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Wikipedia: Lieber Klasse als Masse

07.08.2006
Ein Beratungsgremium soll insbesondere die Qualität der Berichte über Personen verbessern.

Wikipedia-Gründer Jimmy Wales strebt keine weiteren Eintragsrekorde bei der Online Enzyklopädie an. Zur Eröffnung der dreitägigen Anwenderkonferenz Wikimania in Cambridge, US-Bundesstaat Massachusetts, verlegte er die Ambitionen auf die Inhalte des Lexikons. "Wir werden eine wirklich starke Qualitätsinitiative starten", erklärte der Chef des Konferenzveranstalters Wikimedia Foundation Inc., einer Non-Profit-Organisation, die neben Wikipedia auch andere Wiki-Projekte betreibt. Die englichsprachige Version von Wikipedia weist fünf Jahre nach seiner Gründung fast 1,3 Millionen Artikel auf. Ab sofort soll nicht mehr Masse das oberste Ziel sein, so Wales: "Wir werden unsere Aufmerksamkeit weg vom Wachstum und hin zur Qualität richten."

Wiederholt haben Qualitätsprobleme von Wikipedia für Diskussionen gesorgt. Schlagzeilen machte vor allem Ende letzten Jahr der Fall des US-amerikanischen Journalisten John Seigenthaler, der fälschlicherweise in einem Eintrag des Online-Lexikons mit der Ermordung John F. Kennedys und seines Bruders Robert in Verbindung gebracht wurde (siehe "Autor von falscher Biografie bei Wikipedia entschuldigt sich"). Seither sind bei Wikipedia erste Kontrollinstanzen eingerichtet worden. Es gibt keine allgemeine Freiheit mehr, Einträge zu verfassen. So haben die Systemadministratoren die Möglichkeit, jenen Personen den Schreibzugriff auf Wikipedia zu sperren, die durch wiederholte destruktive Aktionen aufgefallen sind.

Wales erklärte nun, insbesondere die Einträge über Personen bedürften Verbesserungen, obschon er bestreitet, der Skandal habe das Renommee der Website lädiert. Er verweist darauf, dass die Zeitschrift Nature kürzlich bei einer Analyse wissenschaftlicher Online-Einträge bei Wikipedia deutlich weniger Fehler festgestellt hatte als beim gedruckten Lexikon "Encyclopaedia Britannica". Insgesamt aber befindet auch Wales: Wir sind noch nicht so gut wie das Britannica, aber unsere Arbeit wird besser." Verbesserungen benötigten vor allem die Berichte über Menschen.

Wikimedia plant einen Beraterstab zu installieren, der sich der Qualitätskontrolle annehmen soll, so Wales: "Wir werden eine Menge interessanter Personen zusammenziehen, die Kontakte, Expertise, Perspektive, Prestige und strategische Vision haben." Wikimedia hat bereits den Juristen Brad Patrick zum Firmenanwalt bestellt. Kommissarisch ist er auch Chief Executive Officer von Wikimedia. In dieser Funktion kümmert er sich primär um die Suche nach einem künftigen CEO. (ls)