgeber verweist, schlummern viele nützliche Features im Verborgenen und erschließen sich dem Benutzer nicht auf den ersten Blick.

Ein Anwender, der Probleme mit der Systeminstallation hat und am berüchtigten Bluescreen of Death scheitert, hat jedoch keine Chance, auf diese integrierten Assistenten zuzugreifen, denn sie funktionieren erst nach der Installation. Bei einem Streifzug durch die Microsoft-Newsgroups zum Thema Windows XP fällt zudem auf, dass vor allem Anwender mit AMD-Prozessoren über häufige Abstürze oder gescheiterte XP-Installationen klagen. Den Verdacht, dass diese CPUs womöglich nicht mit XP harmonisieren, weist man bei AMD Deutschland weit von sich. "Allerdings gehören die AMD-Benutzer eher in den Bereich der PC-Enthusiasten, die ihren Rechner selbst bauen und deshalb häufiger in den Newsgroups anzutreffen sind als die Benutzer von Rechnern mit einem Konkurrenzprozessor", hält AMD-Pressesprecher Jan Gütter eine Erklärung parat. Ansonsten seien "Athlon" und "Duron" ein "perfect fit" für Windows XP, und das Drama mit den VIA-Chipsatztreibern sei Schnee von gestern, da Microsofts XP-Sprößling diese von Haus aus unterstütze. "Andere Treiber", so Gütter weiter, "sind nur dann nötig, wenn mehr Performance gewünscht ist oder es zu Instabilitäten kommt."

Ist die Installationshürde genommen, erhält der Anwender Zugriff auf die genannten Hilfefunktionen, die unter XP als Hilfe- und Support-Center (HSC) bezeichnet werden (alle im Folgenden erwähnten Beispiele und Features beziehen sich auf Windows XP Professional). Dabei enttäuschen allerdings die von den Microsoft-Marketiers besonders beworbenen Assistenten, die bei Problemen helfen sollen. Unverständlich ist auch, warum die Programmierer im HSC ein anderes Feature gut versteckt haben: Gibt der Anwender unter Suchen den Begriff "Glossar" ein, erhält er Zugriff auf ein kleines IT-Lexikon, das ihm die wesentlichen Begriffe des DV-Alltags (etwa IP, SMNP, Kabelmodem, um nur einige Beispiele zu nennen) erklärt. Zum perfekten Nachschlagewerk fehlt eigentlich nur noch eine komfortable Suchfunktion, und das verborgene Tool hätte das Zeug dazu, kommerziellen IT-Lexika Konkurrenz zu machen.

Aufgaben automatisierenEin Manko, das sich eventuell mit einem anderen XP-Feature umgehen lässt, das ebenfalls eher ein Schattendasein führt beziehungsweise aufgrund der Virenproblematik einen schlechten Ruf hat: der Windows Scripting Host.

Mit ihm lassen sich zahlreiche Aufgaben unter XP automatisieren, wobei mit VB Script, angelehnt an Visual Basic, sowie Jscript, eine Javascript-ähnliche objektorientierte Sprache, zwei durchaus mächtige Programmiersprachen bereitstehen. Durch die Problematik der Scriptviren in Verruf gekommen, liegen diese Einsatzmöglichkeiten für den lokalen Bereich aber in der Regel brach. Begeistert von dem Potenzial - in früheren Windows-Versionen mussten solche Aufgaben noch mit dem Windows Recorder aufgezeichnet werden -, prägte ein Anwender den Spruch "Scripting, bis der Arzt kommt".

Alternative zum Registry EditorEin ebenso mächtiges Werkzeug bilden die "Gruppenrichtlinien". Dabei handelt es sich zwar nicht um eine spezifische XP-Neuerung, denn Microsoft hat dieses Tool erstmals unter Windows 2000 eingeführt. Als Ablösung der von früheren NT-Versionen bekannten "Systemrichtlinien" führt das als Konsolendatei konzipierte Tool jedoch ein Schattendasein, da sein wahres Potenzial vielen Anwendern unbekannt ist. Unter Ausführen mit "gpedit.msc" aufgerufen, erlaubt das Werkzeug die komfortable Einstellung von über 600 Registry-bezogenen Einträgen.

Dabei hat das Tool gegenüber dem bekannten Registry Editor einen entscheidenden Vorteil: Der Benutzer muss sich nicht mit kryptischen Schlüsselbezeichnungen und hexadezimalen Zahlenwerten herumplagen, sondern bekommt die Einstellungsoptionen als allgemein verständlichen Text präsentiert. Auf komfortable Weise kann so ein Feintuning von Windows XP erfolgen und das System an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden.

Richtig Spass macht gpedit im Netz, wenn Microsofts Verzeichnisdienst Active Directory verwendet wird. Hier hat nämlich der Administrator die Möglichkeit, über die Gruppenrichtlinien zentrale Einstellungen vorzugeben, welche eine höhere Priorität als die lokalen Änderungen der Benutzer besitzen, so dass an allen Arbeitsplätzen etwa ein gleiches Umfeld präsentiert wird.

