Wie Internet und Web 2.0 das Marketing verändern

05.09.2007
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

In Marketing-Kreisen wird derzeit häufig die sich verringernde Effektivität der TV-Werbung diskutiert. Laut McKinsey ist das lediglich ein Symptom für grundlegende Veränderungen, nicht aber da eigentliche Problem. Neu und herausfordernd ist für Unternehmen die Art und Weise, wie Konsumenten sich über Produkte informieren und diese beschaffen. In Kategorien wie Elektronik, Finanzdienstleistungen oder Gesundheit ignorieren die Anwender zunehmend das herkömmliche Push-Marketing und informieren sich stattdessen aktiv im Internet. Mehr als die Hälfte der Elektronik-Käufer in den USA verlassen sich im Vorfeld eines Kaufs auf die Ergebnisse ihrer Internet-Recherche und ignorieren die Ratschläge des Verkaufspersonals in den Elektronikläden. Im Jahr 2005 hat sich rund die Hälfte derjenigen, die ein Versicherungsprodukt gekauft haben, vorab im Netz schlau gemacht, bevor der Kontakt zu einem Agenten zustande kam. Und fast 60 Prozent der Baby-Boomer-Generation holt ergänzend zu ärztlichen Diagnosen und Ratschlägen Informationen im Internet ein.

Das veränderte Konsumentenverhalten hat enorme Auswirkungen, auf die Firmen nur schleppend reagieren. In Zukunft entwickelt sich das untere Marktsegement – nicht zuletzt aufgrund der starken Nachfrage aus den Emerging Markets - stark, dasselbe gilt für das konsumfreudige High-end. Im breiten mittleren Marktsegment herrscht Stagnation. In der Folge sind einerseits preiswerte, zeitsparende "Facts-only"-Verkaufsansätze gefragt. Zum anderen müssen höherwertige, serviceorientierte Ansätze über alternative Distributionskanäle realisiert werden.

Marketing-Manager kämpfen an vielen Baustellen – und immer gegen die Uhr.
Marketing-Manager kämpfen an vielen Baustellen – und immer gegen die Uhr.
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Die Herausforderungen für Marketiers sind vielfältig: Beispielsweise ist es vielen Anbietern bislang nicht gelungen, ihre Klientel in der gewünschten Breite über das Web zu erreichen. Die Folge sind fragmentierte Werbeausgaben und manchmal auch gestiegene Kosten. Schwierig stellt sich außerdem oft die interdisziplinäre Zusammenarbeit dar: Sollen höhere Wertbeiträge für den Kunden entwickelt und erbracht werden, muss die Kommunikation mit anderen Funktionen im Konzern stimmen. Wenn etwa bei einem Anbieter von weißer Ware der Marketier die veränderten Kundenanforderungen erkennen und darauf reagieren will, braucht er die Unterstützung von Produktion und Vertrieb. Die Einbindung von Third Partys ist ein weiteres Problem: Ihr Einfluss auf das Marketing und den Ruf des Unternehmens wächst rasant.

Unbekanntes Terrain ist für viele Marketiers alles, was im Zusammenhang mit Web 2.0 steht. User-generierte Inhalte in Blogs, Meinungsforen oder auf Video-Sharing-Sites stehen bereits für ein Drittel des Traffics, der auf den 100 meistbesuchten Websites der USA generiert wird. Was für Konsumenten gut ist, birgt für Unternehmen enorme Risiken. Einzelpersonen oder Organisationen mit bestimmten Interessen können – auch wenn sie ein Produkt gar nicht verstehen oder bloß destruktiv wirken wollen – einen enormen Einfluss ausüben. Sie sind in der Lage, das Image eines Unternehmens stärker zu manipulieren als es die eigene Marketing-Abteilung jemals schaffen würde.