Intranet und Extranet/Intranet und/oder/kontra/mittels Notes beziehungsweise Domino

Wie sich die Lotus-Groupware mit Intranet-Anwendungen verträgt

16.12.1998
Immer wieder taucht die Frage auf, ob ein Intranet im Widerspruch zu klassischen Groupware-Lösungen, vor allem Notes und Domino von Lotus, stehe. Jörg Allmann* versucht, im Nebel der Marketing-Parolen Klarheit herzustellen.

Um das Wichtigste gleich vorwegzunehmen: Die Produkte Lotus Notes und Domino und der Begriff Intranet stehen nicht im Widerspruch zueinander. Im Gegenteil: Beide Produkte bilden eine geeignete Softwaregrundlage für ein Intranet.

Die Historie des Produkts und die parallele Entstehung des Begriffs Intranet führen allerdings nicht automatisch zu diesem Schluß. Lotus Notes wurde mit der Zielsetzung entwickelt, kooperatives Arbeiten über verteilte und heterogene Systemumgebungen zu unterstützen. Es hat sich in Laufe der letzten Jahre den Ruf eines Groupware-Standards erobert.

Grundelemente des Produkts sind das Mailing, die Diskussionsplattform, der Informations-Pool und das Reporting-System, die mit ergänzender Workflow-Technik und Add-on-Tools zu komplexesten Applikationen verbunden werden. Betriebsinterne oder -übergreifende Informationssysteme sind nur zwei von vielen möglichen Ausprägungen solcher Notes-Applikationen. Unter dem Aspekt der Interaktivität und Kooperation sind sie sicher nicht die anspruchsvollsten.

Ursprünglich ganz unabhängig von der Idee "Groupware" boomte in den letzten Jahren das Internet. Nebst der Frage, wie Mitarbeiter eines Unternehmens sinnvollen Zugang ins Internet bekommen können, richtete sich die Diskussion auf die Nutzung von Intranets als ein betriebsinternes Informationssystem mit Hilfe der Internet-Technik.

Lotus hat erkannt, daß die Adaption verschiedener Internet-typischer Techniken notwendig war, um nicht mit einem proprietären Produkt im Internet-Boom unterzugehen. Vor allen Dingen sind Standards der Protokollebene (TCP/IP), der Entwicklungsgrundlage (Java, HTML), der Mail-Technologie (SMTP) und der Web-Server (HTTP) zu nennen.

Mit Version 4.0 von Notes/Domino setzte Lotus voll auf die Entwicklung des Internet. Der Assimilationsprozeß wird mit Version 5.0 durch Ergänzung weiterer typischer Web-Elemente wie Pages und Frames fortgeschritten sein. Es bleiben aber, beispielsweise hinsichtlich der dynamischen Internet-Telefonie, noch Aufgaben zu lösen.

Die strategische Ausrichtung der Lotus-Produkte wird auch durch die Namenstrennung des Client-Produkts Lotus Notes vom Server-Produkt Lotus Domino deutlich. Der Domino-Server hat auch ohne den proprietären Client seine Berechtigung, etwa als SMTP-Mail- oder HTTP-Web-Server.

In aller Regel entscheidet die IT-Abteilung über den Einsatz von Lotus Notes, nicht aber über den Aufbau eines Intranet. Denn in der Praxis liegen in den Unternehmen bereits Web-Präsentationen externer Agenturen oder entsprechender interner Abteilungen vor. Damit liegt das Thema Intranet in der Verantwortung von Grafikprofis und nicht in den Händen der IT-Entscheider. Doch gerade die IT-Abteilung sollte den Aufbau eines Intranet als interdisziplinäre Unternehmensaufgabe unter dem gemeinsamen Dach "Informations- und Kommunikationstechnologie" verantworten und betreuen.

In Unternehmen, in denen Lotus Notes flächendeckend im Einsatz ist, sollte das Intranet als Browser-basierender Zugriff auf Informationen kein Thema sein. Denn per Notes-Client ist ein sicherer und komfortabler Zugriff auf alle Informationen gegeben. Diese Installationsbasis ist aber eher die Ausnahme und bleibt möglicherweise nicht in dieser Form bestehen.

In typischen Notes-Infrastrukturen ist kein flächendeckender Zugriff per Notes-Client gegeben. Die Gründe dafür sind vielfältig: Lizenzkosten für Clients, höhere Roll-out- und Administrationskosten im Vergleich zur Browser-Software oder die schlichte Tatsache, daß eine Ausstattung aller Arbeitsplätze mit Notes-Clients noch nicht geleistet wurde oder nicht geplant wird. Hier wird das Thema Intranet aktuell.

Je größer die Bedeutung der vorhandenen Notes-Installation im Unternehmen, desto logischer ist die Entscheidung für diese Groupware als Basistechnologie eines Intranet, da die notwendige Softwaretechnik ohne Zusatzkosten vorhanden ist. Eine parallele Nutzung der gleichen Informa- tion per Notes-Client und per Internet ist möglich.

