Windows 95 derzeit kein Grund zum Austausch der Apple-Systeme

13.10.1995

Diplomingenieur Reinhard Eschbach

Leiter des DV-Fachbereichs Produktion, Kaufring AG, Duesseldorf

Das als "groesstes Update aller Zeiten" angekuendigte Windows 95, von dem bis Ende 1996 allein in Deutschland sechs Millionen Exemplare abgesetzt werden sollen, hat in bundesdeutschen Gefilden bislang noch keinen Kaeuferansturm ausgeloest. Das Erscheinen des lange angekuendigten Betriebssystems ist jedoch fuer jeden Systemverantwortlichen Anlass, kritisch die bisherige IT-Strategie zu hinterfragen und zu pruefen, ob und - wenn ja - wann man auf Windows 95 umsteigen soll.

Primaer stellt sich dabei natuerlich die Frage nach den echten Vorteilen im Vergleich zu den hohen Umstellungskosten. Beispielsweise rechnet die BASF, die in Deutschland als erstes Grossunternehmen den Umstieg auf Windows 95 verkuendet hat (siehe CW Nr. 36 vom 8. September 1995, Seite 1), mit einem Umstellungsaufwand von rund 30 Millionen Mark.

Auch in unserem Haus, das bislang in einem heterogenen Netzwerk im Business-Bereich noch schwerpunktmaessig auf das Betriebssystem Mac- OS setzt, fragte man aus Anlass von Windows 95 nach der Zukunftstraechtigkeit der bisherigen Plattform. Bei der Betrachtung unserer Investitionsplaene bis zum Jahr 2000 kamen wir zu folgenden drei Ergebnissen:

1. Plug and play: Da saemtliche benoetigten Softwarepakete im Office-Bereich auch auf Mac-OS zur Verfuegung standen - einzelne Arbeitsplaetze zum Beispiel fuer Autocad auf Windows-PCs sind ins Netz integriert - war fuer uns die von Apple schon frueh entwickelte, automatische Erkennung und Einbindung von Hardware ein wesentlicher Grund fuer die damalige Entscheidung pro Mac. Dadurch konnten wir bei Kaufring die DV-bezogenen Schulungskosten um 75 Prozent reduzieren. Gleichzeitig stieg im Support- und Controlling-Bereich die Produktivitaet um 30 Prozent. Kollegen mit Windows-Netzen glauben es oftmals kaum, dass wir unsere 1000 Desktops - davon ueber 800 Macs - mit lediglich zwei Personen im First-Level-Support betreuen.

Microsoft hat beim Plug and play einiges von Apple abgeschaut. Fuer das reibungslose Zusammenwirken mit der Vielfalt von Computerkonfigurationen - die Voraussetzung fuer das Funktionieren von Plug and play - gibt es jedoch keine Garantie.

Hinsichtlich der Vielzahl von Treibern, Karten, neuer Software etc. wird Windows 95 nach unserer Einschaetzung noch Ueberraschungen bieten. Dem steht mit Mac-OS ein ausgereiftes System mit aufeinander abgestimmten Komponenten gegenueber, in dem der Gedanke des Plug and play schon seit ueber zehn Jahren umgesetzt ist.

2. Netzwerkstabilitaet: Wer fuer den Support eines grossen Netzwerkes verantwortlich ist, stellt hinsichtlich der Stabilitaet des Netzes grosse Anforderungen. Wer sich zudem einmal intensiv mit Systemintegration beschaeftigt hat, der weiss, wie schwierig es ist, in einem Netzwerk mit mehreren hundert PCs herauszufinden, weshalb zum Beispiel ein Datenbankzugriff nicht funktioniert. Windows 95 muss erst noch beweisen, dass seine Netzwerkfunktionalitaet besser ist als beispielsweise die von Windows for Workgroups.

3. Durchgaengiger Informationsfluss: Neben dem problemlosen Zugang zu E-Mail, Online-Diensten oder Host-Systemen sehen wir erhebliche Potentiale im Bereich der mobilen Kommunikation. Hier steht bei Apple ein durchgaengiges System mit aufeinander abgestimmten, sauberen Schnittstellen vom PDA beziehungsweise Messagepad ueber den Laptop bis zum Desktop-Geraet zur Verfuegung. Und zwar eines, das auch funktioniert. Dies ist aus unserer Sicht in der Windows- 95-Welt in dieser Form auf Sicht nicht zu erreichen.

Aufgrund dieser drei Aspekte sehen wir trotz der Fortschritte bei Windows 95 derzeit keinen Grund, unsere Entscheidung fuer Apple- Technologie bei den Front-ends zu ueberdenken. Dies auch vor dem Hintergrund einer aktuellen Studie der Gartner Group, nach der die gesamten Kosten fuer einen Desktop-Arbeitsplatz bei Mac 7.5 immer noch fast 1500 Mark unter denen von Windows 95 liegen. Wie die Welt nach dem Jahr 2000 aussieht, kann man mit letzter Sicherheit natuerlich nicht vorhersagen. Wir erwarten jedoch eine zunehmende Verschmelzung der verschiedenen Plattformen.