Wissensarbeit im Wandel

Wie Graph-Techniken die Arbeitswelt revolutionieren

20.02.2015
Von 
Karin Sondermann verfügt über 20 Jahre Erfahrung in leitenden Positionen bei führenden internationalen Software Herstellern wie Microsoft, PeopleSoft, SAP und Nemetschek. Heute unterstützt sie als freiberuflicher Analyst und Senior Advisor Softwareanbieter in der Markteinführung skalierbarer Cloud-Geschäftsmodelle sowie Anwenderunternehmen im Projekt-Management ihrer hybriden Business- und IT-Strategie. Als Principal Analyst bei der Techconsult GmbH berät sie in Bereichen wie Social Business Collaboration, Mobile Computing, Analytics und Cloud Computing. Darüber hinaus ist sie Mitglied der Expertenjury von "Best in Cloud" und engagiert sich beim Bitkom in Arbeitskreisen zu Cloud Computing und BPM/SOA.

Was ermöglichen Graph-Technologien

Foto: Sergey Nivens - Fotolia.com

Derzeit erleben wir eine Erweiterung von traditionellen, linear strukturierten Anwendungssystemen auf Basis relationaler Datenbankstrukturen, hin zu vernetzten Systemen basierend auf Graph-Technologien gepaart mit semantischen Suchalgorithmen und Web-2.0-Fähigkeiten. Gleichzeitig gewinnen im Zeitalter von Big Data und Cloud Computing die so genannte NoSQL-Storage Systeme wie "Amazon S3" und "Azure Blob Storage" von Microsoft rasend an Bedeutung.

Geht es um große, verteilte und unstrukturierte Datenmengen sind Graph-Technologien den traditionellen Datenbanksystemen meist haushoch überlegen. Das etablierte, relationale Modell besteht vereinfacht dargestellt aus einer Sammlung von Tabellen (Relationen), die über Indizes verknüpft sind und in deren Zeilen Datensätze abgespeichert werden. Je größer die Datenmenge ist und je komplexer die Beziehungen zwischen den Datentabellen werden, umso länger dauern die Auswertungen und die Berechnung der Ergebnisse. Diese Systeme sind für linear strukturierte Anwendungen gut geeignet. In verteilten und vernetzten Welten mit unstrukturierten Informationen wie bei Social Networks oder Collaboration-Anbietern sind die relationalen Modelle überfordert.

Facebook, Twitter, Xing und Co. sind Vorreiter

Die Vorreiter in der Anwendung von Graph-Technologien sind populäre Social-Network-Anbieter wie Facebook, Xing, Twitter, Yammer oder Google+, um nur einige Beispiele zu nennen. All diese Systeme haben eine große Anzahl an Nutzern gepaart mit einem unüberschaubar verwobenen Beziehungsgeflecht zwischen den Teilnehmern, die bei Bedarf in Sekundenschnelle zu den unterschiedlichsten Auswertungen kombiniert werden können.

Technisch basiert beispielsweise Facebook auf dem Social Graph, eine Graph-Implementation, die selbstlernend passende Informationen und Beziehungen von Menschen sucht und aufbereitet. Die für einen Graph typischen Entitäten oder Knoten repräsentieren hier Menschen. Jedem Knoten wird dabei der Name der Person zugeordnet. Die Verbindungslinien zwischen den Knoten repräsentieren den Typ der Beziehungen, wie "gefällt mir" oder "ist befreundet mit" etc. Weitere Anwendungsbeispiele für Graphen sind Stammbäume mit Familienangehörigen, Streckenpläne des öffentlichen Nahverkehrs, IT-Netzwerkstrukturen oder auch geschäftliche Prozessabläufe im BPM (Business Process Management).

Graph-Techniken sind selbstlernend

Graph-Technologien verwalten nicht nur große Informationsmengen, sondern bilden ein multidimensionales Netz und arbeiten wie das menschliche Gehirn in Kontexten, sind somit nicht isoliert. Unschlagbar sind Graph-Konzepte in der leichten Anpassungsfähigkeit und Geschwindigkeit, denn Entitäten oder Knoten werden definiert, ihre Beziehungen hinzugefügt, die Eigenschaften beschrieben und alles steht sofort zur Verfügung.

Das eigentliche Datenmodell ist selbstbeschreibend, alle Abfragen beginnen an einem Knoten und folgen sofort den vorhandenen Beziehungen zwischen den jeweiligen Knotenpunkten. Im Verlauf der Nutzung werden Knoten und Beziehungen immer intelligenter und erweitern sich permanent dynamisch, das heißt die Systeme sind selbstlernend und das Ganze ohne aufwendige Programmierung. Zum Zeitpunkt der Abfrage werden alle zur Verfügung stehenden Informationen hinsichtlich Knoten, Beziehungen und Metadaten online ausgewertet und sofort genutzt. Berechnungen oder Interpretationen von Source Code während der Laufzeit erübrigen sich damit.

Schubkraft für die digitale Transformation

Das ermöglicht Echtzeitabfragen und damit sofortige, exakte und nutzbringende Ergebnisse für Entscheidungsgrundlage und weitere Interaktionen. Analytische Auswertungen großer Datenmengen, intelligentes Wissens-Management und semantische Collaborations-Plattformen nutzen diese Systeme und fördern die Geschwindigkeit der digitalen Transformation. Die Intelligenz derartiger Systeme kann auch dazu führen, dass Mitarbeiter von Routinearbeiten im Alltag entlastet werden, denn adaptive BPM-Systeme nutzen derartige Technologien. Auch Wissensarbeiter können sich letztlich intensiver um ihre Kernaufgaben kümmern, wenn sie diese intelligenten und semantischen Wissenssysteme nutzen.

Sicher ist: Durch das Internet und die Social Networks wird die Vielfalt der Informationen, die Komplexität der Datenstrukturen und der Grad der Vernetzung in den kommenden Jahren rasant zunehmen. Dabei befinden sich die Informationen und Daten nicht mehr nur noch auf einem zentralen IT-System, sondern sind über verschiedene Supercomputer verteilt und bilden so ein endloses Netz an Wissen. Diese Trends sind mit etablierten relationalen Datenbanksystemen nicht mehr zu beherrschen, auch nicht durch zusätzliche CPU-Power.

Einige innovative Unternehmen setzten bereits auf Graph-Technologien gekoppelt mit semantischen Such- und Web-Technologien, um die Herausforderung der skalierbaren Verarbeitung komplexer verteilter Datenstrukturen vom Kern heraus anzugehen.

So ist beispielsweise "Office Graph" von Microsoft eine Symbiose aus "Enterprise Graph Yammer", Konzepten der Suchmaschine "Bing" und den Denkmustern von "FAST Search". Ein persönlicher Assistent stellt über einen selbstlernenden Algorithmus Informationen und Dokumente zusammen und präsentiert diese über die grafische Benutzeroberfläche "Delve" zum Anwender.

Auch innovative und junge Softwareanbieter aus Deutschland haben diese neuen Möglichkeiten bereits für sich erkannt - etwa NeoGeo mit TimeContext - und entwickeln neuartige skalierbare Software Lösungen, die sie zugleich als flexible Online-Dienste (SaaS) dem Markt bereitstellen.