Wie eignet sich SOA für den Mittelstand?

01.12.2008
Von 
Vice President Software & SaaS Markets PAC Germany
In einer Umfrage untersuchte die COMPUTERWOCHE, ob und wie mittelständische Firmen Service-orientierte Architekturen nutzen.

Softwarehäuser, die SOA-fähige Produkte anbieten, wollen auch mittelständische Firmen von deren Vorzügen überzeugen. Doch Betriebe dieser Größe verlangen einerseits nach flexibler Unternehmenssoftware, andererseits fehlt ihnen oft das nötige Geld und Personal, um SOA-Umgebungen in Eigenregie zu gestalten und zu betreiben. Wie Softwareanbieter den Markt für SOA im Mittelstand einschätzen und wie sie den Unternehmen die Vorteile der Service-Orientierung schmackhaft machen wollen, hat die computerwoche in einer Befragung herausgefunden, an der sich zwölf Hersteller beteiligten.

Die zusammengefassten Ausführungen kommentierte Wolfgang Kuhl, Leiter Information & Communication Solutions bei Pharmaserv. Das mittelständische Unternehmen nutzt Web-Services-Technik in der eigenen IT-Landschaft. Mit 350 Mitarbeitern betreibt es den Pharma- und Biotechnologiestandort Behringwerke in Marburg und betreut bundesweit Kunden der Prozessindustrie mit technischen Services.

Warum soll sich der Mittelstand mit SOA beschäftigen?

Fast alle Hersteller sehen hier die Integration als wichtigstes Argument. Mit Hilfe von SOA-Technik könnten Firmen nach Überzeugung des ERP-Spezialisten Proalpha aus Weilerbach die wachsende Zahl an unterschiedlichen IT-Systemen in den Griff bekommen. Über einen Enterprise Service Bus (ESB) und Web-Services ließen sich verschiedene Softwareprodukte miteinander verbinden.

Die Software AG aus Darmstadt sieht als Motivation für SOA auch die Wiederverwendbarkeit von Softwaremodulen. Bei Microsoft verweist man darauf, dass der SOA-Ansatz die IT-Systeme an den betriebswirtschaftlichen Abläufen auszurichten helfe. Für Sage Bäurer aus Villingen hingegen stehen die Chancen zur Prozessautomatisierung und -rationalisierung im Vordergrund.

Progress Software aus Köln rät dem Mittelstand, sich schon heute mit SOA zu beschäftigen, da sich die IT-Infrastruktur evolutionär in diese Richtung bewege. Solches Interesse signalisiere den Softwarehäusern, dass sie ihre Produkte öffnen, modularisieren und mit Standardschnittstellen versehen müssen.

Nach Ansicht des ERP-Anbieters Godesys aus Mainz sollte sich der Mittelstand mit den Vorteilen von SOA beschäftigen, um besser für Softwareentscheidungen gerüstet zu sein. Die Technik müsse er in Form fertiger Lösungen beziehen. Das bestätigt auch der Mitbewerber SoftM AG aus München: Mittelständler wollten keine eigene IT-Architektur konzipieren, sondern sie mit dem Kauf einer Business-Software erwerben.

Kommentar von Wolfgang Kuhl, Pharmaserv:

"Es fällt auf, dass neben Allgemeinplätzen (größer, besser, weiter) von vielen (nicht allen) Anbietern die Integration als wichtigstes Entscheidungskriterium genannt wird. Aus meiner Sicht sind wir damit aber bei der guten alten Enterprise Application Integration (EAI), und die betreffenden Hersteller sollten sich dann auch als EAI-Anbieter positionieren; die Begriffsverwirrung ist auch so schon groß genug und trägt nicht dazu bei, dass Mittelständler innovative Konzepte umsetzen."

Wie lassen sich die Vorteile von SOA

Der Mittelstand unterhält in der Regel keine Abteilungen für Softwarearchitektur und -entwicklung, zu deren Aufgaben es gehören würde, SOA-Projekte firmenweit zu planen und auszurollen. Deshalb müssen IT-Hersteller diesen Unternehmen den SOA-Nutzen pragmatisch vermitteln, sagt Sun Microsystems, München. Der Anbieter konzentriert sich in seiner Argumentation auf Kostensenkung, Investitionsschutz und Flexibilität.

Der Infrastrukturanbieter Sopera aus Bonn argumentiert damit, dass Firmen heterogene Prozessketten, die sich über Unternehmensgrenzen hinweg erstrecken, mit einer SOA leichter handhaben können. Wie die in Karlsruhe beheimatete AP AG ergänzt, lassen sich so auch Grenzen zwischen Abteilungen und Unternehmensbereichen überwinden.

Dem Infrastrukturspezialist Tibco Software aus Frankfurt am Main zufolge lässt sich SOA nicht als Produkt verkaufen. Ins Geschäft komme man mit den Kunden über konkrete Geschäftsanforderungen, beispielsweise die Anbindung eines Call-Centers an interne Geschäftsapplikationen.

Kommentar von Wolfgang Kuhl, Pharmaserv:

"Neben der vereinfachten EAI ist die Wiederverwendbarkeit von standardisierten Modulen ein starkes Argument für SOA. Die Herausforderung für die Anbieter besteht darin, dieses Argument mit Leben zu füllen - auch außerhalb der Versicherungs- und Bankenwelt."

