Neue Anforderungen an die IT

Wie wird IT ein Teil der Wertschöpfung?

31.12.2013
Von  , und
Boris Stachowiak ist Vice President, Global Office of CIO bei Siemens Enterprise Communications.


In seiner 20-jährigen Karriere hat Frédéric Cuny Unternehmen international beraten und digitale Transformationen europaweit mitgestaltet. Seine Schwerpunkte liegen bei den Themen IT Service Excellence, IT Post Merger und Carve out, IT Sourcing und Applikationsauswahl. Bevor Frédéric Cuny als Partner kobaltblau Management Consultants mitbegründete, war er Mitglied der Geschäftsleitung bei Kienbaum und verantwortete IT-Beratung in den Branchen Industrie, High-Tech, Healthcare- und Konsumgüter.
Stefanie Kaib ist Consultant bei der Kienbaum Management Consultants GmbH.
Vom verlässlichen Leistungserbringer über den "Business Enabler" zum Innovator - am Beispiel eines konkreten IT-Bereichs lässt sich dieser Weg nachzeichnen.

Eine schöne Vorstellung: Die IT-Abteilung entwickelt sich wie auf einer Leiter stufenweise vom Dienstleister zum Business-Innovator, gradlinig und reibungslos. Leider sieht die Realität meist anders aus - dieser Entwicklungsprozess ist ein hartes Stück Arbeit für alle Beteiligten. Am Beispiel von Siemens Enterprise Communications lässt sich zeigen, wie ein IT-Bereich diese Aufgabe bewältigen kann.

Neue Anforderungen an die IT

Anwender von Kommunikationslösungen erwarten heute, dass verschiedene Technologien wie Kommunikations-, Directory- und Messaging-Systeme, Video und Web- Collaboration in einer einheitlichen Plattform integriert sind. Diese Produkte sollen über das Internet bestellt, betrieben und administriert werden können. Für den Hersteller eines solchen Equipments ist IT folglich ein integraler Bestandteil in Kundenlösungen und deren Betrieb. Daneben spielt sie eine entscheidende Rolle dabei, Prozesskosten zu sparen (also bei der "Bottom-Line") und Ertragsquellen zu erweitern ("Top-Line"). Dazu muss der IT-Bereich die Rolle des bloßen Erfüllers aufgeben und zu einem Innovationsmotor werden.

Die drei Dimensionen der IT Value Proposition - auch Werteversprechen genannt: Das Bild der künftigen IT sollte in enger Abstimmung mit den Fachbereichen entwickelt werden.
Die drei Dimensionen der IT Value Proposition - auch Werteversprechen genannt: Das Bild der künftigen IT sollte in enger Abstimmung mit den Fachbereichen entwickelt werden.
Foto: Kienbaum Management Consultants GmbH

Die neuen IT-Aufgaben lassen sich in der "IT Value Proposition", auf Deutsch etwa: Werteversprechen, bildlich darstellen. Das Gesamtbild der IT setzt sich aus drei Dimensionen zusammen: Operational Resilience (Fähigkeit zu liefern), Business Intimacy (Beziehung zu den Fachbereichen) und Innovation Leader (Unterstützung für die Weiterentwicklung des Geschäfts). Jede Verbesserung, die in einer Dimension erzielt wird, erweitert den Spielraum der IT insgesamt.

Will ein IT-Bereich Business Innovator sein, sollte er zunächst verlässliche und gute IT-Services bieten. Flaggschiff-Projekte des IT-Bereichs, die einen Mehrwert liefern sollen, müssen sich unmittelbar positiv auf die Top- oder die Bottom-Line auswirken.

Der Mehrwert für das Unternehmen kann aus unterschiedlichen Faktoren resultieren:

  • Ausbau von Marktanteilen,

  • Kostenreduzierung,

  • Verkürzung der "Time to Market",

  • Ausbau der Distributionskanäle,

  • Erweiterung des Serviceangebots und

  • intelligente Interpretation von geschäftsrelevanten Informationen.

