Wie trifft man die richtige Auswahl von Systemen der Kommunikations- und Datentechnik:Mehr Effizienz im Rationalisierungsfeld Büro

19.02.1988

Die Zahl der im Büro Tätigen nimmt ständig zu. In der Bundesrepublik waren es 1950 erst 36 Prozent, 1980 schon 53 und prognostiziert sind für 1990 bereits 67 Prozent der Gesamtbeschäftigten. Die Kosten haben sich verdoppelt. Zum Vergleich: Die Produktivität im Fertigungsbereich erhöhte sich in den letzten 20 Jahren um etwa 90 Prozent, im Büro lediglich um 5 Prozent! Die Hauptschwachstellen im Büro: Zu hohe Kosten je Vorgang und zu lange Erledigungszeit.

Die wesentliche Produktivitätssteigerung kann aber nur durch Erhöhung der Effizienz/Effektivität und/ oder Verbesserung der Qualität erreicht werden. Ziel jeder Unternehmensleitung muß deshalb sein: Erschließen von Ratiopotential durch organisatorische Verbesserungen und Nutzung einer kostengünstigen Alternative innovativer Kommunikations- und Datentechnik. Rationalisierungserfolge können aber nur unter der Voraussetzung realisiert werden, daß die eingesetzte Technik exakt auf den jeweiligen Arbeitsplatz zugeschnitten ist.

Ein - gemessen an den Anforderungen - zu geringer Leistungsumfang eines Gerätes kann das gesamte Ratiopotential nicht voll ausschöpfen. Verfügt umgekehrt ein System über Leistungsmerkmale und Funktionen, die an seinem Arbeitsplatz keinesfalls abgefragt werden, stehen die dafür anfallenden Kosten in einem schlechten Verhältnis zur tatsächlich benötigten Leistung. Die Auswahlentscheidung für eine im

Büro einzusetzende Technik wirkt sich somit direkt auf das Ergebnis einer Unternehmung aus.

Man kann eine teilweise Formalisierung dieses Auswahlprozesses vornehmen. Anhand einer Systematik kann nun für jeden Arbeitsplatz aus einer Anzahl von Hard- und Softwareprodukten diejenige Technik ermittelt werden, die mit ihrem Leistungsumfang das Anforderungsprofil des zukünftigen Anwenders optimal abdeckt.

Analyse der Anforderungen an die Technik

In einer Zusammenstellung wurden mögliche Anforderungen an Bürokommunikation und Datenverarbeitung katalogisiert. Hierbei handelt es sich um einen Katalog von Anforderungen, angefangen bei der Thematik Benutzeroberfläche über Grafik- und Textfunktionen, Standardsoftware, Programmiersprachen und Kopplungsmöglichkeiten verschiedener Systeme bis hin zu Aspekten der Ergonomie. Jede dieser sogenannten Kompaktanforderungen wiederum setzt sich aus zahlreichen detaillierten Merkmalen zusammen (vgl Abb 1).

In Kenntnis der Kommunikations- und Aufgabenstruktur des untersuchten Arbeitsplatzes kann jede dieser Kompaktanforderungen nach ihrer jeweiligen Relevanz bewertet werden. Organisator und zukünftige Anwender können also die Bedeutung, die sie dem jeweiligen Merkmal zumessen, quantifizieren.

In Orientierung an dem Anforderungskatalog wurde eine "Checkliste" als Maßstab entwickelt, anhand derer gezielt untersucht werden kann, ob und mit welchem Erfüllungsgrad beliebige Produkte der Kommunikations- und Datentechnik den Anforderungen gerecht werden. Diese "Meßlatte" besteht für jedes Leistungsmerkmal aus einer Liste von Teilleistungen, die erfüllt sein müssen, um der entsprechenden Anforderung genügen zu können (vgl. Abb.2)

Der Leistungsvergleich ist - einige wenige Leistungsmerkmale ausgenommen - funktions- und geräteübergreifend anwendbar, also auch unabhängig davon, ob Hard- oder Softwarekomponenten im Mittelpunkt einer Untersuchung stehen. Damit wird eine direkte kardinale Vergleichbarkeit auch beispielsweise einer Speicherschreibmaschine mit einer Text-Software erreicht.

