Wie Jungunternehmer führen

02.11.2006
Von Syra Thiel
Erfolgreiche Unternehmer denken langfristig und haben immer auch ihre Mitarbeiter im Auge.

Wem es nur ums Geld geht, der sollte eine Karriere in einem Konzern anstreben." Jörg Wurzer, begeisterter Unternehmer, will lieber Spuren hinterlassen als Geld scheffeln. Weltfremd ist der 38-Jährige dabei nicht. Er will mit seiner Firma auch Geld verdienen. Aber er ist Realist und erwartet das erst in den nächsten Jahren. Beim Überstehen der momentanen finanziellen Durststrecke hilft ihm das, was er aus dem Zusammenbruch seiner ersten Firma gelernt hat.

Überzeugte Gründer

Die Clarity AG mit Hauptsitz in Bad Homburg wurde im Dezember 2000 gegründet und bietet Komfort-Telefonie, Telefonie-Ergänzung und Telefonie-Automatisierung - von der Telefonanlage bis zum Sprachdialogsystem - auf einer integrierten Softwareplattform, dem Clarity Communication Center, an. Darüber hinaus ergänzen gehostete Services und Lösungen rund um Voice over IP das Leistungsspektrum. Für ihre Produkte wurde die Clarity AG vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Unternehmenspreis "Entrepreneur des Jahres" sowie dem National Leadership Award des Economic Forum Deutschland. Gegenwärtig beschäftigt das Unternehmen 65 feste Mitarbeiter aus sieben Ländern. Vertreten ist die Clarity AG in sechs Ländern, darunter in China und Indien.

Das Unternehmen IQser Technologies mit Sitz in Remscheidt beschäftigt sich mit der nächsten Generation intelligenter Software. Die Vision ist ein neuer Umgang mit Informationssystemen: einfach, flexibel und intelligent. Die Software IQser macht Schluss mit dem Irrgarten von Dateiverzeichnissen, dem Jonglieren mit verschiedenen Programmen und der Nadel im Heuhaufen eines Suchmaschinenergebnisses. Statt durch verzweigte Menüs zu navigieren, teilt der Anwender dem IQser mit, was er wissen oder tun will. Der IQser sorgt für Übersicht, indem er automatisch Zusammenhänge zwischen den Informationen herstellt. Besonders Forschungsabteilungen von Pharmafirmen sind derzeit an dieser Lösung interessiert. Das Unternehmen beschäftigt drei Mitarbeiter und kooperiert mit mehreren freien Programmierern.

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Im Jahr 2000 verfolgte er mit drei Partnern eine Strategie, die ganz der Wachstums-Hysterie jener Zeit entsprach. "Wir waren ein starkes Management-Team und wollten schnell, sehr schnell wachsen - auch über Fremdkapital." Als sie nach dem Platzen der Blase am Neuen Markt keine externen Mittel mehr einwerben konnten, zerfiel ihr Team. Die hohen Erwartungen an das Einkommen und die schwindenden finanziellen Ressourcen ließen die Gesellschafter einen nach dem anderen aussteigen. 2001 wurde ihre Firma liquidiert.

Wurzer, der von der Geschäftsidee nach wie vor überzeugt war, wollte nicht aufgeben. Er kratzte sein letztes Geld zusammen und suchte sich neue Partner. Mit Christian Magnus stimmte die Chemie. Zusammen wollen sie bodenständig wachsen. Noch finanziert der promovierte Philosoph sein Engagement für den "IQser", allein aus den Einkünften seiner Agentur Live-im-web.tv. Durchschnittlich 30 Prozent seiner Zeit investiert er in die Agentur, um Videos für das Internet zu produzieren.

Der IQser ist eine Software, die verschiedenartige Quellen, zum Beispiel E-Mail-Konten, das Internet, Datenbanken und Textdateien nach Informationen durchsucht und die Ergebnisse übersichtlich zusammenstellt. Unternehmen aus der Chemie- und Pharmaindustrie interessieren sich dafür. In einigen Monaten, so hofft er, wird sein Produkt so gut laufen, dass er sich ein auskömmliches Einkommen zahlen kann. Und in einigen Jahren werde er überdurchschnittlich verdienen. Wer bei einer Existenzgründung nicht Durststrecken von mehreren Monaten bis Jahren einplant, der kommt nach Ansicht des Jungunternehmers schnell ins Schleudern:. "Ich habe alles auf eine Karte gesetzt und mich auf Gedeih und Verderb dem Erfolg meiner Geschäftsidee verschrieben."

