Wien sagt Linux leise Servus

10.06.2008
Die Stadtverwaltung macht einen Rückzieher von ihrem Bekenntnis zum Open-Source-System.

Mit zwei Entscheidungen hat der Wiener Gemeinderat dem Projekt "Wienux" einen schweren Schlag versetzt. Demnach sollen rund 750 Rechner in Kindergärten und anderen pädagogischen Einrichtungen, die bereits mit Open-Source-Software arbeiteten, wieder auf Windows umgestellt werden. Zudem sollen alle PCs in den Schulen der Landeshauptstadt auf Windows Vista und Office 2007 umgerüstet werden. Beide Maßnahmen werden nach Einschätzung von Lokalpolitikern die Stadt über acht Millionen Euro kosten.

Für die Linux-Verfechter bedeuten die Beschlüsse des Gemeinderats einen herben Rückschlag. 2005 hatten die Verwaltungsgremien den Abschied von der Microsoft-Welt beschlossen. Es sollte allerdings ein sanfter Ausstieg werden. Statt der verbindlichen Verpflichtung für alle Verwaltungseinrichtungen sind die einzelnen Magistrate seit drei Jahren frei in der Wahl von Betriebssystem und Office-Suite. Die Bilanz fällt jedoch ernüchternd aus: Von den etwa 32 000 Rechnern der Donau-Metropole wurden lediglich rund 1000 auf Linux umgestellt - 750 von diesen bekommen nun wieder ein Microsoft-System.

Die Rückkehr zu Windows begründet Erwin Gillich, Leiter der Magistratsabteilung 14 und damit verantwortlich für die Wiener DV, mit Kompatibilitätsproblemen. Eine Sprachförderlösung, die dringend eingeführt werden müsse, laufe derzeit nur unter Windows und dem Internet Explorer. Erst kommendes Jahr habe der Hersteller eine Version angekündigt, die auch unter dem Open-Source-Browser Firefox lauffähig sei. Auch mit anderen Programmen habe es Schwierigkeiten gegeben, berichtet Gillich. Software habe unter dem Windows-Emulator Wine teilweise gar nicht oder nur sehr instabil betrieben werden können.

Die grüne Stadträtin Marie Ringler verurteilt die Kehrtwende in Richtung Windows und bezeichnet die jüngsten Entscheidungen als schweren Rückschlag für das Linux-Projekt. Möglicherweise habe der Gemeinderat damit Wienux den Todesstoß versetzt, klagt die Technologiesprecherin der Wiener Grünen. Die Beschlüsse könne sie nicht nachvollziehen. Mit einem Teil des Geldes, das jetzt in Windows investiert werde, hätte man den Softwarehersteller ihrer Ansicht nach dazu bewegen können, sein Programm zügig auch als Open-Source-Variante anzubieten. Außerdem sei die Entscheidung pro Windows Vista nicht nachzuvollziehen. Wenn die Migration abgeschlossen sei, bringe Microsoft bereits den Nachfolger Windows 7 auf den Markt. Überhaupt seien die Entscheidungen des SPÖ-kontrollierten Gemeinderats auf die starke Lobby-Arbeit von Microsoft zurückzuführen.

SPÖ: Wienux geht weiter

Der Softwarekonzern weist jedoch den Vorwurf, zu stark Einfluss genommen zu haben, zurück. Wenn es um die Vergabe öffentlicher Projekte geht, halte man sich strikt an die Richtlinien. Das Linux-Bekenntnis der Stadt Wien sehen die Microsoft-Vertreter wie nicht anders zu erwarten kritisch. Schließlich würden es die Kinder später im Beruf mit beiden Softwarewelten zu tun bekommen, lautet ihre Begründung. Daher sei es sinnvoll, beide Systeme anzubieten.

Die SPÖ-Fraktion im Wiener Gemeinderat beeilt sich unterdessen zu beteuern, das Wienux-Projekt werde fortgeführt. Allerdings müssten die Softwareentscheidungen pragmatisch fallen. Wenn die benötigten Programme nur unter Windows liefen, müsse entsprechend eingekauft werden.

Wie es in der österreichischen Hauptstadt weitergeht, ist unklar. Die Strategie der Stadtverwaltung sei inkonsequent und vernachlässige die Förderung heimischer IT-Anbieter, die im Open-Source-Umfeld aktiv seien, kritisiert Ringler. Die Grünen-Abgeordnete fordert deshalb eine Neuausrichtung. Das nach wie vor bestehende Angebot an die Magistrate, freiwillig auf Linux zu wechseln, reiche nicht aus. Vielmehr müsse die Verwaltung aktiv Anreize für eine Migration schaffen.

(ba)