In Unternehmen, in denen Lotus Notes punktuell im Einsatz ist, hängt die Entscheidung über ein zusätzliches Intranet vor allem von zwei Fragen ab: Welche Rolle wurde Notes bisher zugeteilt, und wer betreibt den Aufbau eines Intranet?

Wenn Notes lediglich als Mailing-System oder nur in sehr speziellen Inselapplikationen zum Einsatz gekommen ist, liegt die Vorstellung fern, die gleiche Software als Intranet-Basis zu nutzen. Ist Notes bereits als Träger eines Informationssystemes akzeptiert und geht es lediglich um die unternehmensweite Vergrößerung des Nutzerkreises auf einer kostengünstigen Plattform, liegt die Nutzung von Domino als HTTP-Server nahe.

Sowohl beim öffentlichen Internet-Auftritt als auch beim Intranet begehen viele Unternehmen den Fehler, primär die grafische Gestaltung der Inhalte in den Mittelpunkt zu stellen. Selbstverständlich ist die optische Gestaltung im Intranet wichtig, um eine ansprechende und akzeptierte Darstellung der Informationen zu gewährleisten. Sie wird aber gegenüber anderen Überlegungen oft überbewertet.

Vor allem die Konzepte zur dauerhaften Datenpflege im Intranet sind oft unzureichend. Die darzustellenden Inhalte sind keine Ware, die nur einmal zusammengetragen, gestaltet und publiziert werden muß; sie sind dynamisch.

Eine klassischen Internet- beziehungsweise Intranet-Struktur erfordert folgenden Arbeitsablauf: Es beginnt mit der Lieferung der Rohinformationen in DV- oder Papierform an die interne Marketing-Abteilung oder externe Agentur. Es folgt die inhaltliche Überarbeitung und die Layoutdefinition. Im dritten Schritt kommt die Umsetzung mit HTML, Java und anderen Programmiersprachen oder Tools. Abschließend erfolgt die Installation auf dem Web-Server durch den Web-Master.

Dieser Ablauf wiederholt sich ständig und ist von einer Vielzahl von Personen abhängig, was diverse Verzögerungen und Engpässe zur Folge hat. Ein direkter, editierender Zugang der Informationslieferanten ist nicht möglich. Jede Veränderung muß alle Bearbeitungsschritte mit den entsprechenden personellen Hürden durchlaufen.

An dieser Stelle bietet Notes entscheidende Unterschiede zum klassischen System "Gestaltungs-Tool plus HTTP-Server". Unter Verwendung eines Notes-basierenden Redaktionssystems sehen die Arbeitsschritte wie folgt aus:

- Definition des Layouts und der Strukturen mit exemplarischen Inhalten auf Notes-Basis inklusive Genehmigungssteuerung zur Freischaltung der Inhalte;

- dezentrales Sammeln der Publikationen;

- dokumentenspezifische Freigabe der Information auf dem HTTP-Server sowie

- kontinuierliche Pflege der Dokumente mit hohem Bearbeitungskomfort inklusive Workflow-Elementen unter Lotus ohne Einschaltung eines Programmierers und ohne Inanspruchnahme eines Web-Masters. Damit ist die Abhängigkeit der Informationslieferanten vom IT-Personal auf ein Minimum reduziert.

Typische Projekte aus den letzten beiden Jahren forderten häufig eine parallele Nutzbarkeit von Applikationen per Notes-Client und per Browser. Die Anfor- derungen solcher Applikationen gehen zum Teil weit über das Lesen von Informationsdatenbanken hinaus.

Einerseits soll die volle Leistungsfähigkeit von Lotus Notes hinsichtlich Datenerfassung in verteilten heterogenen Systemen, Replikation, Workflow-Elementen und Schnittstellen zu anderen Systemen, zum Beispiel SAP, zur Verfügung stehen. Andererseits werden reine Web-Applikationen mit allen im Web möglichen Gimmicks als Layoutvorgaben zugrundegelegt.

Unter Notes 4.0 bis 4.6 gab es mehr oder minder große Einschränkungen in der Gestaltung dieser Internet-, Intranet- oder Notes-Applikationen, die primär darin bestanden, daß nicht alle im Web nutzbaren Gestaltungselemente und Tools auch in der Groupware nutzbar waren. Über die Versionen 4.0, 4.1, 4.5 und 4.6 reduzierten sich die Mängel mehr und mehr. Die bekannteste Einschränkung unter Lotus Notes 4.x besteht in der nicht integrierten Frame-Technik. Mit der Version 5.0, die native HTML unterstützen wird, ist diese Lücke geschlossen.

