Wie Unternehmen flüssig bleiben

07.04.2009
Viele Firmen tun sich schwer, ihre finanzielle Liquidität schnell und korrekt zu ermitteln. ERP- und Rechnungswesenanbieter wollen für Abhilfe sorgen.

Vorhersagen über den Geschäftsverlauf fallen Unternehmen schwer, ganz gleich aus welcher Branche sie kommen. In Zeiten konjunktureller Unsicherheiten verschärft sich die Lage: Selbst Konzerne wie Daimler oder die Deutsche Bank wagen keine Umsatz- und Gewinnprognose. Am ehesten melden sich noch die Verbände mit Zukunftszahlen zu Wort. Beispielsweise befürchtet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) einen Rückgang der Produktion um bis zu 20 Prozent in diesem Jahr. Besonders die Automobilzulieferer leiden in der Krise, Umsatzrückgänge von bis zu 40 Prozent sind hier keine Seltenheit. Kommt das Neugeschäft zum Erliegen oder stornieren Kunden sicher geglaubte Aufträge, geraten Firmen schnell in Bedrängnis. Umso wichtiger ist es für sie, jederzeit zu wissen, wo sie finanziell stehen.

Tools für das Liquiditäts-Management verwerten Informationen aus der Finanzbuchhaltung, aus Kreditplänen, dem Bestellwesen, der Auftragsverwaltung, den offenen Forderungen und Verbindlichkeiten. Sie berücksichtigen Zahlungseingänge von Kunden, aber auch Zahlungsausgänge wie Entgeltzahlungen und Mieten. Entsprechende Software soll es den Unternehmen gestatten, ihre liquiden Mittel ad hoc zu erfassen und für die Zukunft zu prognostizieren.

Unternehmensplanung ist die Grundlage

Liquiditätsplanung und -Management funktionieren aber nicht isoliert, sondern leiten sich aus der Unternehmensplanung ab, mit der Firmen den Absatz, den Materialeinsatz und den Personalbedarf disponieren. Aus einer daraus erzeugten Planbilanz ergibt sich der Kapitalbedarf. Für Konzerne ist das gängige Praxis. Die Muttergesellschaft verlangt dies von den einzelnen Töchtern. Auch die Banken fordern solche Angaben. Aber vor allem mittelständische Unternehmen, die nicht zu einem Konzernverbund gehören, sind hier oft nicht gut aufgestellt. "Einzelunternehmen aus dem Mittelstand, die bisher gutes Geld verdient haben und oft aus dem Bauch heraus entscheiden, können hier schnell ins Trudeln kommen", beobachtet Manfred Brinkmann, Experte für Unternehmens- und Liquiditätsplanung beim Beratungshaus MQ Result aus Tübingen. "Wer seinen Abschluss für das vergangene Kalenderjahr erst Mitte des Jahres erledigt und keine Monatsabschlüsse anfertigt, erkennt oft zu spät die Veränderung der Rahmenbedingungen für das Unternehmen und trifft daher eher die falschen oder keine Entscheidungen."

Mit der Liquiditätsplanung halten Firmen ihre Ein- und Auszahlungen im Griff, damit sie ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können. Zum Liquiditäts-Management zählt, die Laufzeiten von Forderungen zu überwachen, säumige Kunden zu mahnen und gegebenenfalls längere Laufzeiten für eigene Verbindlichkeiten auszuhandeln.

Was in der Theorie einleuchtet, gestaltet sich in der Praxis schwierig, denn es setzt saubere Unternehmensdaten und effiziente Prozesse voraus. "Liquiditäts-Management wird oft unterschätzt und auf die Darstellung in Linien und Balken reduziert. Das eigentliche Problem aber ist die Beschaffung aller liquiditätsrelevanten Daten", so Bernd Koschitzki, Prokurist bei CSS, Anbieter für Rechnungswesen- und Controlling-Software aus Fulda.

Informationen gibt es genug – man muss sie aber finden

Über die für eine Liquiditätsbetrachtung erforderlichen Informationen verfügen die Unternehmen bereits, doch die Kunst besteht darin, sie zusammenzutragen und in einem zeitlichen Verlauf zu betrachten. Schwer tun sich Firmen, wenn sie unterschiedliche Systeme nutzen. So summieren sich beispielsweise Forderungen und Verbindlichkeiten aus der Rechnungswesenapplikation, Bestellobligo und Auftragsbestände aus dem ERP-System und Zahlungspläne für Darlehensverbindlichkeiten, Entgeltzahlungen sowie wiederkehrende Mietzahlungen aus einem dritten System. Doch auch wenn die Angaben in einer zentralen ERP-Software zu finden sind, lässt sich daraus nicht gleich automatisch die Liquidität des jeweiligen Unternehmens herauslesen.

