Konkurrenz durch Amazon und Zalando
Die Idee, mit den Kunden auf diesem Weg Kontakt aufzunehmen, kam von der Ausstellerseite. Man war sich einig darin, dass manE-Commerce-Plattformenwie Amazon oder Zalando, die mit Macht in den Markt drängen und stets das Ohr am Puls der Kunden haben, dieses Feld nicht allein überlassen will. Bislang haben die großen Sportartikelhersteller hier Defizite. Ihnen fehlt der direkte Kontakt zu den Endanwendern, den sie dem Handel überlassen. Auf diese Weise produzieren sie zu häufig Artikel, die bei der Zielgruppe nicht gut ankommen.
Nichts gegen die Auguren aus den Marketing-Abteilungen. Aber was die trendbewussten Kunden tatsächlich wollen, wissen sie meist selbst am besten.
Warum also die Konsumenten nicht direkt fragen, ob sie ihre nächste Ski- oder Snowboard-Kluft wieder in Grau und Schwarz haben wollen oder diesmal doch lieber Pink und Türkis bevorzugen? - Genau das versuchen die Sportartikelhersteller, die bislang auf denOpen-Innovation-Zug aufgesprungen sind.
"Die Kunden bekommen häufig immer dasselbe angeboten, obwohl sie eigentlich etwas ganz anderes wollen", meint Schniering. Mit Open Innovation könnten die Hersteller Trends genauer verfolgen und gegenüber dem Handel besser argumentieren. "Am Ende sinkt das Risiko, Flops zu produzieren, für beide Parteien", so die Messe-Managerin.
Etwa 20 Open-Innovation-Projekte sind bereits über die Innosabi-Plattform der MMI gelaufen beziehungsweise noch aktiv. Zu den Auftraggebern zählen The North Face, Sport Scheck, Kjus und Toray. Wie Schniering beteuert, sind die Produkte, die so entstehen, im Durchschnitt um 30 Prozent erfolgreicher als andere. Und durch die vermiedenen Irrwege hätten sich auch die Entwicklungskosten spürbar verringern lassen.
- So entstehen innovative Ideen
Die besten Ideengeber im Unternehmen sind nicht die Führungskräfte, sondern die Mitarbeiter und die Kunden, sagt Anne M. Schüller. - 1. Ist-Analyse:
Beleuchten Sie die zu optimierende Situation beziehungsweise das zu lösende Problem aus verschiedenen Perspektiven, vor allem aber aus der Sicht des Kunden. Machen Sie dazu Kunden- und Konkurrenzbeobachtungen sowie Interviews mit Mitarbeitern und Externen. Auch Branchenfremde können sinnvolle Beiträge liefern. - 2. Ziel-Definition:
Wo wollen Sie hin, was soll am Ende des Prozesses erreicht sein? Dies muss deutlich werden, damit die Ideen-Generierung eine Richtung bekommt. Gehen Sie dabei von kundenrelevanten, differenzierenden Merkmalen aus: Was können wir für unsere Kunden besser, schneller, einfacher, billiger machen. Formulieren Sie all das schriftlich. - 3. Zusammenstellung des Teams:
Dazu gehören insbesondere die Mitarbeiter, die von der späteren Umsetzung betroffen sind. Damit minimieren Sie von vorne herein aufkommende Widerstände. Sorgen Sie für Visionäre, Querdenker, Missionare, Macher, Kundenbotschafter und Bedenkenträger im Team ebenso wie für Experten und Laien. Mischen Sie alt und jung, Männer und Frauen. Briefen Sie das Team sorgfältig. Ein geschulter Moderator kann helfen, die Prozessschritte zielgerichtet zu steuern. - 4. Ideen-Generierung:
Begeben Sie sich an einen neutralen, störungsfreien, inspirierenden Ort und setzen Sie passende Kreativitätstechniken ein. Sorgen Sie am Anfang für gute Laune und ein Kreativ-Warm-up. Zeiteinheiten von 30 bis 60 Minuten sind optimal. Hören Sie nicht zu schnell auf, in dieser frühen Phase benötigen Sie ein Maximum an Ideen. Speichern Sie alle Ideen. Und beachten Sie die drei goldenen Regeln einer Kreativ-Sitzung: - Quantität vor Qualität, Inspiration ist erwünscht - alle Teilnehmer sind gleichberechtigt, keine Hierarchie - keinerlei Kritik, weder positiver noch negativer Art - 5. Ideen-Bewertung und -Selektion:
