Wie IT-Profis sich richtig bewerben

08.04.2008
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Der IT-Arbeitsmarkt eröffnet Perspektiven - auch für Kandidaten mit Berufserfahrung. Um Erfolg zu haben, müssen diese oft wieder lernen, sich gut zu präsentieren.

Unternehmen und Personalberater stimmen derzeit ein gemeinsames Klagelied an: Offene IT-Stellen könnten sie zuhauf besetzen, nur fehlen die passenden Bewerber. Viele der begehrten IT-Profis werkeln unentdeckt in ihren Abteilungen, ohne etwas von ihrem neuen Marktwert zu ahnen. "Gerade Techniker mit hervorragenden Qualifikationen stellen ihr Licht häufig unter den Scheffel", sagt Thomas Heyn, Geschäftsführer der Personalberatung Jack Russell Consulting in München. Dazu kommt, dass man auch das Bewerben verlernen kann. Gerade Berufserfahrene zeigen hier deutliche Schwächen.

Wer zehn oder mehr Jahre in einem Unternehmen arbeitet und sich nicht beruflich mit Bewerbungsverfahren beschäftigt, kennt oft die aktuellen Standards nicht. "Da kommen manchmal haasträubende Unterlagen. Bewerber formulieren in ihrer speziellen Terminologie, nutzen firmenspezifische Abkürzungen, die niemand außerhalb des Unternehmens versteht", klagt Heyn. Eine gelungene Selbstdarstellung kommt dagegen meist gut an. Lediglich wenn Bewerber zu großzügig mit der Wahrheit umgehen, hört das Verständnis ganz schnell auf. " Wenn mich Bewerber anlügen, kann ich nichts mehr für sie tun", erklärt Jürgen Rohrmeier, Personalberater und Vorstand der Pape Consulting Group in München, kategorisch. Es komme vielmehr darauf an, wie bestimmte Fakten dargestellt und formuliert werden. "Hier kann ich Bewerber unterstützen", fügt der Personalberater hinzu. Wenn jemand viel Berufserfahrung, aber vor zehn Jahren sein Studium abgebrochen hat, solle er das nicht verschleiern, sondern Argumente für diesen Schritt finden.

Berufserfahrene stehen zudem vor der schwierigen Aufgabe, wie sie ihre Projekt- oder Führungserfahrung stimmig und verständlich im Lebenslauf präsentieren. Manche Vertriebsmitarbeiter fürchten sich davor, Zahlen zu nennen. "Wenn jemand schreibt, er hat jedes Jahr die Zielvorgabe erreicht oder den vereinbarten Bonus erhalten, dann sind das klare Aussagen, ohne dass die konkreten Zahlen auf den Tisch kommen", so Heyn.

Erfolgsstory am Telefon

Haben die Unterlagen die Recruiter im Unternehmen oder in einer Agentur überzeugt, kommt zunächst ein Telefoninterview. An dieser Hürde scheitern vielversprechende Bewerber immer wieder: In diesen 15 bis 20 Minuten klopfen die Personaler genau ab, wie es um Motivation und Ausdrucksfähigkeit des Kandidaten bestellt ist. Ebenso testen die Experten, ob jemand präzise und auf den Punkt seine erfolgreiche Arbeit beschreiben kann. Wer hier zerfahren argumentiert oder seine in den Unterlagen formulierte Erfolgsstory nicht schlüssig erklären kann, hat kaum Aussichten, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.

Wirkt der Bewerber vielversprechend, trifft sich der Personalberater persönlich mit ihm. "Ich nenne das ,Tiefenbohrung‚Äò: Ich lasse mir genau erläutern, was der persönliche Anteil des Bewerbers am Erfolg ist, welchen Part er im Projektablauf innehatte, wie er mit Druck und Problemen umgeht", so Heyn. Hochstapler haben hier kaum eine Chance, davon ist auch Rohrmeier überzeugt. "Ich setze mich in diesen Gesprächen intensiv mit dem Menschen und seiner Persönlichkeit auseinander und lasse mir anhand konkreter Situationen sein Verhalten erklären."

Pluspunkt Führungserfahrung

Klare Leistungsnachweise fordert auch Michael Picard, Direktor Personal der Otto Group in Hamburg, von Berufserfahrenen ein, die sich für eine Führungsaufgabe bewerben. Gut machen sich abgeschlossene Projekte, in denen klar der Eigenanteil des Bewerbers erkennbar ist. Beim Versandhändler arbeiten derzeit etwa 600 IT-Fachkräfte in der Konzernzentrale, 50 neue IT-Mitarbeiter sollen dazukommen. Picard erwartet von internen wie externen Bewerbern einen starken Leistungs- und Gestaltungswillen: "Sportlich gesehen heißt das, jemand sollte bereit sein, die Extrameile zu gehen." Wenn sich Otto-Mitarbeiter nach einigen Jahren für den nächsten Karriereschritt interessieren, durchlaufen sie ein Assessment-Center. Auf berufserfahrene Bewerber wartet ein mehrstufiges Auswahlverfahren.

Karrierebremse flache Hierarchie

Aufstieg, ein höheres Gehalt und bessere Karrierechancen sind häufig mit Führungsaufgaben verbunden. Doch für viele ist es schwierig, im Job diese Berufserfahrung zu sammeln. "Mitarbeiter haben heute in Zeiten von flachen Hierarchien weniger Chancen, früh Verantwortung zu übernehmen", so Personalberater Heyn. Otto-Manager Picard erwartet allerdings genau diese Kenntnisse: "Wer sich für eine Führungsaufgabe bewirbt, sollte nachweislich Führungserfahrung mitbringen." Momentan plant das Unternehmen, weniger externe Berater zu engagieren und stattdessen auf allen Ebenen neue Mitarbeiter einzustellen.

