Erfolgreiche Bewerbungsstrategien

Wie IT-Profis der Jobkrise trotzten

07.02.2003
MÜNCHEN (am) - Viele Wege führen zum neuen Arbeitsplatz. Die Bewerber brauchen Eigeninitiative, ein gutes Selbst-Marketing und vor allem Ausdauer, wie die Beispiele von sechs IT-Spezialisten zeigen, die trotz Branchenkrise alle einen Job fanden.

Bewerbung als Ganztagsjob

Georg Unbehaun war Geschäftsführer einer Internet-Serviceagentur mit zeitweise 75 Mitarbeitern, bis die Dotcom-Krise auch seine Firma erfasste und er Mitte 2001 Insolvenz anmelden musste. Während einer zweimonatigen Auszeit in Italien wurde ihm bewusst, dass er angesichts der Arbeitsmarktsituation einen richtigen Vertriebsplan brauchte, um sich selbst zu vermarkten und eine neue Stelle in einer IT-Beratung zu finden. In der Bewerbungsphase zog er alle Register: Er suchte in Jobbörsen und auf den Web-Seiten der Beratungsfirmen nach Vakanzen, besuchte die Firmen auf Messen und Karriereveranstaltungen, einen kleinen Flyer über die eigene Person immer dabei. Darüber hinaus versorgte er 150 Headhunter mit seinem Profil und informierte sich ausgiebig über die Firmen, bevor er sich bei ihnen bewarb. "Für mich war Bewerbung ein Ganztagsjob. Ich bin das Ganze wie ein Projekt angegangen", schildert Unbehaun.

Während seiner Jobsuche erfuhr der 40-Jährige, dass die Insolvenz nicht wie ein Makel an ihm haftete. Im Gegenteil, er vermittelte in den Vorstellungsgesprächen glaubhaft, dass man auch von schlechten Erfahrungen profitieren kann: "Ob es die fehlende Scheu vor harten Entscheidungen, die Konsequenz in Denken und Handeln oder die hohe Belastbarkeit ist, alle diese Eigenschaften habe ich als Geschäftsführer gebraucht und kann ich auch jetzt als Leiter Communications bei Unilog einbringen." Unbehaun entschied sich bewusst für eine europäische Beratung, da er sich auf die Hire-und-Fire-Politik amerikanischer Unternehmen je nach Quartalsergebnis nicht einlassen wollte. Allerdings musste der ehemalige Geschäftsführer auch Abstriche in Kauf nehmen: "Ich bin kein General Manager mehr, muss mich in ein Team einfügen und einen Schritt zurücktreten."

Projekterfahrung durch Fluthilfe

Ralf Lippold hatte als DV-Koordinator für die Dresdner Verkehrsbetriebe AG gearbeitet, bis sein Arbeitsplatz der internen Umstrukturierung zum Opfer fiel. "Ostern 2002 stand ich auf der Straße. Auf meine Bewerbungen gab es zunächst wenig Rücklauf. Als endlich im Sommer die ersten Einladungen zum Vorstellungsgespräch eintrafen, kam auch die Flut." Der studierte Betriebswirt zögerte nicht lange und meldete sich einige Tage später für die Initiative "Hilfe für Dresden", der sich bald 150 ehrenamtliche Helfer anschlossen. In der eingerichteten Telefonzentrale gingen 1400 Anrufe am Tag ein, gearbeitet wurde rund um die Uhr.

Da die meisten freiwilligen Helfer nach vier Wochen wieder zurück in ihren Beruf gehen mussten, wurde ein ABM-Projekt genehmigt. Lippold zählte zu den wenigen Arbeitslosen, die logistische Erfahrungen mitbrachte - früher hatte er bei einem europäischen Dienstleister für den kombinierten Verkehr als Projektkoordinator für ein neues Programm zur Sendungsverfolgung gearbeitet. Darum übertrug man ihm die Leitung des ABM-Projekts mit 15 Mitarbeitern. Gestärkt durch die Projektverantwortung, verfolgte der 37-Jährige seine Bewerbungen weiter und ging in die Gespräche mit einer entspannteren Haltung. "Ich habe gesagt, was ich will und wo meine Stärken und Schwächen liegen. Ich organisiere lieber im Hintergrund, als dass ich vor vielen Leute präsentiere." Die Ehrlichkeit hat sich zusammen mit seiner beruflichen Erfahrung schließlich ausgezahlt: In wenigen Monaten tritt er seine neue Stelle bei einem Autokonzern im Bereich Transportlogistik/IT an. Sein Fazit: "Es bringt einen nicht weiter, nur zu Hause herumzusitzen. Arbeitssuchende sollen nicht lange diskutieren, sondern neue Wege einfach ausprobieren."