Benutzen Sie jeweils passende Bewertungs- und Selektionstechniken, um die gefundenen Ideen zu verdichten, zu kombinieren und die Spreu vom Weizen zu trennen. Dies kann ein separates Bewertungsteam tun, dem auch Kunden angehören. Erstellen Sie eine Prioritäten-Liste, sortieren Sie nach Marktfähigkeit, Machbarkeit, Zeithorizont, Wirtschaftlichkeit und Nichtkopierbarkeit. Dabei kommt es erfahrungsgemäß zu weiteren Ideen. Am Ende dieses Prozesses verbleiben einige wenige aussichtsreiche Favoriten. Geben Sie diesen Namen und definieren Sie das weitere Vorgehen, beispielsweise in Form eines Projekts. - 6. Implementierung:
Sorgen Sie zunächst für interne Akzeptanz, vor allem bei den ‚betroffenen‘ Mitarbeitern. Dies erfolgt am besten durch Involvieren und frühzeitige, regelmäßige, offene Kommunikation. Stellen Sie die notwendigen Ressourcen bereit. Kommunizieren Sie aktiv mit dem Markt, insbesondere mit den anvisierten Zielgruppen und mit der Presse. Bringen Sie Ihre Idee beziehungsweise Innovation zügig in den Markt, und zwar zum richtigen Zeitpunkt. Experimentieren Sie und testen Sie Varianten. Lassen Sie die Kunden schließlich mitentscheiden. - 7. Kontrolle und Optimierung:
Vergleichen Sie die Ergebnisse mit Ihrer Zieldefinition. Holen Sie sich Feedback vom Kunden, hören Sie dabei auch auf die leisen Töne und die kritischen Hinweise. Optimieren Sie kontinuierlich, das heißt: Beginnen Sie diesen Prozess von vorn. Sorgen Sie für einen regelmäßigen Nachschub an unverbrauchten, außergewöhnlichen Ideen.
Self-Service oder Moderation inklusive
Interessenten können von der Messe einfach den reinen Plattformzugang kaufen und das Projekt dann im "Self-Service"-Modus allein durchziehen. Sollten sie aber Unterstützung durch die Messe oder Beratung von Innosabi benötigen, so sei das durchaus vorgesehen. Viele wünschen sich auch ein moderiertes Forum, in dem eine technik- und fachkundige Person Fragen beantwortet sowie Impulse und Kommentare gibt.
Die Laufzeit eines Projekts kann in ähnlichem Maß schwanken wie der Leistungsumfang - von drei Wochen bis zu mehreren Monaten. Am Ende zieht der Kunde entweder selbst ein Fazit, oder er lässt sich eine professionelle Auswertung von Seiten der Messe schicken. Entsprechend spreizen sich die Preise: von einem knapp fünfstelligen Euro-Betrag bis etwa 50.000 Euro.
Kompetente Teilnehmer an der gemeinschaftlichen Produktentwicklung gewinnt die Messe über dieISPO-Online-Community, von der aus Interessenten per Mausklick auf dieCo-Creation-Seitewechseln können. Über die Innosabi-Plattform lassen sich aber nicht nur Co-Creation-Projekte, sondern auch Produkttests managen. Dieses Angebot wird ebenfalls bereits angenommen. Und auch hierfür rekrutiert die Messe die Teilnehmer aus der Community.
Eintrittskarte für die digitale Welt
Laut Schniering ist die MMI bislang der einzige Messeveranstalter weltweit, der eine solche Plattform anbietet: "Alle beschäftigen sich mit dem Thema Digitalisierung. Aber wir sind die Ersten, die ein solches Geschäftsmodell umsetzen." Ein Vorsprung, auf dem sich die Messe selbstverständlich nicht ausruhen will.
Doch zahlt sich das neue Geschäftsmodell auch aus? "So etwas hat sich nicht nach einem Jahr amortisiert", räumt Schniering ein. Trotzdem lasse sich der wirtschaftliche Erfolg bereits absehen. Aber es gehe ja nicht allein darum, schnelles Geld zu verdienen. Vielmehr gelte es auch, die Messe und ihr Geschäft zukunftssicher zu machen: "Das ist quasi unser Eintritt in die digitale Welt."
Darüber hinaus ermöglicht die Plattform einen ganz neuen Ansatzpunkt bei den Messekunden. Schniering: "Die Viertagemesse ist unser Kontaktpunkt zu Marketing und Vertrieb. Mit dem neuen Geschäftsmodell setzen wir hingegen direkt in der F&E-Abteilung an. Wir erfassen also einen viel breiteren Bereich der Wertschöpfungskette bei unseren Kunden."
