Auf Wünsche der Mitarbeiter achten

Wie Firmen von maßgeschneiderten Personalkonzepten profitieren

27.10.2014
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Immer mehr Arbeitgeber erkennen, dass differenzierte, individuelle Karrieremodelle helfen, Mitarbeiter zu motivieren und stärker an das Unternehmen zu binden.

Ein maßgeschneiderter Anzug mit farblich abgestimmtem Hemd, Krawatte und Schuhen passt besser als eine wild zusammengestöpselte Garderobe von der Stange. Ähnlich verhält es sich mit Mitarbeiterprogrammen: Eines für alle mag zwar kostengünstig sein, kommt aber in der Belegschaft meist nicht gut an. Gerade in Zeiten, in denen IT-Experten sich gerne von ihren Arbeitgebern umgarnen lassen, erwarten sie auch eine individuelle Förderung.

Mitarbeiter erwarten maßgeschneiderte Personalarbeit mit Angeboten, die ihrer Lebenslage oder ihrem Alter entsprechen.
Mitarbeiter erwarten maßgeschneiderte Personalarbeit mit Angeboten, die ihrer Lebenslage oder ihrem Alter entsprechen.
Foto: nataliafrei - Fotolia.com

Es fehlt an weitsichtiger Personalpolitik

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat knapp 1600 Unternehmen nach ihrer Personalarbeit befragt. Ergebnis: Firmen, die flexibel agieren und ihre Mitarbeiter individuell nach Lebenslage und Alter fördern, erzielen höhere Gewinne und verfügen über gesündere und motiviertere Arbeitskräfte. Allerdings stellten die IW-Wissenschaftler Andrea Hammermann und Oliver Stettes auch fest, dass bisher nur rund acht Prozent der Befragten eine derart weitsichtige Personalpolitik betreiben und sich nur weitere sieben Prozent der Firmen gezielt in diese Richtung bewegen.

Gerade die IT-Branche gilt als innovativ und die Arbeitgeber als kreativ, was neue Personalkonzepte angeht. Schon heute gehen viele auf die individuellen Wünsche ihrer Mitarbeiter ein, investieren in Weiterbildung, zahlen überdurchschnittlich hohe Gehälter und kommen den IT-Experten mit Teilzeitangeboten entgegen. Doch viele fassen ihre Programme (noch) nicht unter dem Schlagwort Lebensphasen-orientierte Personalarbeit zusammen. "Unsere Angebote für die Mitarbeiter sind über die Jahre gewachsen. Angefangen haben wir mit der Initiative 'Beruf und Familie', inzwischen bieten wir für jedes Alter und ganz unterschiedliche Bedürfnisse etwas an", berichtet Datev-Personalchef Jochen Kurz.

Das Software- und IT-Beratungshaus Datev beschäftigt mehr als 6600 Mitarbeiter und zählt in der Metropolregion Nürnberg zu den wichtigsten Arbeitgebern. Jedes Jahr kommen rund 300 neue Mitarbeiter hinzu. "Vor einigen Jahren erhielten wir rund 5000 Bewerbungen pro Jahr für die ausgeschriebenen Stellen und Ausbildungsplätze, inzwischen erreichen uns mehr als 10.000." Eigentlich befindet sich Datev in einer komfortablen Lage, doch Kurz schränkt ein, dass es gerade für IT-Positionen Engpässe gebe: "Wir konnten in diesem Jahr vier Ausbildungsplätze für Wirtschaftsinformatik nicht besetzen."

Datev spricht schon früh potenzielle Talente an und kooperiert mit Schulen in der Region. Ein Förderprogramm unterstützt beispielsweise jedes Jahr zehn Gymnasiasten während ihres Schüleraustauschs in den USA, ein anderes fördert hochbegabte Schüler, die sich für Naturwissenschaften interessieren, und mit rund zehn IT-Ausbildungsplätzen pro Jahr sowie dualen Studienangeboten investiert das Unternehmen in seine Mitarbeiter von morgen. Außerdem lernen rund 300 Werkstudenten während der Semesterferien das Unternehmen kennen und arbeiten auch während des Studiums stundenweise für das Unternehmen.

Jochen Kurz, Datev: "Wir haben uns bewusst gegen Programme wie "50 plus" entschieden, um keine unnötigen Barrieren aufzubauen."
Jochen Kurz, Datev: "Wir haben uns bewusst gegen Programme wie "50 plus" entschieden, um keine unnötigen Barrieren aufzubauen."
Foto: Datev

Gerade weil Datev als verlässlicher und sicherer Arbeitgeber gilt, bleiben viele Mitarbeiter ihr ganzes Berufsleben dort, das Durchschnittsalter der Belegschaft beträgt 48 Jahre. "Die Fluktuation liegt bei unter zwei Prozent, einschließlich der Kollegen, die in Rente gehen", sagt Kurz. Verabschiedeten sich im vergangenen Jahr 80 Mitarbeiter in den Ruhestand, werden es in fünf Jahren schon 240 Neu-Rentner pro Jahr sein. Für den Personalchef heißt das, dass er in den kommenden Jahren für viele Fach- und Führungspositionen Nachfolger finden muss. Am besten sollen sie aus den eigenen Reihen kommen. "Wir qualifizieren schon heute mehr neue Teamleiter", so Kurz.

