Little Brother im Heimbüro

Wie freiberufliche Programmierer in den USA überwacht werden

17.02.2009
Von Constantin Gillies

Bei der Gewerkschaft Verdi sieht man die amerikanischen Umtriebe gelassen. "Bei uns ist der Markt anders. Freie haben eine gute Verhandlungsposition", erklärt Gunter Haake, Geschäftsführer der Selbständigenberatung mediafon, Berlin. "Im hochqualifizierten Bereich wird sich so etwas niemand bieten lassen", ist der Gewerkschaftler überzeugt.

Diskutiert wird das Modell von oDesk freilich schon in der deutschen IT-Szene. Dabei nehmen die Profis vor allem daran Anstoß, wie das Überwachungssystem die Produktivität misst - nämlich über die reine Anwesenheit am Rechner. "Das funktioniert nicht bei der Art, wie ich Projekte bediene. Die schließt nämlich teilweise Stunden ein, in denen kein einziger Tastenschlag getan wird", schreibt ein Programmierer im Forum von Gulp, einem Portal für IT-Freelancer. Ein anderer pflichtet bei: "Tippen macht nur 50 Prozent meiner Arbeit aus." Andere sehen in Plattformen wie oDesk gar eine Form der "elektronischen Sklaverei" heraufdämmern.

Wie misst man Nachdenken?

Auch Stephan Eichenlaub hält nichts von dieser Art der Leistungserfsssung. "Wie misst man Nachdenken? Wenn ich viel klicke, aber die Aufgabe nicht wirklich verstanden habe, was dann?", gibt der freiberufliche Diplom-Informatiker aus Mandelbachtal-Ommersheim zu bedenken. Außerdem sei die Arbeit mit komplexer Software trotz aller Anstrengungen nicht messbar oder vorhersagbar. "Die Suche nach einem Fehler im Code etwa kann eine halbe Stunde dauern - oder manchmal auch eine Woche", so Eichenlaub, der zuletzt für ein Telekommunikationsunternehmen ein Data Warehouse entwickelt hat. Geht es also ganz ohne Überwachung? Der 45-Jährige zieht soziale Kontrolle dem Zählen von Tastaturklicks vor: "Die Kontrolle erfolgt dadurch, dass man über den Projektfortschritt im Gespräch bleibt."

Programmieren: Kunst oder schnödes Handwerk?

Eine Alternative zu Stechuhrmethoden wie bei oDesk wären Festpreise, doch die sind bei Freelancern nicht sonderlich beliebt: 83 Prozent bevorzugen eine Entlohnung auf Stundenbasis, ergab eine Studie von Gulp. Nur zehn Prozent wünschen sich ein Fixum. Im Schnitt liegt der Stundenlohn eines selbständigen Informatikers derzeit bei 71 Euro (Stand August 2008). Eine gezielte Kontrolle durch den Auftraggeber findet meist nicht statt, eher eine Art von Plausibilitätprüfung: War die Anzahl der in Rechnung gestellten Stunden für den jeweiligen Auftrag realistisch?