Operational Resilience ist die Kombination aus Exzellenz und Flexibilität bei der Erbringung von IT-Services. Sie schafft Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der IT. Damit ist sie eine Grundlage für die Weiterentwicklung der IT in Richtung Business Enabler oder sogar Business Innovator.

Die nächste Dimension, als "Business Enabler" bezeichnet, setzt voraus, dass die IT zur Automatisierung des Geschäftsmodells beiträgt. Neben der Unterstützung der betriebswirtschaftlichen Prozesse mit Werten und Datenflüssen sowie Informationen zum Geschäft selbst geht es um das Automatisieren von Kernprozessen und das Unterstützen eines "Enterprise Ecosystem", das Partner und Lieferanten integriert.

Will sich die IT zu einem "Business Innovator" entwickeln, sollte sie dafür sorgen, dass sie direkt am Produktlebens-zyklus beteiligt ist. Beispielsweise bei der Definition von Leistungsmerkmalen, Integrationslösungen oder Betreibermodellen, bei den Anforderungen an die Servicefähigkeit oder beim Abnahmetest von Kommunikationslösungen.

Die interne IT eines Herstellers von IT-Plattformen und -Dienstleistungen ist in der Pflicht, die Innovationssprünge im Geschäftsmodell und Produkt zu unterstützen. Der IT-Bereich von Siemens Enterprise Communications ist diesen Weg gegangen. Wie sieht er im Einzelnen aus?

1. Ziele definieren und die Situation bewerten

Zunächst einmal muss die IT die Erwartungen verstehen. Mit einer Mitarbeiterbefragung zum Reifegrad der IT lässt sich sowohl die Bewertung des Status quo als auch die Erwartung an das künftige Werteversprechen der IT ermitten. Aus den Ergebnissen können interne Schwächen, Handlungsfelder und Zielgruppen abgeleitet werden, die es besonders in den Blick zu fassen gilt. Folgende Untersuchungsbereiche haben sich bewährt: Führung und Kultur, Geschäft und Technologien, Aufbau- und Ablauforganisation sowie Change-Management und Kommunikation.

Die Value Proposition bezeichnet das Zukunftsbild des IT-Bereichs. Dessen Abstimmung ist ein langer Prozess, gestützt auf rationale Argumentation sowie den Verweis auf Best Practices und Industriestandards. In die Festlegung des Wertebeitrags sind nicht nur die IT-Mitarbeiter, sondern auch die geschäftsverantwortlichen Fachbereiche einzubeziehen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Kommunikation einer klaren Botschaft, eines Leitbilds der IT anhand des Eckpfeilers "Value for Business".

2. Geeignete Strukturen schaffen

Um Handlungsfelder angehen zu können, sollte zunächst das Arbeitsmodell der IT neu gestaltet werden. Die Aufstellung ist charakterisiert durch eine klare Aufteilung der Verantwortung in drei Bereiche:

  • Strategie und Governance: IT-Management- und Steuerungsprozesse müssen verstärkt und durch ein auf Mitarbeiterdialog ausgerichtetes Change-Management ergänzt werden.

  • Kundenschnittstelle und Lösungsbereitstellung: Die IT-Schnittstelle im Geschäft muss sich zu einem Lösungsanbieter entwickeln, der Funktionen wie Business- Relationship-Management, Architektur und Design sowie Projekt-Management unter einer Verantwortung konsolidiert. Dazu gehören Partnerschaften, Geschäfts- und Prozesskenntnisse sowie Technologiewissen und Beratungsfähigkeit.

  • Betrieb und Betreuung: Service Operations muss dieselben Prozesse, Methoden, Standards und Messkriterien für die Applikations- und Infrastrukturwelt anwenden, um Qualität, Verfügbarkeit, Performance und damit Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Hierfür sind klare Übergabepunkte zwischen den IT-Einheiten für Service Design, Service Transition und Service Operations erforderlich.

