Open Innovation bei der MMI

Wie die Messe München ihr Geschäftsmodell erweitert

02.04.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Konkurrenz durch Amazon und Zalando

Die Idee, mit den Kunden auf diesem Weg Kontakt aufzunehmen, kam von der Ausstellerseite. Man war sich einig darin, dass manE-Commerce-Plattformenwie Amazon oder Zalando, die mit Macht in den Markt drängen und stets das Ohr am Puls der Kunden haben, dieses Feld nicht allein überlassen will. Bislang haben die großen Sportartikelhersteller hier Defizite. Ihnen fehlt der direkte Kontakt zu den Endanwendern, den sie dem Handel überlassen. Auf diese Weise produzieren sie zu häufig Artikel, die bei der Zielgruppe nicht gut ankommen.

Nichts gegen die Auguren aus den Marketing-Abteilungen. Aber was die trendbewussten Kunden tatsächlich wollen, wissen sie meist selbst am besten.

Warum also die Konsumenten nicht direkt fragen, ob sie ihre nächste Ski- oder Snowboard-Kluft wieder in Grau und Schwarz haben wollen oder diesmal doch lieber Pink und Türkis bevorzugen? - Genau das versuchen die Sportartikelhersteller, die bislang auf denOpen-Innovation-Zug aufgesprungen sind.

"Die Kunden bekommen häufig immer dasselbe angeboten, obwohl sie eigentlich etwas ganz anderes wollen", meint Schniering. Mit Open Innovation könnten die Hersteller Trends genauer verfolgen und gegenüber dem Handel besser argumentieren. "Am Ende sinkt das Risiko, Flops zu produzieren, für beide Parteien", so die Messe-Managerin.

Etwa 20 Open-Innovation-Projekte sind bereits über die Innosabi-Plattform der MMI gelaufen beziehungsweise noch aktiv. Zu den Auftraggebern zählen The North Face, Sport Scheck, Kjus und Toray. Wie Schniering beteuert, sind die Produkte, die so entstehen, im Durchschnitt um 30 Prozent erfolgreicher als andere. Und durch die vermiedenen Irrwege hätten sich auch die Entwicklungskosten spürbar verringern lassen.

Self-Service oder Moderation inklusive

Interessenten können von der Messe einfach den reinen Plattformzugang kaufen und das Projekt dann im "Self-Service"-Modus allein durchziehen. Sollten sie aber Unterstützung durch die Messe oder Beratung von Innosabi benötigen, so sei das durchaus vorgesehen. Viele wünschen sich auch ein moderiertes Forum, in dem eine technik- und fachkundige Person Fragen beantwortet sowie Impulse und Kommentare gibt.

Die Laufzeit eines Projekts kann in ähnlichem Maß schwanken wie der Leistungsumfang - von drei Wochen bis zu mehreren Monaten. Am Ende zieht der Kunde entweder selbst ein Fazit, oder er lässt sich eine professionelle Auswertung von Seiten der Messe schicken. Entsprechend spreizen sich die Preise: von einem knapp fünfstelligen Euro-Betrag bis etwa 50.000 Euro.

Kompetente Teilnehmer an der gemeinschaftlichen Produktentwicklung gewinnt die Messe über dieISPO-Online-Community, von der aus Interessenten per Mausklick auf dieCo-Creation-Seitewechseln können. Über die Innosabi-Plattform lassen sich aber nicht nur Co-Creation-Projekte, sondern auch Produkttests managen. Dieses Angebot wird ebenfalls bereits angenommen. Und auch hierfür rekrutiert die Messe die Teilnehmer aus der Community.

Eintrittskarte für die digitale Welt

Laut Schniering ist die MMI bislang der einzige Messeveranstalter weltweit, der eine solche Plattform anbietet: "Alle beschäftigen sich mit dem Thema Digitalisierung. Aber wir sind die Ersten, die ein solches Geschäftsmodell umsetzen." Ein Vorsprung, auf dem sich die Messe selbstverständlich nicht ausruhen will.

Doch zahlt sich das neue Geschäftsmodell auch aus? "So etwas hat sich nicht nach einem Jahr amortisiert", räumt Schniering ein. Trotzdem lasse sich der wirtschaftliche Erfolg bereits absehen. Aber es gehe ja nicht allein darum, schnelles Geld zu verdienen. Vielmehr gelte es auch, die Messe und ihr Geschäft zukunftssicher zu machen: "Das ist quasi unser Eintritt in die digitale Welt."

Darüber hinaus ermöglicht die Plattform einen ganz neuen Ansatzpunkt bei den Messekunden. Schniering: "Die Viertagemesse ist unser Kontaktpunkt zu Marketing und Vertrieb. Mit dem neuen Geschäftsmodell setzen wir hingegen direkt in der F&E-Abteilung an. Wir erfassen also einen viel breiteren Bereich der Wertschöpfungskette bei unseren Kunden."

Foto: Sergey Niven, Fotolia.com

Was Endkunden wollen

Im Sportartikelgeschäft haben die Hersteller häufig keinen direkten Kontakt zu den späteren Käufern ihrer Produkte. Auch auf traditionellen Fachmessen treffen sie eher die Händler als die Konsumenten. Die Messe München International bietet den ISPO-Ausstellern jetzt eine Plattform an, mit der sie die Endkunden an Produktentwicklungen und Tests beteiligen können. Auf diese Weise will die MMI ihre Kontaktpunkte mit den Ausstellern erweitern - nicht nur zum Marketing und Vertrieb, sondern direkt in die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen hinein.