Ein System, das eine Anforderung nur anteilig erfüllt - das heißt es weist nur einen Teil der zur Erfüllung erforderlichen Merkmale auf - wird entsprechend diesem Anteil durch eine prozentuale Quantifizierung des Erfüllungsgrades beurteilt.

Rationale Auswahl mit reduziertem Aufwand

Mit dem Leistungsvergleich nach Erfüllungrsgrad, der anhand des einheitlichen Maßstabes auf beliebige Produkte mit vergleichbaren Ergebnissen erweitert werden kann, steht Organisatoren und zukünftigen Anwendern ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem Beratungen und Untersuchungen systematisch und schnell vorgenommen werden können.

Dem - auf oben beschriebene Weise ermittelten - individuellen Anforderungsprofil werden im Rahmen einer Entscheidungsanalyse nach Kepner/Tregoe1) die Leistungen der Kommunikations- und Datentechnik gegenübergestellt (vgl. Abb. 3).

So können im Abgleich der speziellen Anforderungen eines Anwenders mit der Leistungsfähigkeit der Produkte diejenigen Systeme ermittelt werden, die dieses Anforderungsprofil möglichst exakt abdecken.

Für jede, der in Frage kommenden Alternativen wird im Anschluß eine Systemkonfiguration erarbeitet und deren Kosten bestimmt.

Eine auf diese Weise getroffene Systemauswahl weist folgende Vorteile auf:

- Auswahl nicht aufgrund eines absoluten Vergleiches, sondern unter Berücksichtigung der nur für einen Arbeitsplatz tatsächlich relevanten Leistungsmerkmale:

Eine absolute, unabhängige Klassifizierung von informationstechnischen Systemen in "gute" und "weniger gute" Produkte ist bei einem funktions- und geräteübergreifenden Vergleich nicht mehr möglich.

Ziel der Methode ist es darum auch, sozusagen eine Vergleichbarkeit von "Äpfeln und Birnen" zu erreichen, zum Beispiel bei einer anstehenden Entscheidung "Speicherschreibmaschine oder PC mit Text-Software".

Nur in Abhängigkeit von den am betrachteten Arbeitsplatz zu bewältigenden Anforderungen ist aber eine Aussage darüber möglich, ob ein Gerät zur Lösung dieser spezifischen Aufgabe gut oder weniger gut geeignet ist.

- Reduzierter Beratungs- und Untersuchungsaufwand:

Der einmal erstellte Leistungsvergleich kann für Beratungen und Untersuchungen von Arbeitsplätzen unterschiedlichster Aufgabenarten herangezogen werden.

Er kann mit geringem Aufwand anhand des allgemeingültigen Maßstabes auf beliebige Eigen- und Fremdprodukte erweitert werden. Der Leistungsvergleich ist allgemeingültig. Die in ihm enthaltenen Aussagen sollten allerdings - bedingt durch Komplexität und Dynamik im Bereich der Kommunikations- und Datentechnik - turnusmäßig aktualisiert werden.

Der generelle Leistungsumfang von Produkten wird mit dem speziellen, individuellen Anforderungsprofil der zukünftigen Anwendungen abgeglichen und somit die relative Leistungsfähigkeit der Produkte - gemessen an den tatsächlich benötigten Funktionen - bestimmt.

Bei beliebig vielen Projekten beschränkt sich somit der Beratungs- und Untersuchungsaufwand auf

a) die einmalige Ermittlung des Leistungsumfanges verschiedener Systeme

b) die jeweilige Bestimmung des Anforderungsprofils eines zukünftigen Anwenders, zielgerichtet und systematisch durchgeführt anhand der Anforderungssystematik

c) den jeweiligen Abgleich von Anforderungen und Leistungen. Dieser Abgleich ist entscheidungstheoretisch weitgehend formalisierbar, die Alternativenentwicklung kann also maschinell unterstützt vorgenommen werden.

