Microsofts Strategie beruht auf einem einzigen Begriff

Windows New Technology - die portierbare Multi-Plattform

17.04.1992

*Mitchel Wolfson ist Manager Plattform Marketing bei der Microsoft GmbH in München.

Das New-Technology-Konzept von Microsoft stellt die Softwaregrundlagen für Betriebssysteme des nächsten Jahrzehnts zur Verfügung. Aufgrund der deutlichen Vorteile von Windows und seiner bereits heute großen Verbreitung wird Windows als New-Technology-Version (Windows NT) konsequent weiterentwickelt.

Windows NT ist ein eigenständiges Betriebssystem, das MS-DOS nicht mehr benötigt - aber eine vollständige DOS-Emulation bietet. Außerdem verfügt es über alle Leistungsmerkmale der gegenwärtigen Windows-Implementierungen. Unter Microsoft Windows NT laufen daher dieselben Anwendungen wie unter Windows, Version 3.x, im Standard- und erweiterten Modus sowie Anwendungen für die neuen 32-Bit-APIs von Windows. Systeme wie OS/2 und Standards, etwa Posix, sind integrierbar.

Das Betriebssystem Windows NT ist speziell auf die Anforderungen von High-end-Desktop-PCs und Server-PCs zugeschnitten. Windows NT läuft auf Rechnern mit 8 MB Arbeitsspeicher, die 80386-, 80486- oder höhere Prozessoren besitzen. Es zeichnet sich durch ein einfaches Design aus und ist fast vollständig in der Sprache C geschrieben. Daher ist es möglich, das Produkt auf unterschiedliche Systeme zu implementieren.

Die Planungs- und Entwicklungsarbeit von Windows NT erfolgt forciert seit 1988. Das Team der Entwickler wird von David Cutler geleitet - einem der "Väter" der weitverbreiteten Betriebssysteme RSX und VMS. Andere Mitglieder des Teams besitzen Entwicklungserfahrungen in den Umgebungen MS-DOS, Windows, VMS, Unix und OS/2.

Um eine hohe Ausbaufähigkeit zu erzielen, wurde Windows NT nach dem Mehrschichten-Modell konzipiert. In Mehrschicht-Systemen wie dem Mach-System der Carnegie Mellon University existiert der "Layered Approach". Grundlegende Betriebssystem-Funktionen sind hier in eine Fundamentschicht - beim Mach-System als "Kernel" und in Windows NT als "Executive" bezeichnet - integriert, welche die geschützten Subsysteme unterstützen. Diese laufen als Standardanwendungen im Benutzermodus und verleihen dem System seine Persönlichkeit. Sie enthalten alle wesentlichen Betriebssystem-Dienste, Umgebungen und APIs, die Anwendungsprogramme erwarten. Da mehrere dieser geschützten Subsysteme gleichzeitig aktiv sein können, besteht die Möglichkeit, unterschiedliche Arten von Anwendungsprogrammen parallel ablaufen zu lassen.

Die Schichttechnik erzielte bislang zwar einen hohen Grad an Flexibilität - in der Regel geht dies aber zu Lasten der Leistung.

Das Konzept von Windows NT ermöglicht dagegen ein hohes Maß Flexibilität - bei unverminderter Leistung. Dies ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, daß Microsoft auf langjährige Erfahrungen von Experten zurückgreifen konnte, die mit bewährten Systemen wie VMS, Windows, OS/2 und verschiedenen Versionen von Unix gearbeitet haben. Zugute kommt Windows NT auch das Erfahrungsspektrum, das Microsoft bei der Implementierung des Microsoft LAN Managers auf aktuellen Systemen gewonnen hat: Windows NT unterstützt nicht nur den Microsoft LAN Manager, sondern generell andere Netzwerksysteme und I/O-Operationen.

Die erste Version von Microsofts Windows NT umfaßt die Subsysteme: Windows, DOS, den Posix-Standard und OS/2. (CUI)

Neben den Vorteilen von Windows, Version 3.1, im erweiterten Modus bietet Windows NT unter anderem folgende zusätzliche Leistungsmerkmale:

- Unterstützung des symmetrischen Multiprocessing, das den Betrieb derselben Software verteilt auf mehrere Prozessoren eines Rechners ermöglicht,

- transaktionsorientiertes, fehlertolerantes Dateisystem mit vollständiger Wiederherstellbarkeit,

- Sicherheit der Stufe C2,

- I/O mit hoher Kapazität und Performance,

- Portabilität auf andere Hardwareplattformen,

- Integration aller erforderlichen Schnittstellen, Daten-Handling-Strukturen und Kommunikationseinrichtungen für hocheffizienten Netzbetrieb sowie

- uneingeschränkte Unterstützung für 16- und 32-Bit-Windows-Anwendungen .

Microsoft Windows NT ist auf Clients und Servern gleichermaßen einsetzbar, arbeitet in Verbindung mit dem Microsoft LAN Manager und bietet Schnittstellen zu anderen Netzwerkprodukten. In der ersten Version wird Windows NT neben DOS- und Windows-Anwendungen Posix-konforme Anwendungen und die wichtigsten OS/2-Server-Anwendungen unterstützen .