Apropos Netzwerk, hier überrascht XP ebenfalls mit zwei eher unbekannten Neuerungen. So ist in das Betriebssystem die Option implementiert, über herkömmliche Telefonkabel ein LAN gemäß den Spezifikationen der Home Phoneline Networking Alliance (HPNA) zu realisieren - bei Übertragungsraten von 10 Mbit/s. Ein Feature, das in der Praxis aber eher für den US-Markt sowie wirklich sehr kleine Zweigstellen und im heimischen Umfeld interessant ist, da Telefon- und Datenverkehr über die gleiche Leitung gehen. Interessanter ist dagegen, was sich hinter der Fassade von XP in Sachen Wireless LAN getan hat. Das Betriebssystem unterstützt dieses Medium nun direkt und offeriert zwei Betriebsarten: einen "Ad-hoc"-Modus sowie eine Infrastrukturbetriebsart. Im Ad-hoc-Betrieb fungiert das Funknetz als ein Peer-to-Peer-Verbund, in dem jeder Funk-Computer zu den anderen Rechnern in der Funkzelle eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung unterhält. Im Infrastrukturmodus wird dagegen die Kommunikation über einen Access Point abgewickelt. An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beim Betrieb eines solchen Funknetzes bei der Vergabe der Extended Service Set Identifier (Essid) und den anderen Parametern äußerste Sorgfalt angebracht ist. Wer etwa als Essid den Namen "any" verwendet, kreiert ein offenes Funk-LAN und erleichtert so Angreifern die Arbeit.

Dateien verschlüsselnEine weitere entscheidene Änderung in puncto Sicherheit verbirgt sich bei Windows XP hinter der Option, unter NTFS Dateien zu verschlüsseln (EFS = Encrypting File System). Im Gegensatz zu Windows 2000 erhält der XP-Administrator nämlich nicht mehr automatisch die Rechte als "Wiederherstellungsagent". Auf der einen Seite ist dies unter Privacy-Aspekten zwar wünschenswert, doch wenn der Anwender seinen privaten Schlüssel verliert, besteht keine Möglichkeit mehr, auf die Daten zuzugreifen. Deshalb ist es eigentlich anzuraten, dem Administrator die entsprechenden Agentenrechte einzuräumen. Ferner gilt es bei EFS, eine weitere Besonderheit zu beachten: Werden verschlüsselte Dateien auf einen Netware-Server kopiert, so entschlüsselt XP die Dateien vor dem Kopiervorgang.

In Verbindung mit Netware-Servern wartet auf Anwender, die etwa mobil mit einem Notebook arbeiten, noch eine andere Falle: Werden den Volumes des Netware-Servers unter XP Laufwerksbuchstaben zugewiesen (= Mappen), so stürzen die Office-XP-Applikationen ab, wenn der Rechner keinen Kontakt zum Server hat. Dieses seltsame Phänomen, das eventuell in Zusammenhang mit der Universal Naming Convention (UNC) von XP steht, lässt sich vermeiden, wenn die Laufwerkszuweisungen im Login-Script von Netware erfolgen.

Dank der von Microsoft praktizierten Begriffsverwirrung zwischen "Remote Desktop" und "Remote Unterstützung" liegt häufig auch die Funktion der Terminaldienste brach. Ein Service, den Microsoft unter Windows 2000 Server erstmals einführte und nun auch auf Arbeitsplatzrechnern in abgespeckter Form ermöglicht.

Remoter ZugriffIm Gegensatz zu der Server-Variante unterstützt XP nur einen Client, der mit den Applikationen des XP-Rechners arbeiten kann. Dabei übernimmt der Client jedoch nicht komplett den Rechner (Remote Control), sondern nutzt nur dessen Applikationen und Daten. Eine Lösung, die derzeit für Client-Systeme unter XP, Windows NT 4.0 sowie die verschiedenen Windows-9x-Derivate erhältlich ist. Spinnt man jedoch diesen Ansatz weiter, so würde es sich anbieten, künftig etwa drahtlosen Surfpads oder PDAs über die Terminalfunktionen Zugriff auf den Rechner zu ermöglichen. Auf diese Weise könnte der Anwender mit seinen gewohnten Programmen und Daten weiterarbeiten, ohne die entsprechenden Applikationen auf den mobilen Endgeräten zu benötigen.

Versteckte Features- Probleme mit AMD-Prozessoren?

- Das Hilfe- und Support-Center - den Schritt zum Nachschlagewerk verpasst,

- Windows Hosting Script - lokale Aufgaben automatisieren,

- Gruppenrichtlinien - komfortabel, aber versteckt,

- Wireless LAN - zwei Betriebsmodi,

- Encryption File System - Rechtevergabe sollte erfolgt sein,

- XP und Netware-Server - wo wird gemappt?

- Remote Desktop und Remote Unterstützung - was ist was?