Kann SOA Realität werden, wenn die Exper

Die Hersteller argumentieren überwiegend damit, dass die Unternehmen per Softwarekauf SOA-fähig werden. Andere verweisen auf Partnerfirmen und Systemhäuser, die bei der Umsetzung behilflich sein sollen.

Statt individuelle SOA-Infrastrukturen zu bauen, werden Mittelständler verstärkt auf standardisierte Angebote zurückgreifen, hofft Sopera. Solche SOA-Systeme ließen sich auch on Demand (Software as a Service) bereitstellen.

Nicht nur an Software denkt dagegen Progress. Da SOA-Projekte meist dazu angetan seien, bestehende IT-Architekturen schrittweise zu transformieren, könne auch der Wissensaufbau der Mitarbeiter Schritt für Schritt erfolgen.

Eine Evolution der IT statt einer Revolution sagt auch Godesys voraus - mit der Anmerkung, dass diese Erkenntnis nicht so recht zu den Vermarktungsmodellen der Softwareindustrie passe. Proalpha gibt zu bedenken, dass mit SOA neue Probleme entstehen, etwa eine Abhängigkeit zwischen Systemen, Datensicherheit und lang laufenden, verteilten Transaktionen.

Kommentar von Wolfgang Kuhl, Pharmaserv:

"SOA ist bestimmt noch kein vollständig ausdefinierter Begriff. Wie ein roter Faden zieht sich jedoch durch fast alle Definitionen, dass man SOA nicht kaufen kann. (Google liefert 16 600 Treffer für diesen Satz). Das steht im Widerspruch zu den Versprechen, SOA durch Softwarekauf einführen zu können. Ich betrachte einen evolutionären Ansatz, bei dem auch entsprechendes Know-how aufgebaut wird, für Mittelständler als möglicherweise zielführend - aber nur in dem Maße, wie die Effizienzsteigerung durch SOA auch Kapazitäten für diesen Know-how-Aufbau freischaufelt. IT-Leiter können ihre Leute immer nur zu maximal 100 Prozent verplanen."

Welche Kostenvorteile kann SOA bringen?

Die möglichen Einsparungen durch SOA leiten viele Anwender direkt von den Vorteilen ab, die sie davon erhoffen. Laut Progress können sich Einsparungen aber auch ergeben, wenn die Firmen bereits entwi- ckelte Services wiederverwenden. Dies setze jedoch voraus, dass die Softwaredienste entsprechend granular zur Verfügung stehen, was anfangs oft nicht der Fall sei.

Sun Microsystems gibt zu bedenken, dass sich durch SOA die Kosten zunächst erhöhen. Langfristig würden die Anwender durch höhere Servicequalität und Reaktionsfähigkeit ihrer IT Geld sparen. Auch Sopera weist auf hohe Anfangsinvestitionen hin, die sich erst im Lauf der Zeit auszahlen können. Kostengünstige Open-Source-Lösungen würden den Einstieg erleichtern.

Kommentar von Wolfgang Kuhl, Pharmaserv:

"Wiederverwendbarkeit spart Entwicklungskosten, lose Kopplung von Systemen reduziert Abhängigkeiten zum Beispiel bei einem Release-Wechsel auf einem System, das mit vielen anderen Systemen gekoppelt ist."

Sorgt SOA für mehr Herstellerunabhängigkeit?

Die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern lasse sich durch SOA reduzieren, da Komponenten leichter austauschbar würden, so die Ansicht der AP AG. Voraussetzung sei aber, dass der Markt Alternativen biete.

Sun zufolge kann SOA für Herstellerunabhängigkeit sorgen, wenn Funktionen bestehender Software als Services gekapselt werden. Bei der Einführung der dafür erforderlichen Middleware sollten Anwender jedoch darauf achten, sich nicht wieder von einem Anbieter abhängig zu machen. Herstellerunabhängigkeit sei machbar, wenn SOA nicht als ein Produkt namens "Netweaver" interpretiert werde, heißt es bei Godesys - mit einem Seitenhieb auf SAP.

Mittels SOA-Komponenten wie dem Enterprise Service Bus und Business-Process-Management-Engines lasse sich ein herstellerneutraler Best-of-Breed-Ansatz umsetzen, argumentiert Progress Software. Und die Software AG konstatiert: Da die Services für einen Prozess nicht in einer einzigen Applikation abgebildet werden müssten, seien einzelne Dienste leichter austauschbar.

Proalpha hingegen dämpft die Hoffnungen auf Herstellerneutralität. Es sei Illusion, Services unterschiedlicher Hersteller beliebig miteinander zu kombinieren, um Best-of-Breed-Lösungen zu bauen. Auch ein SOA-fähiges Anwendungspaket, etwa eine ERP-Software, werde als Einheit genutzt.

Kommentar von Wolfgang Kuhl, Pharmaserv:

"Für mich ganz klar ein weiteres gewichtiges Argument für SOA ist die Möglichkeit, Systeme lose zu koppeln. Das vereinfacht den Austausch von Systemen immens. Wir konnten ein neues Billing-System ("TKBill" von ITC) quasi im laufenden Betrieb und ohne Änderungen am verbundenen ERP-System einführen."

Befragungsmethode

  • Die COMPUTERWOCHE hat eine Reihe von Softwareherstellern per E-Mail-Fragebogen um Auskunft gebeten.

  • Die Antworten wurden zusammengefasst und strukturiert.

  • Wolfgang Kuhl, CIO der mittelständischen Firma Pharmaserv, kommentierte die Angaben der Anbieter. Kuhl nutzt bereits Web-Services-Tools.