NT enthält vier Klassen von Systemkomponenten

Das Betriebssystem Windows NT enthält vier Klassen von Komponenten (siehe Abbildung). Komponenten, die im "privileged" Systemmodus ausgeführt werden, besitzen direkten Zugriff auf Hardwareressourcen und geschützte Betriebssystem-Funktionen:

- Der Executive von Windows NT enthält die Basisbetriebssystem-Funktionen und kann als Host für unterschiedliche Betriebssystem-Umgebungen dienen. Dieses Design ermöglicht Windows NT die Ausführung von DOS- und Windows-Anwendungen .

- Privileged Mode Extensions, einschließlich Gerätetreiber, Dateisysteme und Prozesse (LAN-Fileserver), die enge Interaktion mit Gerätetreibern und Dateisystemen benötigen.

Die Komponenten im Nonprivileged- (oder Benutzer-) Systemmodus werden als separate Prozesse ausgeführt und fordern Dienste von den privilegierten Komponenten des Systems an. Dazu gehören:

- die geschützten Subsysteme, die Dienste für die verschiedenen Arten von Anwendungsprogrammen bereitstellen, und

- Anwendungsprogramme.

Geschützter 32-Bit-Speicher mit Paging Technik:

Microsoft Windows NT arbeitet mit einem linearen 32-Bit-Speichermodell und bietet Speicherschutz für jeden Prozeß. Einzelne Anwendungen können das Betriebssystem oder andere Anwendungen nicht zum Absturz bringen.

Microsoft Windows NT unterstützt die Abbildung von Dateien auf den virtuellen Speicher und das Paging dieser Dateien synchron zum I/O-System-Caching. So sind zum Beispiel keine redundanten Kopien erforderlich, um Informationen vom Adreßbereich einer Anwendung in ein Dateisystem oder zu einem Gerätetreiber-Bereich zu verlagern.

Dienste für Erweiterungen und verteilte Verarbeitung:

Mehrschichtige Architekturen haben oft den Nachteil, daß Informationen zwischen den einzelnen Schichten redundant kopiert werden Deshalb können Systeme mit guter Architektur und Universalsysteme in der Regel nicht als Fileserver konkurrieren. Da der Executive von Windows NT und dessen Erweiterungen (Kernel-Prozesse, Dateisysteme, Gerätetreiber) gemeinsame Puffer-Pools nutzen, ist redundantes Kopieren hier ausgeschlossen. Dateisysteme und Gerätetreiber lassen sich einfach schreiben und anschließend als Schichten zusammenführen.

Portabilität:

Microsoft Windows NT wurde auf Systemen mit Intel-386/ 486-Prozessoren entwickelt und anschließend auf die Mips-RISC-Architektur portiert. Darüber hinaus läßt sich Windows NT auch auf andere Architekturen portieren.

Symmetrie:

Wie bereits erwähnt, ist das System Windows NT von Grund auf zur Unterstützung von symmetrischer Multiprocessing-Hardware konzipiert und ermöglicht eine maximale Skalierbarkeit der Systemleistung. Das symmetrische Design sorgt für eine optimale Nutzung jedes Prozessors in einem Multiprozessor-System und vereinfacht die Entwicklung von Programmen - etwa große Server-Anwendungen - für solche Systeme. Das symmetrische Design verteilt die Ausführung von Threads auf die verfügbaren Prozessoren. Applikationen mit mehreren Threads laufen daher schneller, wenn sie auf Multiprocessing-Hardware ausgeführt werden. Das Design macht auch das Betriebssystem selbst schneller.

Sicherheit:

Windows NT ist ein sicheres und geschütztes System, das zunächst auf die Sicherheitsstufe C2 des National Computer Security Center der amerikanischen Regierung ausgelegt ist. Die Architektur des Kernel ist aber so konzipiert, daß Windows NT in Zukunft entsprechend der Sicherheitsstufe B realisiert werden kann.

Insbesondere bei Remote-Clients sind Server in der Regel als Überwachungs- oder privilegierte Einheiten ausgelegt, die alles tun dürfen. Der Server muß daher selber entscheiden, ob er bestimmte Aktivitäten im Namen des Client ausführt. Sicherheitsbezogene Entscheidungen werden so nicht an einer, sondern an zwei Stellen getroffen: im Server und im Basis-Betriebssystem. Windows NT vermeidet dies, indem es dem Server die effiziente Übernahme des Sicherheitsprofils seines Client gestattet, wenn er Aktivitäten für den Client ausführt. Der Server verhält sich dabei so, als ob die Anforderung direkt vom Client gestellt würde. Auf diese Weise wird die Überprüfung nur an einer einzigen Stelle durchgeführt - nämlich im Betriebssystem. Windows NT bietet damit keine "Hintertüren" mehr, durch die man eindringen kann.

Klar gegliederte interne Struktur: Windows NT verfügt über ein internes Standardkonzept zur Verwaltung aller Systemressourcen wie Dateien, Prozesse, Semaphoren, Geräte etc. Die objektorientierte Architektur bietet dabei eine einheitliche, konsistente Menge an Semantik- und Operationsregeln zur

- Bearbeitung aller Systemobjekte,

- Implementierung von Sicherheitsstandards sowie

- systemweiten Nutzung und Bezeichnung von Objekten.

