Linux versus Windows 2000/Kommentar

Windows 2000 ist nicht die Zukunft der Datenverarbeitung

24.03.2000
Von David Moschella*

Was werden Historiker in zehn Jahren über den Einfluss von Windows 2000 sagen? Wird man diese gewaltige Anstrengung im Betriebssystem-Bereich als einen weiteren Triumph von Microsoft und Intel ansehen, der den Aufstieg von "Wintel" vom Desktop auf die höchsten Ebenen der Datenverarbeitung im Unternehmen vollendet? Oder wird man dieses umbenannte Windows NT als die letzte starke Zuckung einer überholten Form der Datenverarbeitung betrachten? Einen machtvollen, aber letztendlich hoffnungslosen Kampf gegen eine zusehends durch das Internet beherrschten Welt?

Obwohl man tatsächliche Produktgeschichten kaum derart schwarzweiß zeichnen kann, führt der Wettbewerb auf dem Markt doch zu einem klaren Urteil oder wenigstens zu einem beherrschenden Trend. Das am wenigsten wahrscheinliche Szenario wird sein, dass Microsoft alle seine Ziele für Windows 2000 erreicht und dass die Anhänger von immer mehr Services zugleich alle ihre Ziele erreichen. Sogar in der heute riesigen IT-Industrie wird es immer schwerer, Platz für beide Ansätze zu finden. Früher oder später wird eine Seite nachgeben müssen.

Die Zeit ist bei alledem natürlich ein wichtiger Faktor. Wäre Windows 2000 vor 18 Monaten ausgeliefert worden, wäre die Linux- und die ganze Open-Source-Bewegung vielleicht nichts weiter als eine interessante, exotische Idee geblieben. Hätte sich Windows 2000 allerdings um weitere 18 Monate verzögert, hätten sich viele Kunden sicherlich anderswo umgeschaut. Im Augenblick aber sieht es so aus, als ob es ein ziemlich fairer Kampf wäre. Auf beiden Seiten gibt es ausreichend Talent, Geld und Chancen.

Meiner Ansicht nach wird Microsoft immer stärker gegen den Strom schwimmen müssen. Seit dem Aufkommen der Minicomputer in den 60er Jahren hat es einen natürlichen und gesunden Wettbewerb zwischen den Fähigkeiten zentralisierter und verteilter Systeme gegeben. Der PC war das erfolgreichste Produkt der verteilten Systeme, während das Internet die Wiederauferstehung des zentralisierten Systems symbolisiert. Die Kombination aus Bandbreiten, die um Größenordnungen wachsen, der Open-Source-Bewegung und der Wirtschaftlichkeit eines Internet mit einer Milliarde Nutzern wird Windows 2000 unausweichlich zu einem Teil einer zusehends überholten Ordnung machen.

Genauer gesagt glaube ich, dass die zunehmende Entstehung kleiner Unternehmen, das Outsourcing von E-Mail und das wachsende Angebot an Website-Betreuung dazu beitragen werden, Kunden vom Betrieb eigener Server abzubringen. Das Internet wird dabei helfen, Millionen neue Unternehmen auf der ganzen Welt zu schaffen. Für diese Unternehmen wird es relativ einfach sein, die meisten Erfahrungen mit Wintel-Servern erst gar nicht zu machen und sich direkt an Application-Service-Provider (ASPs) zu wenden.

Das Outsourcing von E-Mail wird wegbereitend sein. Sobald die E-Mail-Angebote der Application-Service-Provider ausgefeilt sind und das Web durchgehend schnell genug ist, wird der Betrieb eines eigenen E-Mail-Systems für den Anwender nur noch Zeitverschwendung sein. Und dann werden Diskussionsgruppen, Datenbanken, Dokumentenverteilung und schließlich auch die meisten Arten von textgestützter Datenverarbeitung folgen, einschließlich der Integration von Sprache und Text.

In ähnlicher Weise wird der unaufhaltsame Trend zu ausgelagerten Websites dazu führen, dass die ASPs auch da genutzt werden, wo es um Daten geht. Die Kunden werden sich nicht darum kümmern und vielleicht nicht einmal wissen, welches Betriebssystem ihr Provider benutzt. Zusätzlich werden die ASPs, jedenfalls theoretisch, gut gerüstet sein, um die verschiedenen Vorteile von Windows 2000, Linux, Solaris etc. zu bewerten, was dazu führen wird, dass es einen echten Wettbewerb bei Betriebssystemen geben wird, was deren Fähigkeiten und Preise anbetrifft.

Dieses Muster wird sich zwangsläufig auf größere Organisationen übertragen. Das heißt jedoch nicht, dass Unternehmen aller Größenordnungen davon absehen werden oder davon absehen sollten, heute Windows 2000 in großem Stil einzuführen. Es gibt viele Umgebungen, in denen das völlig sinnvoll oder sogar nötig ist. Mein einziger Einwand ist, dass Unternehmen Windows 2000 trotz all des Rummels hauptsächlich als eine taktische Implementierung und nicht als eine langfristige strategische Ausrichtung begreifen sollten. Die Zukunft der Datenverarbeitung liegt anderswo.

*David Moschella ist ständiger Mitarbeiter und Kolumnist der COMPUTERWORLD, dem amerikanischen Mutterblatt der COMPUTERWOCHE. Der Artikel erschien dort am 14. Februar dieses Jahres. Copyright: 2000 COMPUTERWORLD (USA), International Data Group Inc.