Wie IBM mit ECM in den Mittelstand will

01.11.2007
Anwender erwarten Lösungen und Services zum Festpreis sowie Lokalisierung, aber keine Innovationen.

Seit kurzem bietet IBM in Deutschland zusammen mit Partnern Lösungen für Enterprise-Content-Management (ECM) an, die sich speziell an kleinere und mittelständische Unternehmen richten. Sie sollen zunächst die Anwendungsgebiete Workflow-Management, E-Mail- sowie SAP-Archivierung abdecken. Zum Lieferumfang gehören neben der ECM-Software darauf abgestimmte Hardware und Dienstleistungen (Beratung, Implementierung). Benedict Geissler, bei IBM verantwortlich für das Mittelstands- und Partnergeschäft, betont zudem wie wichtig die Lokalisierung der Software ist. Eine digitale Personalakte oder der Rechnungseingang seien hierzulande anders aufgebaut als in den USA. Ebenso gebe es unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen, Formate, steuerliche Gegebenheiten sowie Arbeitsweisen, die zu beachten sind: "In Deutschland muss ein Sachbearbeiter mehrere Aufgaben zur gesamten Bearbeitung einer Rechnung erledigen, in den USA tut er immer das Gleiche." Neu sei auch, dass man Kunden vom ersten Workshop bis zur Entscheidung für den Einsatz eines Produkts "Exit Points" lasse, sprich: der Anwender könne stets entscheiden, ob er weitermachen will oder es bei der Beratung belässt.

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was die neuen Mittelstandspakete der IBM dem Mittelstand bringen;

wo IBM die Vorteile gegenüber Konkurrenzprodukten sieht;

wie sich künftig das Partnermodell verändern wird.

Im Einzelnen unterscheiden sich die Lösungspakete in ihrem Umfang erheblich. So schafft IBM mit dem Paket zur E-Mail-Archivierung und -Verwaltung für Lotus Notes und Microsoft Exchange eine Lösung mit aufeinander abgestimmter und integrierter Software- und Hardware, die auch als "Appliance" bezeichnet wird. Als Software kommt das bisherige Produkt "IBM Content Manager Commonstore" für Lotus Domino beziehungsweise Microsoft Exchange zum Einsatz. Es verfügt über automatische, Richtlinien-basierende und benutzergesteuerte Archivierungsfunktionen und ermöglicht ein Abrufen über den Lotus-Notes- beziehungsweise Outlook-Client. Als Hardware dient der "x3650 Server" von IBM, der mit Intel-Xeon-Quadcore-Prozessoren bestückt ist. Er ist laut Hersteller speziell für Aufgaben wie ECM, Virtualisierung, ERP oder Datenbankanwendungen entwickelt worden. Ihm zur Seite steht die Speicherkomponente "Storage DR550", die eine nicht löschbare und nicht veränderbare Datenspeicherung gestattet.

ECM-Appliance

Laut Daniel Holz, Business Unit Leader Enterprise Content Management bei IBM Deutschland, liegt Anwendern an einer weitgehend automatisierten Systemkonfiguration. Andere Hardware einzusetzen würde daher die Vorteile schmälern. Die Lösung für E-Mail-Archivierung ist in verschiedenen Konfigurationen erhältlich: Das Start-Paket für 100 Mailboxen kostet 19 483 Euro, das Small-Paket für 250 Mailboxen mit 5 TB Nettoarchivkapazität 43 243 Euro und das Medium-Paket für 250 Mailboxen mit 8 TB Archivkapazität 57 238 Euro.

Hoffen auf Upgrades

Alle Preise verstehen sich inklusive Hardware und zuzüglich Mehrwertsteuer. Das Paket lässt sich ferner durch weitere IBM-Produkte zu einer umfassenden Archivierungslösung ausbauen, die sämtliche Unternehmensinformationen wie digitalisierte Korrespondenz, Office-Dokumente, Faxe, Präsentationen, Audio- und Videodateien verwalten könnte. Ebenso ist eine Anbindung an die SAP-Umgebung zur Dokumenten- und Datenarchivierung möglich.

Keine Hardware enthält hingegen das Paket "IBM ECM Business Process Enabler". Es soll mittelständischen Unternehmen den Einstieg in ein Dokumenten-zentriertes Business-Process-Management (BPM) erleichtern und umfasst neben der Software vor allem Beratungsdienstleistungen. So können Interessenten zunächst zusammen mit dem IBM-Partner ISR Information Products AG aus Braunschweig einen Workshop von fünf bis sieben Tagen (sowie Vor- und Nachbereitung) zum Fixpreis von 7000 Euro kaufen. In diesem werden Dokumenten-zentrische Prozesse identifiziert und in einem Konzept festgehalten. Will der Kunde danach weitermachen, folgt die Implementierung. ISR übernimmt in diesem Szenario die Prozessmodellierung und steuert ihr Wissen um kaufmännische Prozesse bei. IBM tritt hingegen als Infrastrukturanbieter auf und stellt die Produkte "IBM/Filenet Content Manager" als Repository und "IBM/Filenet Business Process Manager" als BPM-Komponente bereit. Beide setzen einen Java-Applikations-Server wie "IBM Websphere" oder "Bea Weblogic" als Laufzeitumgebung voraus. Zum Lieferumfang gehören Konnektoren, die laut Manager Holz einen Großteil der Anforderungen mittelständischer Firmen bei der Datenintegration abdecken, sowie vordefinierte Workflows von ISR, die sich allerdings nur auf den Rechnungseingang beziehen. Da die Konfigurationen der Software je nach Integrationsszenario sehr unterschiedlich aussehen können, variieren laut Manager Geissler auch die Lizenzpreise, die sich nach "Concurrent Usern" errechnen.