Liquiditätsplanung und -Management

• Liquiditätsplanung: Firmen müssen Ein- und Auszahlungen überschauen, um ihren Verpflichtungen nachkommen zu können. Jedes Unternehmen muss eine Liquiditätsplanung aufstellen. Hierbei fließen Umsatzerlöse, Anzahlungen und staatliche Zuschüsse ein. Eingeplant werden ferner wiederkehrende Auszahlungen für Personal und Miete sowie Fälligkeiten von Rechnungen und Krediten. Über einen Abgleich mit Bankkonten ermitteln Unternehmen, wie viel Bares noch vorhanden ist. All diese Angaben zuzüglich der mit den Banken vereinbarten Kreditlinien lassen sich auf einer Zeitachse ordnen.

Die Planung muss über unterschiedliche Zeiträume möglich sein. Hersteller wie beispielsweise CSS ("eGecko") erlauben eine taggenaue Liquiditätsbetrachtung. Dabei werden Planbuchungen generiert, die Debitoren- und Kreditorenlaufzeiten berücksichtigen, so dass ein Umsatz im Januar in der Liquiditätsbetrachtung etwa erst im Februar wirksam wird und zu Einzahlungen führt.

• Liquiditäts-Management: Damit gemeint sind Maßnahmen, die Firmen ergreifen können, um zahlungsfähig zu bleiben. Wer eine Rechnung schreibt, hat noch lange kein Geld. Eine Überwachung der Forderungslaufzeiten ist daher wichtig. Über ein Mahnwesen lassen sich Forderungen eintreiben und so die Laufzeiten verkürzen.

Spielraum verschaffen können sich Unternehmen auch bei den Ausgaben. So lassen sich mit Lieferanten längere Laufzeiten für Verbindlichkeiten vereinbaren und die Investitionsplanung anpassen. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, Anschaffungen in ein anderes Quartal zu verschieben, in dem mit einer festeren Kapitaldecke zu rechnen ist. Ferner ist es wichtig, Kreditkosten wie etwa Zinsen im Auge zu behalten.

Eine wichtige Rolle spielen auch die Lagerbestände. Durch gravierende Umsatzrückgänge bleiben Firmen auf Beständen sitzen, so dass die Lagerhaltungskosten in die Höhe gehen. In welchem Ausmaß sich Bestände anhäufen, hängt in erster Linie vom Organisationsgrad ab. Je besser die Supply Chain vom Zulieferer über hausinterne Prozesse bis zum Kunden organisiert ist, desto weniger Lagerkapazität wird benötigt.

• Voraussetzungen: Gebraucht werden nicht nur Finanzdaten aus dem Rechnungswesen und den Bankkonten, sondern auch Angaben aus der Personalbuchhaltung (Löhne, Sozialabgaben), der Anlagenbuchhaltung sowie ERP-Informationen wie Bestellobliga und Auftragsbestände.

• Prognoseverfahren: Forderungen und Zahlungsziele sowie Bank- und Kassenbestände lassen sich vergleichsweise leicht zusammentragen. Doch damit können Firmen vielleicht nur die nächsten vier bis sechs Wochen überblicken. Das Management benötigt aber Daten für die nächsten drei bis zwölf Monate. Prognoseverfahren ermitteln anhand von Erfahrungswerten, wie sich die Liquidität entwickeln könnte. Dabei fließen beispielsweise die Zahlungsprofile der Kunden ein, aber auch Vorhersagen, aus welchen Angeboten mit hoher Wahrscheinlichkeit Aufträge, Umsätze und damit Einzahlungen kommen werden.

• Cash-Pooling: In den einzelnen Gesellschaften gibt es Liquiditätsbedarfe, deren Deckung per Kredit hohe Zinsen verursacht, und auch Liquiditätsüberschüsse, die nur geringe Zinserträge erwirtschaften. Über Cash-Pooling als Teil des Liquiditäts-Managements können Gesellschaften Bedarfe und Überschüsse zwischen den Gesellschaften ausgleichen. Hat ein Mandant sein Konto bei einer Bank überzogen, lässt sich dies möglicherweise durch eine andere Firma innerhalb der Gruppe kompensieren, die noch nicht bei dem Kreditinstitut in der Kreide steht. Der Rechnungswesenanbieter Varial beispielsweise verfügt über einen "Cash-Manager", der dafür geeignet ist. Dieses Tool gestattet es ferner, auf Konzernebene übergeordnete Konten zu führen.

Der "CP Cash Manager" von Corporate Planning schlägt mit Blick auf Bankstände, Kreditlinien und aktuelle Zahlungsströme Transaktionen vor, mit denen Firmen Kapital umschichten können.

• Branchenspezifika: Ein Serienfertiger hat langfristige Vereinbarungen mit den Kunden und seinen Lieferanten, so dass er sich mit einer Vorausschau leichter tut als ein Betrieb, der projektbezogen oder im Kundenauftrag produziert. Bei Letzterem kommt es auf eine gute Verknüpfung mit einem Projektplanungssystem an. Verschieben sich ein Auftrag und damit verbunden die geplanten Einzahlungen, muss dies aus der Liquiditätsplanung ersichtlich sein. Terminverschiebungen haben Einfluss auf die Materialbeschaffung und -bezahlung, aber auch auf die Zahlungspläne.

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