Was Endkunden wollen
Im Sportartikelgeschäft haben die Hersteller häufig keinen direkten Kontakt zu den späteren Käufern ihrer Produkte. Auch auf traditionellen Fachmessen treffen sie eher die Händler als die Konsumenten. Die Messe München International bietet den ISPO-Ausstellern jetzt eine Plattform an, mit der sie die Endkunden an Produktentwicklungen und Tests beteiligen können. Auf diese Weise will die MMI ihre Kontaktpunkte mit den Ausstellern erweitern - nicht nur zum Marketing und Vertrieb, sondern direkt in die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen hinein.
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Oft verpassen vermeintlich innovative Unternehmen die Marktentwicklung. Lesen Sie hier die gefährlichsten Innovationsfallen, in die Firmen tappen. - Die Hochglanzfalle
Wer sich Websites, Visionen und Hochglanzbroschüren der meisten Unternehmen genauer ansieht, stellt schnell Folgendes fest: Irgendwie sind sie alle visionär, hochkreativ und praktisch kurz davor, die Branche zu revolutionieren. Auf den ersten Blick liest sich das beeindruckend. Blickt man jedoch genauer hinter die Fassade der Homepages und Prospekte, dann haben diese Botschaften oft wenig Substanz. - Die Erfahrungsfalle
Insider, die auf den Management-Tagungen des ehemaligen Druckmaschinenherstellers Manroland waren, erinnern sich an die Botschaften des Vorstands. Er sagte der Zeitung eine große Zukunft voraus. Immer wieder wurde die Solidarität zur Druckrolle beschworen, während die meisten Medienverlage bereits ihr Wachstum auf ganz anderen Feldern suchten. Der Vorstand von Manroland ignorierte das. Die eigenen Erfahrungen sprachen dagegen. Für den damals zweitgrößten Druckmaschinenhersteller der Welt war es schlichtweg unvorstellbar, dass seine Produkte einmal überflüssig werden könnten. Das Ergebnis dieser Fehleinschätzung: Der Konzern wurde Anfang 2012 zerschlagen. - Die Trägheitsfalle
Prozessoptimierung, Kostenoptimierung, Lean Management: Das waren die Schlagwörter der 90er- und frühen 2000er-Jahre. Arbeitsabläufe wurden systematisch gescannt, jede überflüssige Handbewegung untersagt und jede Tätigkeit in genau definierte Prozessabläufe gezwängt. Das hat bis heute einen positiven Effekt: Unternehmen können das operative Geschäft viel schneller, besser und billiger als andere beherrschen. Die Kehrseite ist: Es bleibt kaum Zeit, über neue Wege nachzudenken. Anders gesagt: Man ist so sehr damit beschäftigt, den operativen Ergebnissen nachzujagen, dass man sich kaum fragt, ob dies noch sinnvoll ist. - Die Erfolgsfalle
Erfolg macht sexy. Erfolg fühlt sich gut an. Erfolg macht zufrieden. Genau das ist das Problem. In zahlreichen Firmen werden schnelle Erfolge belohnt. Ein kurzfristiges Plus der Verkaufszahlen, ein großer Deal, kurzfristige Erfolge bei der Neukundengewinnung. Gerade in Unternehmen, die vom Quartalsdenken geprägt sind, ist der schnelle Erfolg wichtiger als langfristiges Denken. Im Kern ist das nicht verkehrt, denn: die Summe vieler schneller Erfolge macht eine erfolgreiche Company aus - nur nicht unbedingt eine innovative. Solange schnelle Erfolge mit dem Bestehenden zu erzielen sind, hat das Neue kaum eine Chance, sich durchzusetzen. - Die Kannibalismusfalle
Unternehmen haben ständig Angst sich selbst zu kannibalisieren. Wenn die Konkurrenz angreift, ist das schlimm. Schlimmer ist es jedoch, wenn ein Unternehmen sich selbst Marktanteile wegnimmt. Aus diesem Grund weigerten sich die Elektronikhändler Saturn und Media Markt jahrelang, Online-Shops zu eröffnen. Die Kunden könnten schließlich via Internet und nicht mehr in den Läden einkaufen. Auch der Entertainment-Gigant Sony leidet unter dem Kannibalismusproblem. Um das eigene CD-Geschäft zu schützen, hat er die Entwicklung eines Download-Portals für Musik nur halbherzig vorangetrieben. Und der Fotohersteller Leica? Er vermied es Anfang der 90er Jahre tunlichst, in die digitale Fotografie einzusteigen - aus Angst, das eigene Geschäft mit analogen Apparaten zu gefährden.