Wieviel Prozent bringt die neue Software-Technologie?

04.11.1977

Nachdem auf dem Structo-Kongreß für Software-Systementwicklung des Control Data Instituts Starreferent Professor Michael Jackson seine Design-Methode (Herleitung der Programm-Struktur aus der Daten-Struktur) überzeugend vorgestellt hatte, kam aus dem Publikum die wohl unvermeidliche Frage, wieviel Einsparungen denn der Einsatz der Michael-Jackson-Methode in der Praxis bringe. Schmunzeln schon, als die Frage gestellt wurde: Wie würde der eloquente Großmeister reagieren?

Die Antwort war sehr diplomatisch und wohl auch sehr weise: Zwar hätten Anwender wiederholt Zahlen als Prozentangaben genannt, er selber aber glaube nicht an die Aussagekraft solcher Daten über Einsparungen und Effizienzverbesserungen, denn es sei geradezu unmöglich, Vergleichswerte zu bilden. Nur ein ganz groß angelegtes Experiment, welches so teuer würde, daß wohl nur IBM es sich leisten könne, ließe wirklich verläßliche Aussagen zu.

Verzicht auf Pseudo-Statistik

Jahrelange Beobachtungen seien erforderlich, denn mitgerechnet müsse Ja auch werden, um wieviel leichter nach modernen Methoden entwickelte Software-Systeme sich warten lassen. Qualitätsverbesserungen seien nun einmal sehr schwer zu quantifizieren.

Damit kritisierte Jackson Indirekt all diejenigen, die leichtfertig neue Software-Tools dem Versprechen hochprozentiger Einsparungen propagieren. Alle derartigen Angaben können bestenfalls als eine Einzelerfahrung gewertet werden, eine Verallgemeinerung ist nicht zulässig.

Statt auf Pseudo-Statistik zu vertrauen, riet Jackson allen Anwendern, die vor der Entscheidung stehen, ob neue Methoden der Software-Entwicklung eingeführt werden sollen, mehr auf ihren eigenen Verstand zu Vertrauen. Wer von der Ratio her erkennt, daß eine neue Methode - weil logischer und/oder systematischer - besser sein muß als die bisherigen Verfahren, der sollte dann auch ohne - zwangsläufig nicht verfügbare - empirische Zahlen den Mut haben, die Dinge zu ändern. Entscheidendes Kriterium müsse sein, daß der Anwender das Gefühl hat, hier wird ein großer Schritt nach vorn getan. Jackson brachte dazu die folgende Analogie: Wer als Anwender des römischen Zahlensystems irgendwann in der Geschichte über die arabischen Zahlen und das Dezimalsystem informiert wurde, dürfte die Überlegenheit der neuen Methode vom Verstand her sofort erkannt haben. Damit dürfte dann wohl auch die Entscheidung gefallen sein, umzustellen, weil allein vom Gefühl her dies als sinnvoll erscheinen mußte.

Damit erhebt der britische Software-Prozessor den Anspruch, daß seine Methode des Programm-Designs und ebenso andere komplementäre Verfahren moderner Software-Technologie, demjenigen, der sich mit diesen Konzepten beschäftigt, einleuchtend als so viel bessere Verfahren erscheinen, daß auf Erfahrungen und Statistiken verzichtet werden kann.

Michael Jackson konnte in seinem halbtägigen Vortrag auf dem CDI-Structo-Kongreß den Beweis dafür nicht erbringen. Dazu wäre wohl mehrtägige harte Schulung statt brillanter Eloquenz eines Audi-Max-Vortrages erforderlich. Dennoch, was er und die weiteren Referenten auf dem Frankfurter Kongreß für Software-Systementwicklung vortrugen, erscheint im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren so prima facie einleuchtend, daß man sich fragt, warum nur machen nicht alle dies schon immer anders.

Warum noch mit römischen Ziffern arbeiten, wenn das arabische dezimale Zahlensystem zur Verfügung steht?