- Universelle Anwendbarkeit der Leistungsbemessungsgrundlage

Die Anwendbarkeit der Leistungsbemessungsgrundlage wurde überprüft. Anhand dieses Maßstabes wurden mit quantitativ vergleichbaren Ergebnissen die Leistungen von modernen Produkten folgender Arten bewertet:

- Textsoftware in einer Großrechenanlage

- Electronic-Mail-Kommunikationssoftware in einer Großrechenanlage

- Speicherschreibmaschine

- Stand-alone-PC

- PC-Mehrplatzsystem

- Bürosystem

- Systemintegrierte Bürokommunikation mit ISDN

Nach Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse ist festzuhalten, daß sich der eingesetzte Maßstab auch für solche Geräte- und funktionsdifferente Produkte als universell einsetzbar erwiesen hat.

- Ausschaltung subjektiver Einflüsse:

Die vielfach auftretende Know-how-Konzentration auf einige wenige Organisatoren bringt im Falle eines Personalwechsels innerhalb eines Beratungs- oder Untersuchungsteams Probleme mit sich: Andere Organisatoren treffen andere Entscheidungen. Nur ein praktikables Methodeninstrumentarium kann gewährleisten, daß subjektive Präferenzen eines Organisators oder eines Anwenders einer rationalen Auswahl nicht vorgreifen.

Maschinelle Unterstützung durch ein Expertensystem

Die große Anzahl und Vielschichtigkeit der bei der Systemauswahl zu berücksichtigenden Variablen und Daten legen eine Unterstützung des Auswahlprozesses durch Datenverarbeitung nahe.

Die durch die Auswahlsystematik erreichte Formalisierung der Entscheidungsfindung läßt eine Weiterverarbeitung der Systematik in einem Expertensystem (wissensverarbeitende Datenverarbeitung) sinnvoll erscheinen. Folgende Funktionen bilden Schwerpunkte der Rechnerunterstützung:

- Ermittlung des Anforderungsprofils:

Im Dialogverfahren steuert der Rechner Reihenfolge und Art der zu gewichtenden Anforderungen.

Beispielsweise schließt er aus der Eingabe "Benutzergruppe: Sekretärin selbsttätig auf eine hohe Relevanz der Anforderung an Text-be- und -verarbeitung. Aus einer hohen Relevanz der Anforderung "Grafik" ergibt sich selbsttätig ein Nachfragen zum Beispiel nach der Art der erforderlichen Grafik (Businessgrafik, Freihandzeichen, CAD/CAM etc.) sowie noch Mischinformation (Text und Grafik in einem Dokument) etc.

- Abgleich der spezifischen Anforderungen mit den Leistungen.

Berechnung der Entscheidungsmatrix und Alternativenbildung werden im Rechner vollzogen.

- Flexibilität und Nachvollziehbarkeit:

Neben der Möglichkeit, der angesprochenen Fülle von Daten gerecht werden zu können, wirkt sich beim Einsatz eines Expertensystems vorteilhaft aus, daß durch die Wissenserwerbskomponente Entscheidungsregeln überprüft und gegebenenfalls angepaßt werden können. Mittels einer Erklärungskomponente bleibt die von einem solchen Expertensystem getroffene Auswahl für Organisator und Anwender nachvollziehbar.

Immer am Horizont: "Die vollkommene Information"

Eine streng rationale Entscheidung ist nur auf der Basis "vollkommener Information" möglich. Die Auswahlentscheidung zugunsten eines bestimmten Systems der Kommunikations- und Datentechnik ist somit direkt abhängig von der Anzahl und dem Wert der für die Entscheidung zugrundegelegten Daten.

Auch ein systematisches Vorgehen und die Unterstützung durch ein Expertensystem kann nur dann zu praktikablen Ergebnissen führen, wenn möglichst alle entscheidungsrelevanten Anforderungen und Leistungen erfaßt und berücksichtigt werden. Das Ziel der vollständigen Information vor Augen, erscheinen zu einigen Leistungsmerkmalen weitere Recherchen sinnvoll. Die Kosten der zusätzlich zu gewinnenden Information sind dabei den möglichen Kosten einer

eventuellen Fehlentscheidung aufgrund Nichtberücksichtigung eines Leistungsmerkmals gegenüberzustellen.