Wilken übernimmt seinen Konkurrenten Neutrasoft

19.12.2008
Mit dem Kauf stärkt das Ulmer Softwarehaus seine Position im ERP-Markt für Energieversorger. Beide Produktlinien sollen bestehen bleiben.

Neutrasoft aus Greven entwickelt und vertreibt Software für Energieunternehmen. Der ERP-Anbieter Wilken aus Ulm erwirbt nun das Softwarehaus von dessen Gesellschafter, der börsennotierten Indus Holding AG aus Bergisch-Gladbach. Auch Wilken vertreibt ERP-Software für Versorgungsunternehmen. Gemeinsam kommen die Firmen auf 390 Bestandskunden.

Microsoft Dynamics als Basis

Wilken bedient mit der Softwarelösung "Energy" Stadtwerke, bietet aber auch Software für andere Branchen. Energy basiert auf einer anderen Technik als das Neutrasoft-Produkt "NTS-Suite". Letzteres beruht auf "Microsoft Dynamics NAV". Die Ulmer wollen beide Produktlinien weiterführen. Wilken hofft, durch die Übernahme die neue Software schneller auf den Markt bringen zu können. Vorstellbar sei eine gemeinsame Lösung für den Marktdatenaustausch. Auch sei es denkbar, dass Wilken die Neutrasoft-Software für das Fernauslesen von Stromzählern als gemeinsames Produkt nutzt.

Versorgungsunternehmen stehen vor der Aufgabe, ihre Systeme an gesetzliche Anforderungen der Bundesnetzagentur anzupassen. Die Agentur schreibt beispielsweise Stromanbietern vor, wie und in welchen Formaten sie untereinander Kundendaten austauschen müssen, wenn ein Abnehmer den Lieferanten wechselt. Laut Karsten Leclerque, Senior Consultant und Branchenexperte beim Beratungshaus PAC aus München, hat die Bundesnetzagentur in letzter Zeit sowohl Anwender als auch Anbieter mit unklaren Vorgaben sowie mit deren Umsetzungsfristen verunsichert.

Softwareanbieter müssen ihre Geschäftsapplikationen an die gesetzlichen Anforderungen anpassen. Manche Hersteller verlangen für diese Funktionen Geld, andere liefern sie im Rahmen der Wartung aus.

Noch nicht bei allen Energieversorgern vollständig abgeschlossen ist ferner das Unbundling. Dies ist die vom Gesetzgeber im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte eingeführte Pflicht, den Betrieb der Stromnetze von anderen Tätigkeitsfeldern zu trennen.

SAP-Kunden im Visier

Was die Neutrasoft-Übernahme kostet, teilten die Unternehmen nicht mit. Bisher haben die Ulmer ein Drittel ihrer gesamten Einnahmen mit Software für Energieunternehmen erzielt. Damit ist diese Sparte der größte Geschäftsbereich, der nun durch Neutrasoft noch größer wird. Die Firmen hatten 2007 Streit: Damals erwirkte Wilken gegen Neutrasoft eine gerichtliche Abmahnung, da sich der Konkurrent zum Testsieger in einer Softwarevergleichsstudie erklärte, die es nie gegeben hatte.

Weitere Anbieter im Energieversorgerumfeld sind unter anderem Schleupen, SAP, SIV sowie der CRM-Spezialist Cursor Software. "Der Markt für ERP-Software für diese Branche ist weitgehend gesättigt, so dass die Übernahme nicht überraschend kommt", meint PAC-Experte Leclerque. Während SAP vor allem die Energiekonzerne und größere Stadtwerke ausstatte, konzentrierten sich die anderen Firmen auf mittlere und kleine städtische Versorger.

Für Wilken ist dies nicht die erste Übernahme: In den letzten Jahren kauften die Ulmer die Firmen Entire Software AG, SEV AG und Openshop. Auf diese Weise erwarben sie Marktanteile sowie branchenspezifische Programmpakete.

Wilken und Neutrasoft

Wilken

  • Profil: Anbieter von betriebswirtschaftlicher Software für Stadtwerke, Sparkassen, Gesundheits- und Sozialkassen, Stahlunternehmen sowie Behörden.

  • Jahresumsatz 2007: 25,2 Millionen Euro.

  • Anzahl Kunden (Bereich Stadtwerke): 145.

Neutrasoft

  • Profil: ERP-Spezialist für Energiefirmen.

  • Jahresumsatz 2007: 13,2 Millionen Euro.

  • Anzahl Kunden: 245.