Wie planen Sie den Programmieraufwand ?

14.03.1975

Gerade heute - in einer sehr kostenbewußten Zeit - ist es unumgänglich, den Zeitaufwand für die Erstellung der einzelnen Programmierarbeiten so genau wie möglich vorauszuschätzen, um die Kapazität des Programmierstabs effizient einsetzen zu können. Die einfache Daumenpeilung kann sich heute kaum noch ein EDV-Leiter leisten.

Von einzelnen Software-Häusern werden zwar fertige standardisierte Lösungen zur Ermittlung des Programmieraufwandes angeboten - der Anwender aber scheint hier noch etwas skeptisch zu sein:

Die RZ-Gruppe rational in München hat eine Formel zur Berechnung entwickelt, Heinzbert Hamacher vom EDV-Service baut auf seine 12jährige Programmiererfahrung, der Geschäftsführer der Treudata arbeitet mit einem selbstentwickelten Programmsystem und bei der Mannesmann-Datenverarbeitung werden in einem Informationssystem alle in Frage kommenden Einflußgrößen gesammelt. Ein absolut richtiges Verfahren gibt es bei der Vielzahl der Einflußgrößen sicher nicht. CW und Ihre Leser sind daher an weiteren Beiträgen zu diesem Thema sehr interessiert.

Heinzbert Hamacher

Geschäftsführer der EDV-Service in München

Wir beschäftigen uns hier schon seit 12 Jahren mit Programmierung. Der Aufwand für Programmierarbeiten basiert bei uns nur auf Erfahrungswerten. Dabei sind wir bis jetzt immer am besten gefahren.

Von den jetzt angebotenen standardisierten Verfahren zur Schätzung ,von Programmieraufwand hatte ich nichts. Denn das kann man nicht schematisch aufbauen. Tatsache ist, daß der Zeitaufwand vom Programmierer, der an ein bestimmtes Problem gesetzt wird, selbst abhängt. Wir haben zum Beispiel die Erfahrung gemacht, daß zehn Programmierer, die mit der gleichen Aufgabenstellung betraut wurden, zehn unterschiedliche Leistungen erbracht haben und ebenso zehn verschiedene Zeiten dafür benötigt haben.

Bei uns erledigt der Organisator die gesamte Beschreibung der Programme und kennt daher auch die Schwierigkeitsgrade. Daraufhin setzt er die Zeiten fest, die für die Programmierung anstehen oder maximal anfallen dürfen. Diese gibt er dann an die Programmierungsleitung weiter und dort wird der Zeitaufwand dann nochmals abgeschätzt.

Meiner Meinung nach können standardisierte Verfahren bei einfachen List-Programmen angewendet werden. Wichtig ist auch, daß der Computer optimal ausgelastet ist, das kann man nicht schematisch machen, dazu braucht man eine ganz klare Konzeption. Gerade bei uns hier ist das wichtig, weil der Programmieraufwand doch größer ist als bei einem normalen hausinternen Rechenzentrum.

Siegfried Küchle

Vertriebsleiter RZ-Gruppe rational, München

Wir haben ein Verfahren entwickelt, das wir auch meistens anwenden:

Es geht ganz einfach darum, daß wir verschiedene Faktoren erfassen. Zunächst einmal eine Tabelle für einen Faktor A, das ist der Faktor für Ein- und Ausgabe. Dann haben wir einen Faktor B das ist der Aufwand für den Verarbeitungsteil, dazu kommt der Faktor C, das sind Problemkenntnisse der einzelnen Programmierer. Der Faktor D bezeichnet die Programmiererfahrung.

Diese Faktoren fassen wir in einer Formel zusammen, die dann heißt: A + B x C + D. Nach dieser Formel errechnen wir den Programmieraufwand. Wir können die so ermittelte Programmierzeit in Erfahrungswerte unterteilen, und zwar haben wir Aufgabengebiete, die sich wie folgt nennen: Programmaufbau, Codieren und Erstellen von Testdaten, Testen und Bereinigen und die abschließende Dokumentation. Danach kann man die vorher ermittelte Programmierzeit diesen Aufgabengebieten nochmals prozentual zuordnen.

Dieses Verfahren ist bei uns seit gut zwei Jahren erfolgreich eingesetzt. Trotzdem braucht man doch sehr viel Erfahrung, denn die Bewertungen und die Tabellen - speziell was die Problemkenntnisse betrifft - und auch die einzelnen anzugebenden Werte für dieses Verfahren basieren ausschließlich auf Erfahrungswerten.