Flexible Karriereplanung

Feste Termine, wann der nächste Karriereschritt ansteht, gibt es in Nürnberg nicht. Erst nach einigen Jahren im Unternehmen und mit der Empfehlung aus einem erfolgreich absolvierten Assessment-Center beginnt das Führungskräftetraining. "Ob unsere Mitarbeiter eine Fach- oder Führungskarriere einschlagen, entscheidet sich oft erst mit Mitte oder Ende 30", erläutert der Personalchef.

Es klingt also vernünftig, Personalentwicklungs-Programme aufzulegen, die auf Alter und Lebensumstände der Belegschaft Rücksicht nehmen. Doch die Praxis sieht anders aus. Nach Recherchen der IW-Wissenschaftler fehlt gerade kleineren Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern ein flexibles Konzept. Größere Unternehmen hätten es leichter, auf individuelle Wünsche einzugehen und etwa unterschiedliche Arbeitszeitmodelle anzubieten.

Datev-Personalchef Kurz verschweigt nicht, dass besonderes Fingerspitzengefühl notwendig ist, damit sich niemand diskriminiert fühlt: "Wir haben uns bewusst gegen Programme wie '50 plus' oder 'Ältere Mitarbeiter' entschieden. Wir wollen weder Mitarbeiter einer Altersstufe über einen Kamm scheren noch durch derartige Bezeichnungen Barrieren aufbauen."

Altersteilzeit bleibt daher in Nürnberg zumindest unter diesem Titel tabu, auch wenn es vergleichbare Angebote unter einem anderen Namen gibt. Das vor drei Jahren initiierte Sabbatical-Programm wurde beispielsweise auf unterschiedliche Lebensphasen zugeschnitten. Häufig nutzen es jüngere Mitarbeiter, um eine umfangreiche Weiterbildung oder Promotion anzugehen, andere träumen schon lange von einer Weltreise, und es gibt Beschäftigte, die sich für die Pflege von Angehörigen Zeit nehmen möchten.

"Diversity ist mehr als Frauenförderung"

International agierende Firmen orientieren sich in ihrer Personalpolitik an globalen Trends. Die USA oder Kanada gelten als Länder, in denen gut qualifizierte Einwanderer willkommen sind. Für den Computerhersteller Dell stehen deshalb Diversität und die Förderung von Frauen ganz oben auf der Agenda. Das im texanischen Austin angesiedelte Unternehmen, das sich inzwischen wieder im Privatbesitz des Gründers Michael Dell befindet, beschäftigt in Deutschland rund 1000 Mitarbeiter in München, Frankfurt am Main und Halle an der Saale. "In den USA sind wir beim Thema Diversity und Frauen in Führungspositionen schon viel weiter als in Europa", räumt Doris Albiez, Vice President und General Manager von Dell in Deutschland, ein.

Doris Albiez, Dell: "In den USA sind wir beim Thema Diversity und Frauen in Führungspositionen schon viel weiter als in Europa."
Doris Albiez, Dell: "In den USA sind wir beim Thema Diversity und Frauen in Führungspositionen schon viel weiter als in Europa."
Foto: Dell

Mit unterschiedlichen Programmen, Trainings oder Hilfe beim Netzwerken versucht das Unternehmen, talentierte Mitarbeiterinnen zu entdecken und zu fördern. "Viele Frauen zögern noch zu lange, wenn sich intern eine Position für den nächsten Karriereschritt bietet", beschreibt Albiez die aktuelle Situation. Doch die IT-Managerin und ihre Kollegen hätten bald bemerkt, dass zu eng zugeschnittene Angebote den Unmut der Ausgeschlossenen weckten. "Diversity ist mehr als nur Frauenförderung. Wir öffnen inzwischen die Diskussionen und Netzwerktreffen auch für interessierte Männer", erläutert Albiez. Die Geschäftsführerin verspricht sich von mehr Offenheit zusätzliche Impulse.

Grundsätzlich sieht die Managerin in der gezielten Unterstützung von weiblichen Angestellten eine große Chance. "Dass wir bei Dell mehr Frauen in den Führungsetagen brauchen, ist im Unternehmen allgemein anerkannt", erläutert Albiez, die selbst seit mehr als 30 Jahren in der IT-Branche arbeitet. "Wenn männliche Führungskräfte aus dem Marketing oder der Personalabteilung weibliche Talente stärker fördern, kommt das allen in der Firma zugute."

Darauf sollten Unternehmen in ihrer Personalpolitik achten

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat drei Muster herausgearbeitet, durch die sich erfolgreiche Firmen mit einer an Lebensphasen orientierten Personalpolitik auszeichnen. Unternehmen, die auf allen drei Feldern überzeugen, gelten als innovativer, leistungsstärker und wirtschaftlich erfolgreicher.

1. Als komplementäre Personalpolitik bezeichnen die IW-Wissenschaftler Maßnahmen, die alle Aspekte von der Personalgewinnung über die Karriereplanung und Qualifizierung bis zum Übertritt in die Rente eines Mitarbeiters umfassen.

2. Die bedarfsgerechte Personalpolitik analysiert zusätzlich die Bedürfnisse der Mitarbeiter und sucht, soweit es sich mit dem Geschäftsmodell in Einklang bringen lässt, nach Lösungen, wie diese Wünsche auch erfüllt werden können. Schließlich erreichen Arbeitgeber nur dann die selbst gesteckten Ziele, wenn die Beschäftigten mitziehen.

3. Schließlich setzen Unternehmen eine Lebensphasen-orientierte Personalpolitik um, indem sie flexible Programme anbieten, die auf die wechselnden Lebenssituationen der Mitarbeiter zugeschnitten sind.