SAP-Anwender umwerben

Der spezielle Vorteil des Pakets "Content Management für SAP" erschließt sich dagegen nicht. Auch dieses Angebot umfasst Dienstleistungen und Workshops sowie Software, jedoch keine Hardware. Es basiert auf dem bisherigen Produkt "IBM Content Manager Commonstore for SAP" und dient dem Zugriff und der Archivierung von SAP-Dokumenten. Manager Holz räumt ein, dass das Angebot im Vergleich zu anderen ECM-Produkten, die über eine SAP-Integration verfügen, funktional keine wesentlichen Vorteile bietet. Diese lägen eher in der Zukunftssicherheit des Produkts sowie in der Option, es mit weiteren IBM-Produkten zu einer unternehmensweiten Infrastrukturlösung auszubauen: "Letztlich dient das Angebot einem reinen Verdrängungskampf und der Ablösung von Konkurrenzprodukten", gesteht Holz.

Suche nach Partnern

Bei der Vermarktung will IBM auch hier auf Partner setzen, die man derzeit intensiv suche. Die Lizenzierung von Content Management für SAP werde ebenfalls nach Concurrent Usern erfolgen, also nach der Zahl der SAP-Anwender, die gleichzeitig das Archiv nutzen. IBM will in den kommenden Monaten weitere Lösungspakete vorstellen, darunter zusammen mit dem Partner Aconso aus München eines zum Aufbau einer "digitalen Personalakte". Zudem wurde kürzlich zusammen mit dem Partner Cenit aus Stuttgart ein als "Komplettpaket für Einsteiger" bezeichnetes Paket vorgestellt. Es kombiniert IBMs Server- und Speichersysteme mit der Cenit-Software zur Aktenverwaltung "Cenit Eworks" und wird durch Dienstleistungen ergänzt.

Neues Partnermodell

Auslöser und Treiber der ECM-Initiative im Mittelstand sind vor allem zwei Faktoren: die Mittelstandsstrategie der IBM Software Group, die hierzulande durch Geschäftsführer Martin Jetter forciert wird und nun auch das ECM-Geschäft erreicht hat, sowie der Kauf des Konkurreten Filenet im letzten Jahr. Filenet hatte laut Manager Holz bereits ein gutes Partnernetz für den Mittelstand, das IBM nun insbesondere beim Thema BPM, aber auch auf den anderen Anwendungsfeldern voranbringen kann. So finden sich hierzulande 15 Filenet-Partner, zu denen auch ISR gehört. Bisher seien die Partnermodelle von IBM und Filenet "noch zwei Welten", so Holz. Dies soll sich aber bis zum kommenden Jahr ändern. So biete Filenet seinen Partnern Vertriebsressourcen, technische Hilfe sowie Marketing-Unterstützung und "attraktive" Margen. Dieses "partnerfreundliche Modell" will IBM in sein eigenes Modell "Pass-port Advantage" integrieren.

Die Fusion und die damit einhergehende Auswahl zusätzlicher Partner soll Big Blue künftig nicht nur bei der Vermarktung im Mittelstand helfen: "Kunden müssen künftig nicht erst ein IBM-Rechenzentrum aufbauen, um ECM einzusetzen." Parallel zu den neuen Mittelstandsangeboten geht laut Manager Holz der Vertrieb bisheriger Einsteiger- und Mittelstandsprodukte für ECM wie der "DB2 Content Manger", Standard Edition, oder der "DB2 Document Manager" für Domino weiter. "Diese sind in erster Linie vergünstigte Versionen vorhandener Enterprise-Produkte mit gleicher Funktionalität."

Starke Konkurrenten

Ob diese Neuordnung des Partner- und Lösungsgeschäft mittelständische Kunden dazu bewegen wird, bei ECM statt auf etablierte Anbieter wie Saperion, Elo Digital Office, Easy Software und andere künftig auf IBM/Filenet zu setzen, bleibt abzuwarten. Nur bei dem Appliance-Angebot und dem Paket von Cenit lässt sich unmittelbar ein funktionaler Mehrwert gegenüber dem bisherigen Angebot erkennen, den Mittelständler schätzen werden. Zudem können viele IBM-Konkurrenten ebenfalls Partner vorzeigen und vor allem Branchenwissen, das gerade im Mittelstand ein wesentliches Kriterium bei der Projektvergabe ist. Der Wettlauf zum Kunden wird sich daher wohl vor allem über den Preis und über Anreize für Partner entscheiden. Holz für seinen Teil ist optimistisch und rechnet mit einem Umsatzzuwachs von 20 Prozent im nächsten Jahr.