Unterstützung länderspezifischer Zeichensätze:

Die Architektur des Betriebssystems Windows NT unterstützt einen 16-Bit-Unicode-Zeichensatz, der alle Alphabete der Welt enthält. Dateinamen, Menüs etc. sind daher in jeder Landessprache verfügbar. Windows NT arbeitet mit Ressourcendateien, die den Software-Anbietern die Übersetzung ihrer Anwendungen ohne Änderungen am jeweiligen Code erlauben - auch wenn die Struktur der Alphabete sich stark unterscheidet (zum Beispiel europäische und asiatische Sprachen).

Privilegierte Erweiterungen sind für Code möglich, der direkt auf die Hardware zugreifen oder aus Performance-Gründen im privilegierten Status des Rechners ausgeführt werden muß. Privilegierte Erweiterungen umfassen:

Gerätetreiber:

Code-Libraries stellen die Gerätedienste bereit - zum Beispiel Platten- und Netzwerk-I/O. Im allgemeinen sind die Gerätetreiber von Windows NT in Schichten aufgebaut. So gibt es bei Windows NT einen einzigen generischen SCSI-Treiber, der auf kleineren, spezifischen Treibern für die verschiedenen SCSI-Adapter aufgebaut ist. Das Schreiben eines Gerätetreibers wird dadurch wesentlich vereinfacht. Neben seiner eigenen Gerätetreiber Schnittstelle unterstützt Windows NT auch Streams-Treiber, wie Gerätetreiber und Vernetzungsdienste, die auf Unix-Systemen weit verbreitet sind. Das vereinfacht beispielsweise die Portierung eines TCP/IP-Treibers von Unix auf Windows NT. Gerätetreiber können dynamisch in das System geladen werden. Eine Erweiterung von Windows NT ist daher selbst am laufenden System auf einfachste Weise möglich.

Dateisysteme:

Dateisysteme und Gerätetreiber besitzen in der Regel viele Gemeinsamkeiten. Ein Dateisystem ist sozusagen nichts anderes als ein High-level-Gerätetreiber. Wie bei den Gerätetreibern erleichtert das umfangreiche Angebot an Diensten des Executive von Windows NT die Unterstützung neuer Dateisysteme. Microsoft wird für Windows NT mindestens die folgenden Typen von Dateisystemen bieten: DOS-kompatible File Allocation Table (FAT), OS/2-kompatibles High-Performance File System (HPFS) und ein CD-ROM-Dateisystem.

SW-Investitionen schützen - HW-Innovationen nützen

Microsofts Betriebssystem-Strategie läßt sich auf einen einzigen Begriff bringen: Windows. Die Softwareschmiede verfolgt dabei das Ziel, Investitionen in die weltweit am häufigsten eingesetzten Softwarestandards - DOS und Windows - zu sichern und dem Anwender gleichzeitig die Vorteile ständiger Hardwareverbesserungen optimal verfügbar zu machen - mit dem gleichen Betriebssystem für die wachsende Zahl an Hardware-Plattformen: vom Notebook-Computer auf 386SX-Basis bis hin zu 486- oder Mips-Multiprozessor-Servern.

Dabei wird Microsoft das Betriebssystem Windows in zwei Grundformen weiterentwickeln:

- Standard-Ausführungen, die auf gegenwärtigen und zukünftigen Versionen von DOS und Microsoft Windows aufbauen; nach dem strategischen Grundmodell von Microsoft werden diese Produkte auch in Zukunft eine direkte Ergänzung zu MS-DOS bleiben,

- eine skalierte High-end-Implementierung von Windows unter Beibehaltung der bekannten Benutzeroberfläche und desselben Programmiermodells, auf dem alle Anwendungen ablauffähig sind, die für die Standardversionen entwickelt wurden; diese als Windows NT bezeichnete Ausführung wird anspruchsvolle Betriebssystem-Funktionen für aufgabenkritische Anwendungen, High-Performance-Server, moderne Workstations, Client-Server-Computing und Downsizing-Strategien bieten.

Alle Varianten des Betriebssystem Windows werden eine Benutzerschnittstelle und dasselbe Programmiermodell aufweisen und auf ein und derselben skalierbaren Architektur beruhen.

Daraus erwachsen gleicher maßen für Anwender und auch Entwickler entscheidende Vorteile:

- Anwender der Standardversion von Windows kennen bereits die Benutzeroberfläche der High-end-Version Windows NT und können schon vertraute DOS- und Windows-Applikationen einsetzen.

Die Koexistenz von DOS, Windows und OS/2 mit Windows NT in Netzwerken ermöglicht dabei eine reibungslose, sukzessive Einführung von Windows-NT-Systemen.

Die Microsoft-Systemstrategie eröffnet eine außergewöhnlich große Software- und Hardwarekompatibilität auf Basis bereits bestehender Standards.

So können Entwickler und Anwender die Innovationen der Computertechnologie voll ausschöpfen, ohne immer wieder von vorn anfangen zu müssen.