Wichtige Referenzen

Überzeugen die Unterlagen das Otto-Recruiting-Team, erhalten Bewerber einen Persönlichkeitstest per Post zugesandt. Mit dem "Predictive Index" möchte das Unternehmen die späteren Interviews vorbereiten. "Der Test liefert uns Informationen darüber, zu welchem Persönlichkeitstyp der Bewerber gehört. Die Testergebnisse werden im Interview hinterfragt beziehungsweise mit dem persönlichen Eindruck abgeglichen", erläutert Picard.

Unternehmen wie Personalberater lassen sich drei bis fünf Referenzen nennen. Das können frühere Kollegen, Chefs oder Trainer sein. Natürlich sollten Bewerber nur Personen angeben, die ihnen wohlgesonnen sind. Doch selbst das ist keine Garantie dafür, dass das Gespräch nur Gutes zutage fördert. "Manchmal ergibt sich aus den Telefonaten eine Überraschung", sagt Rohrmeier schmunzelnd. Der Berater erfährt dann mehr über Ungereimtheiten im Lebenslauf oder dass die Zusammenarbeit im Team nicht ganz so gut ablief wie vom Bewerber geschildert.

Die Spuren im Netz

Eine weitere Hürde auf dem Weg zum Führungsjob sind die Spuren im Internet. "Wenn wir Schlüsselpositionen besetzen, recherchieren wir auch im Netz, nutzen Google oder Xing", erklärt Otto-Mann Picard. Zwar beteuern viele Personaler, dass Partyfotos kein Ausschlusskriterium seien. Doch wenn Bewerber freizügige Fotos veröffentlichen, sollten sie sich vorab eine vernünftige Erklärung überlegen, denn solche Aufnahmen werden im Gespräch thematisiert. "Wir waren alle mal jung und haben alle Jugendsünden", zeigt sich Rohrmeier verständnisvoll. "Ich kann nur jedem raten, hier sehr vorsichtig zu sein", meint dagegen Heyn und fügt hinzu: "Jungen Menschen fehlt oft ein Gespür dafür, was ihre freizügige Selbstdarstellung im Netz auslösen kann."

Simple "Spezialkenntnisse"

Firmen pochen häufig auf ganz detaillierte Anforderungsprofile und möchten davon nur sehr ungern abrücken. Lieber jammern sie darüber, nicht den passenden Bewerber zu finden, als ihren Wunschkatalog kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Rohrmeier weiß aus vielen Kundengesprächen, wie spezifisch mitunter die Vorstellungen sind. "Den Bewerbern empfehle ich, damit sie langfristig eine Chance am Arbeitsmarkt haben, sich nicht nur zu spezialisieren. Firmen erwarten dagegen sehr spezielle Profile. Ich versuche dann in Gesprächen darauf hinzuarbeiten, dass ein Bewerber mit guten Lern- und Kommunikationsfähigkeiten sich manche Spezialthemen schnell aneignen kann. Soft Skills sind nach wie vor entscheidend, auch wenn manche Firmen noch zu starr auf bestimmte Kenntnisse pochen." Dass sich das eine oder andere Unternehmen auf diese Weise qualifizierte Bewerber entgehen lässt, wird vielen nur langsam bewusst. Personalberater erzählen von Firmen, die Spezialkenntnisse für exotische Softwareprogramme als unumgängliche Voraussetzung postulieren. Bei näheren Recherchen stelle sich allerdings häufig heraus, dass sich ein erfahrener Entwickler diese Kenntnisse innerhalb eines Tages aneignen kann.

Unflexible Arbeitgeber

Doch selbst wenn hervorragend qualifizierte Bewerber anklopfen, erkennen manche Unternehmen nicht die sich bietende Chance, sondern reagieren schroff und abweisend. Thomas Heyn etwa vermisst bei manchen Firmen gute Umgangsformen den Bewerbern gegenüber. "Ein Vorstellungsgepräch eines Topbewerbers sollte Chefsache sein. Ich verzweifle, wenn Firmen Interessenten wie Bittsteller behandeln, anstatt ihnen die nötige Wertschätzung entgegenzubringen." Wer Bewerber warten lässt oder sich im Gespräch herablassend verhält, darf sich später nicht wundern, wenn der Interessent das Jobangebot dankend ablehnt. (am)

Auf das Bewerbungsfoto verzichten?

Über das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) wird hinter vorgehaltener Hand viel geschimpft, denn Bewerber müssen danach weder ein Foto mitschicken noch ihr Geburtsdatum angeben. Nur wenige Personaler können sich für eine nüchterne Präsentation ohne Foto begeistern. "In Deutschland ist es üblich, ein Bewerbungsfoto zu schicken, und viele Personalverantwortliche begrüßen es nach wie vor, wenn das Foto dabei ist", sagt Marcus Fischer, Projektleiter E-Recruiting bei Audi in Ingolstadt. Es sollte selbstverständlich sein, dass es sich um ein vom Fotografen angefertigtes, professionelles Bewerbungsbild handelt.

Nach dem AGG kann ebenfalls das Geburtsdatum weggelassen werden. Doch auch hiervon raten viele ab, denn in den meisten Zeugnissen steht das Datum sowieso, lediglich die Suche danach kostet die Personalverantwortlichen unnötig Zeit (und manchmal auch Nerven).

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  • was berufserfahrene Bewerber beachten sollten;

  • was Firmen von den Neuen erwarten;

  • wo Unternehmen dazu- lernen sollten.

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