Nach Erfahrung von Claudia Erben, Geschäftsführerin des Forums Kiedrich, einem seit vielen Jahren etablierten Gründer- und Mentorennetzwerk, sind Unternehmer aus Überzeugung, so wie Wurzer, in der Regel erfolgreicher als Gründer, die sich nur aufgrund des Mangels an Erwerbsalternativen selbständig machen. "Wer von seiner Idee überzeugt ist, der wächst über sich hinaus und mobilisiert alle Ressourcen. Die meisten dieser Unternehmen sind daher erfolgreicher und wachstumsstärker und überstehen Finanzierungsprobleme leichter."

Mitarbeiter einbinden

Auch Christoph Pfeiffer spielt in der Liga der Selbstverwirklicher. Der 36-Jährige setzt alles daran, seine Ideen in neue Produkte umzusetzen. Geld spielt auch für ihn nicht die entscheidende Rolle. Zurzeit zahlt sich der Unternehmer ein Jahresgehalt von einem Euro. Leisten kann sich das der Hesse, da er bereits im Jahr 2000 seine Firma Media-Netcom an die Börse gebracht hat. Mit seinem jetzigen Unternehmen, der Clarity AG, bietet er Komforttelefonie, Telefonie-Ergänzungen und Telefonie-Automatisierung - von der Telefonanlage bis zum Sprachdialogsystem - auf einer integrierten Softwareplattform, dem "Clarity Communication Center", an. Gegenwärtig beschäftigt die Clarity AG 65 feste Mitarbeiter aus sieben Ländern. Dazu kommen noch eine Reihe freier Mitarbeiter und Partner. Vertreten sind sie in sechs Ländern, neben europäischen auch in China und Indien.

Da Pfeiffer weiß, wie wichtig es ist, Mitarbeiter zu motivieren, hat er ein flexibles Vergütungssystem eingeführt. So können Beschäftigte, die erst kurze Zeit im Unternehmen arbeiten, aber viel leisten, auch mehr verdienen. Den Mitarbeitern werden außerdem Vergünstigungen wie kostenlose Getränke, weitgehend kostenfreies Essen sowie flexible Arbeitszeiten geboten. Bei Bedarf arbeiten Clarity-Beschäftigte auch von zu Hause aus. In Kürze dürfen sie - ähnlich wie bei Google - zehn Prozent ihrer Arbeitszeit dafür nutzen, sich neuen Ideen und innovativen Projekten zu widmen. Für den studierten Betriebswirt Pfeiffer ist dies noch wichtiger als der monetäre Faktor: "Freiraum für kreative Projekte zu bekommen, Zeit zu haben, sich weiterzubilden und dem täglichen Klein-Klein zu entfliehen, bringt einen dauerhaften Motivationsschub. Das wird sich in der Arbeit niederschlagen."

Auch Wurzer weiß, wie wichtig motivierte Mitarbeiter für den Erfolg der Firma sind. Daher führte er ein Belohnungssystem ein, das das Engagement des Einzelnen abhängig vom Erfolg der Firma honoriert. Alles, was über eine zehnprozentige Umsatzrendite hinausgeht, wird anhand von Bonuspunkten am Ende des Geschäftsjahres verteilt. Dabei kann jeder Mitarbeiter flexibel entscheiden, ob er sich beispielsweise einen Entwicklertag vollständig mit Bonuspunkten vergüten lässt oder ob er sich für einen Anteil Lohn und einen Anteil Punkte entscheidet.

Punkte gibt es übrigens auch, wenn die Mitarbeiter ihren eigenen Computer benutzen, Verbesserungsvorschläge einbringen, neue Mitarbeiter oder Kunden gewinnen. Auch wer sein Wissen intern an seine Kollegen weitergibt und einen Workshop organisiert, profitiert am Ende des Geschäftsjahres von 50 weiteren Punkten. Für den ehemaligen Journalisten ist diese Form der Honorierung fair und motivierend, da sie für jeden nachvollziehbar ist, sich an den Bedürfnissen des Einzelnen orientiert und das persönliche Tun mit dem Wohl der Firma verknüpft. "Ich habe meine Werte und meine Vorstellungen von einem fairen Zusammenleben in diese Firma einbringen können. Das macht mich glücklich und zufrieden. Und da ich auch Punkte sammle, kann ich mich darüber hinaus am Ende noch über eine Ausschüttung freuen." Für die Gründungsexpertin Erben ist der Zusammenhang zwischen Gründungsmotiven und Gründungserfolg unbestritten. (hk)