Neue Chance durch alte Kontakte

Als der Dienstleister Popnet Ende 2001 Insolvenz anmeldete, hat es auch Ralf Papenberg in der Münchner Niederlassung erwischt. Zwar kaufte die große Werbeagentur BBDO die Reste der Internet-Firma auf, übernahm jedoch nur die Mitarbeiter, die Profit brachten. Der Systemadministrator Papenberg gehörte nicht dazu. Große Sorgen machte sich der 35-Jährige nicht: Schließlich hatte er im Gegensatz zu vielen Quereinsteigern ein abgeschlossenes Informatikstudium vorzuweisen und auch zehn Jahre einschlägige Berufserfahrung. "Ich dachte, ich bekomme ganz schnell wieder einen Job. Aber da hatte ich mich geirrt." Seine sehr guten Zeugnisse und die Tatsache, dass er ein sehr umgänglicher Typ ist, halfen in der Krise wenig.

Obwohl er sich meist online auf ausgeschriebene Stellen bewarb, musste er mitunter Wochen warten, bis er eine Eingangsbestätigung bekam. Oft hatte er 200 oder mehr Mitkonkurrenten um eine Stelle, eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch war da schon ein Erfolg, wenn auch ein seltener. Manchmal war der neue Arbeitsplatz zum Greifen nah, dann wurde die Stelle doch intern besetzt. Auch vom Arbeitsamt konnte Papenberg keinerlei Hilfe erhoffen: "Die haben keine Stellen und lassen einen in Ruhe." Monatelang arbeitslos, und das in der Hightech-Region München - der Systemadministrator war frustriert und begann an sich zu zweifeln: "Manchmal dachte ich auch, dass ich mit 35 Jahren schon zu alt oder auch zu teuer bin." Er begann sich bundesweit umzuschauen und auch in seinem größeren Bekanntenkreis nach Möglichkeiten zu suchen. Als ihm ein Bekannter eine Stelle als Systemadministrator bei der Karlsruher Map & Guide GmbH anbot, griff er zu. Heute arbeitet Papenberg für den mittelständischen Softwarehersteller für Routenplanung und bereut den Umzug nach Karlsruhe nicht: "In Zeiten wie diesen darf man bei der Jobwahl nicht örtlich begrenzt sein. Hochs und Tiefs wechseln sich in der IT-Branche ab, da muss man durch. Man muss auch Abstriche machen können."

Öffentlicher Dienst als Alternative

Thomas Schmitz ist 44 Jahre alt und einer der vielen Quereinsteiger in der IT-Branche: Nach seinem Pädagogikstudium war er zunächst fünf Jahre in er Behindertenarbeit tätig, bevor er sich zum Informatikassistenten umschulen ließ. Dann arbeitete er acht Jahre für ein Softwarehaus als Trainer und später Systemadministrator, wofür er sich zum Certified Novell Administrator (CNA) und Microsoft Certified Systems Engineer (MCSE) zertifizieren ließ. Dass schon seine zweite Bewerbung zum Erfolg führte und er heute als Systemadministrator an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg arbeitet, ist für Schmitz kein Zufall.

Obwohl ihm sein vorheriger Job gut gefiel und er auch aus anderen Gründen nicht gezwungen war, einen neuen Arbeitgeber zu suchen, beobachtete er zwei Jahre lang den Arbeitsmarkt. "Ich wollte zur richtigen Zeit wechseln, das heißt, bevor ich 50 Jahre bin. Denn dann ist es oft zu spät", so Schmitz. Also studierte der Systemadministrator viele Stellenanzeigen und glich sie mit seinem Profil und seinen Wünschen ab. Nur wenn die Übereinstimmung groß war, bewarb er sich auch. Für Schmitz hat die Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg und damit der öffentliche Dienst gepasst. "Mir ist es wichtig, dass die Arbeitszeit flexibel ist und auch kalkulierbar bleibt", sagt der Vater zweier kleiner Kinder. Dafür nimmt er auch das starre Gehaltsgefüge, die manchmal etwas schwerfälligeren Abläufe und die begrenzten Karriereperspektiven in Kauf: "Da ich in meinem Fachbereich der einzige Systemadministrator bin, kann ich nicht mehr aufsteigen." Als positiv empfindet er auch, dass sein Alter nicht als Nachteil, sondern im Sinne einer längeren Berufserfahrung und Kontinuität als Vorteil gesehen wird - schließlich kann sich der Arbeitgeber sicher sein, dass Schmitz seine Stelle weniger als Übergangslösung denn als langfristiges Engagement begreift.

Marketing in eigener Sache

Mit der Selbständigkeit erfüllte sich Bernd Stähler einen lang gehegten Wunsch. Zuletzt hatte der Maschinenbauingenieur 13 Jahre als Service-Manager für einen internationalen IT-Dienstleister in Köln gearbeitet, bis dieser umstrukturierte und ihn vor die Wahl stellte: Versetzung nach München oder Auflösungsvertrag. Der heute 43-Jährige entschied sich im September 2001 für den zweiten Weg, zumal ihm die komfortable Abfindungssumme und die guten Kontakte einen weichen Start in die Selbständigkeit zu ebnen schienen. Doch bald musste Stähler erkennen, dass er als IT-Berater nicht die Projekte an Land ziehen konnte, die er sich gewünscht hätte: "Als Einzelkämpfer dürfen Sie kein ERP-System einführen, sondern nur eine DFÜ-Verbindung einrichten oder Hardware und Software beschaffen."