Für eine nachhaltige Steigerung der Effektivität und Effizienz müssen die wesentlichen internen Schwachstellen behoben werden. Hierbei geht es in der Regel darum,

  • die Schnittstellen zu reduzieren,

  • Entscheidungszyklen zu verkürzen sowie

  • Qualität und Geschwindigkeit der Bereitstellung zu verbessern.

Um diese Verbesserungen zu steuern, müssen auch neue Messkriterien definiert werden. Sie sollten qualitativ ausgelegt und in Geschäftssprache darstellbar sein.

3. Die Handlungsfelder adressieren

Bei der Umsetzung des IT-Modells entlang des Werteversprechens werden vier Haupthandlungsfelder adressiert:

  1. Nutzen für das Unternehmen schaffen - zusammen mit dem Fachbereich: Dazu gehören die Aspekte: Wahrnehmung der IT als Business stärken und Mehrwert für das Unternehmen schaffen; IT-Lösungen, -Projekte und -Betrieb den Unternehmenszielen anpassen; mehr Verantwortung für Innovation übernehmen; vom reaktiven zum proaktiven Handeln wechseln; für künftige Herausforderungen gerüstet sein; Skills entwickeln, wo sie gebraucht werden.

  2. Die Unternehmenskultur weiterentwickeln: Dazu muss man ein Klima erzeugen, das es ermöglicht, zu verstehen, zu diskutieren und zu lernen; offene Kommunikation, Vertrauen und Zusammenarbeit vorleben; Mitarbeiter begeistern und motivieren; kulturelle Unterschiede respektieren; Vision und Mission für alle Mitarbeiter verdeutlichen; Motivation und Eigeninitiative durch Anerkennung schaffen.

  3. Das Leistungsvermögen der global aufgestellten IT steigern: Dazu ist es nötig, Verantwortlichkeiten und Kenntnisse der Mitarbeiter transparent zu machen; Zusammenarbeit und Prozesse innerhalb der IT und des gesamten Unternehmens zu optimieren; Engagement und Einsatz zu erhöhen; kundenorientiertes Verhalten zu fördern; interdisziplinäre Teams über alle IT-Einheiten hinweg zu bilden

  4. Generell die Effektivität und Effizienz steigern: Hier geht es darum, die Qualität der Services und die Geschwindigkeit der Bereitstellung zu erhöhen sowie die Ergebnisse am Geschäftserfolg zu messen.

4. Mit konkreten Initiativen den Wandel fördern

Change Agents ermöglichen es den Mitarbeitern, bis zu einem gewissen Grad den Wandel selbst zu gestalten. Darüber hinaus sind die Change Agents Multiplikatoren und Anlaufstelle. So werden Themen wie Mitarbeiterorientierung, Kommunikation und Anerkennung, Entscheidungsprozesse und Meeting-Kultur gefördert.

IT-Symposien dienen dazu, die IT-eigene Wertschöpfung zu demonstrieren und über Erfolge zu berichten. Diese zunächst IT-internen Veranstaltungen lassen sich sukzessive um die Fachbereiche erweitern. Das fördert die interne Vernetzung, die Akzeptanz und die gegenseitige Wertschätzung.

Parallel zur Value Proposition definiert der IT-Bereich ein konkretes "Engagement Model", das als beiderseitiges Versprechen die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereich beschreibt. Das ermöglicht unter anderem die Definition aussagefähiger Messkriterien zur Bewertung des IT-Erfolgs.

Auf Augenhöhe diskutieren

Foto: rangizzz - Fotolia.com

Das grundsätzliche Vertrauen von Entscheidern und Mitarbeitern in die Leistungsfähigkeit der IT und die Entwicklung von neuen Fähigkeiten im IT-Bereich bilden das Fundament für eine erfolgreiche Transformation des IT-Bereichs. Dazu sind Mitarbeiter nötig, die auf Augenhöhe diskutieren, das Geschäftsmodell verstehen, einen Mehrwert leisten können und das auch glaubhaft machen. (qua)