Die Einschränkungen führten primär zu hohem Implementierungsaufwand und umfangreicher Doppelcodierung für beide Client-Welten. Jenseits dieser zum Teil aufwendigen Programmierung wird allerdings übersehen, daß ihr Ergebnis in puncto Datenpflege, Administrierbarkeit, Steuerung von Zugriffsrechten und eingebettetem Workflow weit mehr bietet als reine HTML-basierende Gimmick-Collagen.

Ein weiteres Problem besteht darin, daß bislang wenig Service-Provider bereit sind, Domino als HTTP-Server zu verwenden und somit ein technologischer Bruch entsteht - sofern der HTTP-Server nicht inhouse betrieben wird. Die eigentlich dynamische Darstellung der Dokumente, das heißt, daß jede Änderung eines publizierten Notes-Dokuments ohne zusätzlichen Upload-Aufwand sofort wirksam wird, geht verloren, wenn der HTML-Baum statisch auf einen klassischen HTTP-Server kopiert wird. Service-Provider, die primär auf Unix-Plattformen arbeiten, argumentieren noch zu Recht mit der besseren Administrierbarkeit ihrer Systeme und einer höheren Verfügbarkeit.

Die Lizenzkosten für Intranet-Lösungen sind ein weiterer Diskussionspunkt. Lotus will an der reinen Nutzung eines Domino-Servers als HTTP-Server verdienen - und zwar nicht nur am Lizenzpreis für den Domino-Server, sondern zusätzlich mit einer sogenannten Access Fee auch an der Nutzung des Servers per Browser.

Mit der Definition dieser Access Fee seit Mitte 1998 reagierte Lotus auf die Gefahr des reduzierten Lizenzgeschäfts für Notes-Clients, falls Kunden auf sie verzichten und statt dessen lediglich Browser benutzen. Es ist fraglich, ob die Kunden diese Preisgestaltung, die mit recht komplizierten Differenzierungen für kostenpflichtigen und kostenlosen Access verbunden ist, verstehen und annehmen werden.

Ein Intranet sollte mehr sein als die Zusammenführung von schwarzen Brettern, Informationsverteilern und Archiven. Sofern die notwendige Einbettung in ein generelles Informations- und Kommunikationskonzept, alle Aspekte des kontinuierlichen Betriebs eines Intranet und die Vorteile eines dynamischen Intranet bewußt sind, sollte spätestens unter Notes 5.0 die Verwendung von Notes zur Erstellung und Pflege des Intranet und Domino als Datenbank- und HTTP-Server eine bevorzugte Wahl sein.

Anforderung

an Notes/Domino als Intranet-Plattform

- uneingeschränkte Leistungsfähigkeit des Domino HTTP-Servers;- uneingeschränkte Unterstützung aller Internet-Standards;- 7x24-Verfügbarkeit;- Remote-Administration;- marktgerechte Preisgestaltung.

Zehn Fragen zum Intranet

1. Welche Inhalte werden benötigt?2. Welche Quellen stehen zur Verfügung?3. Wie sind die Inhalte insgesamt zu strukturieren?4. Wer bereitet die Inhalte auf?5. Werden die Inhalte dauerhaft gepflegt?6. Ist das Intranet ein Einweginformationssystem, oder werden interaktive Elemente benötigt?7. Ist das Intranet nur ein Informations- oder auch ein Kommunikationssystem?8. Wie sieht der Übergang zu Workflow-Strukturen aus?9. Welche Sicherheitsanforderungen gibt es?10. Welche Qualifikationsanforderungen an alle beteiligten Personen werden gestellt?

Bestandsaufnahme

- Gibt es Lotus Notes im Unternehmen?- Wenn ja, was leistet es im Unternehmen?- Welche Rolle spielt Groupware im Sinne von kooperativer Teamarbeit?- Welches gesonderte Ziel hat ein Intranet im Unternehmen?- Wo liegt die inhaltliche, technische und organisatorische Trennung zwischen Intranet, Extranet und Internet aus Sicht des Kunden?- Welche Technik (Hard- und Software) ist vorhanden?- Welches Budget ist vorhanden?- Wer betreibt die Intranet-Idee, und wem ist die Projektverantwortung zugeordnet?

Angeklickt

Ursprünglich war da eine Groupware-Lösung namens Notes. Die stellte am Markt die Konkurrenz in den Schatten - und geriet doch plötzlich in Not, als proprietär demnächst DV-Geschichte zu sein. Denn plötzlich sprach alle Welt von offener Internet-Technik und Intranet. Doch Lotus hat reagiert, zunächst betulich, aber seit Version 4.0 der Groupware immer deutlicher. Die annoncierte Version 5 schließlich soll letzte Schwächen im Zusammenwirken mit Intranet-Anwendungen beseitigen. Hier die Sichtweise eines Lotus-Business-Partners mit langjähriger Praxiserfahrung im Projektgeschäft.

*Jörg Allmann ist Geschäftsführer der Notes Development GmbH in Hannover.