150 Sensoren und ein ausfallsicheres Netz

Wie die IT Mercedes zum Weltmeister machte

18.12.2014
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Windows bremst die Formel 1 aus

Aus dem Strategic Room wird das Team an der Strecke unterstützt.
Aus dem Strategic Room wird das Team an der Strecke unterstützt.
Foto: Mercedes AMG Petronas

Erschwert wird die Situation zusätzlich noch dadurch, dass Harris natürlich ein VPN zum Schutz seiner Daten einsetzen will, was in einem Sport, der um tausendstel Sekunden kämpft, zu einer weiteren unerwünschten Latency führt. Über die Frage, warum er dann nicht eines der bewährten WAN-Optimierungsverfahren einsetzt, kann Harris nur lachen: "Dank der geschwätzigen Protokolle von Windows 7 und Microsoft Office hatten wir zwischen Australien und Brackley eine Latency von 3 Sekunden beim Öffnen einer Datei." Deshalb verwenden Harris und sein Team nun einen eigenen Fileservice, denn normalerweise beträgt die Verzögerung zwischen Australien und England um die 300 Millisekunden.

In einem anderen Punkt kann Harris mittlerweile Entwarnung geben: Das Team muss sich nicht mehr selbst um die Netzanbindung an den Rennstrecken kümmern, sondern verlässt sich auf Tata Communications. Als Official Managed Connnectivity Supplier versorgt das indische Unternehmen den Mercedes-Rennstall an allen 19 Strecken mit einem Netzzugang und übernimmt das Netz-Management. "Tata ist für mich zu einem virtuellen IT-Team geworden", beschreibt Harris die Zusammenarbeit. Dazu sind an jedem Rennwochenende drei Tata-Mitarbeiter für den Support direkt an der Strecke zuständig und 20 weitere arbeiten in Netz-Management-Zentren in den USA und Großbritannien, um eine reibungslose Datenübertragung zu gewährleisten. Diese findet über den globalen Glasfaserring Tatas per MPLS statt. Darüber wie reibungslos das Netzfunktioniert, gibt es in dem Rennstall eine nette Anekdote: An einem Rennwochenende hätte Lewis Hamilton auf einmal seinen persönlichen Renningenieur vermisst und sich darüber mokiert, dass er ihn noch gar nicht persönlich gesehen habe. Als man ihm dann offenbarte, dass der Ingenieur nicht an der Strecke sei und ihm die Anweisungen remote vom Firmensitz in Brackley gegeben habe, weil dessen Frau ein Kind bekommen hatte, habe das der Weltmeister zunächst nicht glauben wollen.

Testen und nochmals testen - hier im Simulator.
Testen und nochmals testen - hier im Simulator.
Foto: Mercedes AMG Petronas

Allerdings ist die Partnerschaft mit Mercedes nicht die einzige Verbindung des Providers zur Formel 1. Als Official Connectivity Provider of Formula 1 liefert das Unternehmen für das Formel-1-Management um Bernie Ecclestone die Netzanbindung und ist zudem Videolieferant und Web-Hoster der Formel 1. Hierzu entstand im englischen Biggin Hill ein eigenes Netzwerk- und Medienzentrum und vor Ort baut das Tata-Team zu jedem Rennwochenende innerhalb von zwei Tagen einen Race-POP auf, der mit Gbit/s-Geschwindigkeit mit dem Tata-Backbone verbunden ist. Dass diese Bandbreiten erforderlich sind, veranschaulicht Mehul Kapadia, Managing Director F1 Business bei Tata an einem Beispiel: "Für ein HDTV-Bild benötigen wir eine Bandbreite von 32 Mbit/s, für das hochauflösende 4k-Fernsehen wie wir es in Singapur getestet haben, sind es dann schon 480 Mbit/s."

Zukunft VDI?

Eine Bildqualität, von der IT-Director Harris derzeit nur träumen kann. Aus Kostengründen beziehen er und sein Team Videobilder von den Rennstrecken nur über Satellitenfernsehen - mit dem Nachteil, dass die Bilder mit 3 Sekunden Verzögerung eintreffen. Ist dennoch einmal eine Videokommunikation in Echtzeit gefragt, behilft man sich mit einem BBM-Video-Chat. Deshalb arbeitet Harris daran, 2015 das Thema Realtime-Video zu adressieren. Dabei will er das Kunststück meistern, HD-Bilder mit 720p zu übertragen und dennoch nur 4 - 5 Mbit/s an Bandbreite zu verbrauchen. Seine Idee: die Videofeeds der einzelnen Kameras zur Übertragung zu einem feed zusammenzufassen und dann am Stammsitz in Brackley wieder zu trennen. Das zweite große Thema, das für ihn 2015 auf der Agenda steht, ist die Einführung einer Virtual Desktop Infrastructure (VDI). Unter Sicherheitsaspekten verspricht er sich eine einfachere Zusammenarbeit mit Partnern, da die Daten im eigenen Rechenzentrum bleiben und die Partner nur remote auf ausgewählte Anwendungen zugreifen. Gleiches überlegt Harris auch für die Rennstrecke. Allerdings würde er hier VDI aus Performance-Gründen einsetzen, da er einen weiteren Anstieg der Datenmenge befürchtet und so eine Übertragung aller Daten in Echtzeit immer schwieriger werde, weshalb Harris neue Wege beschreiten will.