Da die Geschäfte zudem mehr schlecht als recht liefen, machte er sich nach einem Jahr auf Jobsuche - mit zunächst ernüchternden Erfahrungen: "Meine ersten Bewerbungen wurden abgelehnt, und ich bekam nicht einmal den Grund genannt, obwohl ich telefonisch nachhakte." Doch Stähler ließ sich nicht entmutigen und änderte seine Bewerbungsstrategie: Zunächst informierte er sich über Presse und Internet, welche Firmen zu ihm passen könnten und wo diese präsent waren. "Als besonders ergiebig entpuppten sich die Veranstaltungen der Industrie- und Handelskammer", erinnert er sich. "Die sind meist kostenlos und werden branchen- und themenbezogen angeboten. Ein Vorteil ist, dass man dort Kontakte zu den Vertretern der Firmen in der Region knüpfen kann, die fast alle in der IHK sind."

Die Rechnung ging auf: Nach vier Bewerbungen, bei denen sich Stähler jeweils auf das Gespräch mit einem Firmenvertreter während der IHK-Veranstaltung bezog, kamen drei Einladungen zum Vorstellungsgespräch zurück - und das, obwohl keine der Firmen eine vakante Stelle ausgeschrieben hatte. Heute arbeitet er als Sales-Manager für die Thales Information Systems GmbH, eine Unternehmensberatung, die sich auf Standardsoftware spezialisiert hat. Stählers Fazit: "Es reicht nicht mehr, 40 Bewerbungen abzuschicken und zu warten, bis sich eine Firma meldet. Vielmehr kommt es darauf an, einen Bedarf zu sehen oder zu wecken. Man muss seine Arbeitsleistung wie ein Produkt vermarkten und beispielsweise schon im Anschreiben deutlich machen, warum die eigene Person einen Mehrwert für die Firma bringen könnte."

Zurück in die Old Economy

Früher ging Jan Ackermann auch in die Arbeit, um Freunde zu treffen. Heute geht er dorthin, um zu arbeiten. Eine Veränderung, den sein Wechsel von Unternehmen der New Economy zum "Tanker" Thyssen Krupp unweigerlich mit sich brachte, die er aber im Nachhinein begrüßt. Obwohl erst 26 Jahre jung, hatte der studierte Wirtschaftsinformatiker drei Jahre lang das Auf und Ab der IT-Branche hautnah miterlebt. Ein Jahr, nachdem er bei dem Internet-Dienstleister Marchfirst seine Diplomarbeit geschrieben und erste Berufserfahrung gesammelt hatte, fand sich Ackermann als umworbener Kandidat auf einer Recruiting-Veranstaltung in Berlin wieder. In zwei Tagen führte er Vorstellungsgespräche mit 13 Firmen und entschied sich im Oktober 2000 für die Concept AG. Doch eineinhalb Jahre später wurde Concept von der Werbeagentur Ogilvy gekauft, und die Aufgaben des technischen Projektleiters Ackermann verloren zunehmend ihren IT-Bezug: "Ich wollte nicht nur schicke Web-Seiten basteln, sondern mein Wissen aus dem Studium über Datenbanken, SAP-Software etc. einbringen." Dass er das seit März 2002 bei Thyssen Krupp Nirosta, der Edelstahl-Tochter des Konzerns, in der Stabsabteilung E-Business tun kann, verdankt er auch dem richtigen Zeitpunkt.

Der IT-Arbeitsmarkt stellte sich für den jungen Wirtschaftsinformatiker noch so dar, dass sich ihm dank seines schnellen Studiums und Praxiserfahrung durchaus Chancen boten. Zwar waren Recruiting-Veranstaltungen, auf denen Bewerber unter Arbeitgebern wählen konnten, bereits selten. Stattdessen musste er sich in Zeitungen und Internet genau über Unternehmen informieren und in Jobbörsen nach Offerten suchen. "Wahllose Bewerbungen machen keinen Sinn", so die Erfahrung des 26-Jährigen. "Es ist zum Beispiel wichtig, die Geschäftsprozesse der Branche zu kennen." Die Firmen fühlten ihrem Bewerber genau auf den Zahn. Zwei, oft auch drei Vorstellungsgespräche waren die Regel. "Die Unternehmen überlegen sich einfach gründlicher, ob sie jemanden einstellen", so Ackermann. Teilweise wurde auch ums Gehalt gefeilscht. Dennoch hatte Ackermann Glück und musste hier keine Abstriche machen. Er arbeitet auch nicht mehr bis 22 Uhr, sondern bis 18 Uhr. Das strukturiertere Arbeiten empfindet er als Bereicherung, ebenso wie die Vielfalt der Themen, mit denen er sich bei Thyssen Krupp Nirosta auseinander setzen muss: angefangen von E-Procurement über Management-Informationssysteme bis hin zu Marktplätzen und Content-Management-Lösungen.