Udo Pauk

Geschäftsführer der Treudata, Düsseldorf

Die wichtigste Grundlage sind echte Vergangenheitswerte. Zur Ermittlung genauer Nachkalkulation setzt Treudata bereits seit 1970 das selbstentwickelte Programmsystem TAS ein, das aufgrund von Zeitaufschreibungen, Jobaccount-Auswertungen usw. die genauen Kosten für die Realisierung eines Auftrages, eines Programmes usw. ermittelt und mit den ursprünglichen vorkalkulierten Werten vergleicht.

Die so gewonnenen Ergebnisse werden als Basis für neu zu erstellende Vorkalkulationen herangezogen.

Eine exakte Vorkalkulation von Programmierarbeiten scheint uns erst dann möglich, wenn die Systemanalyse durchgeführt ist und der EDV-Ablauf festliegt.

Jedes Programm wird anhand des Ablaufes einzeln vorkalkuliert, dabei wird folgende Vorgehensweise benutzt:

Es werden zunächst bestimmte Grundfaktoren ermittelt, wie zum Beispiel

- Anzahl Eingabedateien sequent./indexsequent./direkt

- Anzahl Ausgabedateien

- Anzahl Listen

- Anzahl Dateien mit Fortschreibunger

- Anzahl Gruppenwechsel

- Anzahl Tabellenverarbeitungen

- Anzahl Befehle des Verarbeitungsteils, und so weiter.

Insgesamt existieren bei Treudata circa 20 solcher Faktoren. Je Faktor bestehen Grundwerte für Personal- und Maschinenzeitbedarf, die wiederum aufgrund der Vergangenheitswerte ermittelt wurden und etwa halbjährlich überarbeitet werden.

Die Summen der bewerteten Faktoren ergeben die Kosten eines Programms. Zur Kontrolle wird jeweils ein Vergleich mit den Nachkalkulationen ähnlicher, bereits erledigter Aufgaben durchgeführt. Besonderheiten, die nicht von diesem Verfahren abgedeckt werden, werden in herkömmlicher Form aufgrund von Schätzungen kalkuliert. Insgesamt werden heute mehr als 90 Prozent der bei uns anfallenden Aufgaben von diesen Verfahren abgedeckt.

Dr. Werner Brack

Geschäftsführer der Mannesmann-Datenverarbeitung GmbH, Lintorf

Die besondere Bedeutung dieser Fragestellung ist uns als Dienstleistungsunternehmen, das nicht nur im Mannesmann-Konzern, sondern auch auf dem freien Markt tätig ist, bewußt und wichtig. Dies gilt um so mehr, als das Spektrum unserer Programmiertätigkeit von der Prozeßautomation über Anwendungen bis zu kaufmännischen Datenbanksystemen reicht und dabei notwendig mit Hardware und Software unterschiedlicher Hersteller und Größenordnungen verbunden ist.

- Wir mußten feststellen, daß bisher angewandte Verfahren auf die jeweilige spezifische Konstellation von Hardware, Software und Sprachen, aber auch Unternehmensorganisation ausgerichtet waren und deshalb in der veränderten Situation eines Dienstleistungsunternehmens nicht immer verwendet werden können. Auf dem Wege zu einem neuen Verfahren, das eine breitere, wenn möglich allgemeine Verwendbarkeit hat, sammeln wir in unserem Leistungsabrechnungssystem alle Informationen, die als mögliche Einflußgrößen in Betracht kommen.

Dies beginnt mit einer differenzierten Projekteinteilung von der Istaufnahme bis zur Implementierung und beinhaltet detaillierte Informationen über Zeiten, Programmiersprachen, Qualifikation der Mitarbeiter, Tests und Testkosten je Programm. Ergänzt werden diese Daten durch Angaben über benutzte Hardware und Software, Programmgrößen sowie Anzahl der verwendeten Dateien, die an anderer Stelle erfaßt werden.

Wir sind sicher, daß mit Vorliegen ausreichenden statistischen Materials der Einfluß der verschiedenen Komponenten festgestellt und in ein neues Verfahren umgesetzt werden kann, das der gewissen Unsicherheit von Aufwandschätzungen aufgrund von Erfahrungswerten ein Ende setzt.