Frischer Wind in der Sulzer-IT

Wie die IT-Chefin den Wandel bewerkstelligt

14.01.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Teams statt Fürstentümern

Dafür war Soritsch-Renier offenbar die Richtige. Dass sich in den zweieinhalb Jahren vor ihr schon zwei IT-Chefs an dieser Aufgabe abgearbeitet hatten und die CIO-Position bereits seit einem halben Jahr vakant gewesen war, störte sie nicht.

Die Strategie der Change-Managerin: Statt der technischen Architektur nahm sie zunächst die personelle Organisation ins Visier. "Auch in der Technologie geht es um Menschen, die Technik selbst ist doch nur ein Werkzeug."

Lieber mit eigenen Leuten

Von diesen Werkzeugen gab es Anfang 2013 eine ziemlich große Menge. Sulzer hatte damals vier relativ autonom agierende IT-Gruppen mit eigener Aufbau- und Ablauforganisation sowie jeweils eigenen, teilweise sogar mehreren Active Directories, E-Mail-Systemen, eigenen Netzwerken etc.

"Ich bin ziemlich rasch die Organisation angegangen." Was Soritsch-Renier so lapidar äußert, war mit Sicherheit ein Härtetest für die frisch gebackene IT-Verantwortliche. Im Zuge der organisatorischen Veränderungen war es unumgänglich, die lokalen IT-Fürstentümer zu zerschlagen, ihre bis dahin souveränen Herrscher zu entthronen und sie notfalls sogar ins Exil zu schicken. Wer solche Organisationsformen kennengelernt hat, weiß, wie schwer es ist, sie zu ändern. Gleichzeitig galt es, ein funktionierendes Team aufzubauen, mit dem sich die IT global steuern ließ. "Ich habe mir schnell die richtigen Leute gesucht, denn allein kann ich ja wenig machen", bekennt Soritsch-Renier.

Das Team sei enorm wichtig für sie, so die IT-Chefin. Sie wolle die besten Leute, die sie bekommen könne. Auch aus diesem Grund suche sie sich lieber eigene Spezialisten, statt anspruchsvolle Aufgaben an Dienstleister auszulagern, für die selbst ein großes Unternehmen wie Sulzer nur zweite Priorität habe.

Vor allem aber lege sie Wert darauf, "dass die Leute gern für mich arbeiten", beteuert die CIO. Persönliche Anerkennung und quasi-spielerische interne Wettbewerbe zählen deshalb zu ihren Führungsinstrumenten.

Foto: Sulzer

So ist - in groben Zügen - die Sulzer-IT organisiert

  • Die neue IT-Chefin verkörpert den Wandel in der Geschäftsstrategie von Sulzer: Ursula Soritsch-Renier ist im Gegensatz zu ihren Vorgängern für die gesamte IT weltweit verantwortlich.

  • Unterhalb ihrer Hierarchieebene hat sie ein 24-köpfiges Extended-Leadership-Team eingerichtet.

  • Dazu zählen insbesondere die Verantwortlichen für vier Bereiche: - Support Service & Demand, - Business Applications, - Infrastruktur, - Strategy & Planning.

  • Zum letztgenannten Bereich gehören beispielsweise das Projekt-Management-Office (PMO), die Enterprise-Architektur und die Security.

  • Die Projekt-Manager sind in ihre jeweiligen Teams eingebettet, berichten aber indirekt (via "dotted line") auch an das PMO.

Die grundsätzlichen Fragen

Auf das Team-Building folgte die strategische Diskussion:

  • Welche Rolle hat die IT eigentlich im Unternehmen?

  • Wie nutzen wir bei Sulzer die IT?

  • Und wie wird die IT aufgesetzt, damit sie optimal nützlich ist?

Diese Fragen mussten gestellt und beantwortet werden. Dabei maßte sich Soritsch-Renier keineswegs an, alle Antworten allein zu finden.Unterhalb der CIO-Ebene hat die CIO ein 24-köpfiges Extended-Leadership-Team installiert, mit dem sie in ständigem Dialog steht: "Und ich scheue mich nicht, auch mal die Experten zu fragen, wie Sachen funktionieren."

Partner statt Kunden

Einen ähnlichen Dialog führt sie mit dem CEO und den Business-Verantwortlichen, die sie ausdrücklich nicht als "Kunden", sondern als "Partner" bezeichnet: "Der Kunde ist nun einmal König, aber ich kann nicht jedem Fachbereichsleiter seine Wünsche erfüllen und am Ende mit Systemen dastehen, die nicht miteinander sprechen."

Trotz ihrer Vorliebe für rasche Lösungen legt Soritsch-Renier Wert auf sorgfältige Planung. So ist es ihr gelungen, die Informationstechnik zu einem festen Bestandteil des rollierenden Dreijahresplans für den Gesamtkonzern zu machen: "Das ist keineswegs normal", ist sie überzeugt.

Wo immer es möglich ist, standardisiert die IT-Chefin ihre Plattformen. Unter ihrer Ägide wurde endlich Windows 7 global ausgerollt - nachdem zuvor bereits zwei Anläufe gescheitert waren. Von den 46 E-Mail-Systemen sind drei übrig geblieben. Sie werden laut Soritsch-Renier sogar einheitlich gemanagt: "Wir haben nur physisch eines in der EU, eines in den USA und eines in der Schweiz - aufgrund regulatorischer Vorgaben."

Doch die Harmonisierung reicht deutlich weiter: Es gibt mittlerweile Standards für Netze sowie ein Projekt-Management-Office (PMO) mit einheitlicher Methodologie, Key-Performance-Indikatoren (KPIs) und einem Approval Board, das jedes Vorhaben nach vorgegebenen Kriterien überprüft, bevor es seine Zustimmung gibt.

Grenzen der Standardisierung

Allerdings sieht Soritsch-Renier auch die Grenzen der Vereinheitlichung. Nicht überall ist es beispielsweise sinnvoll, ein Mammutsystem wie SAP einzuführen. Manchmal ist Microsoft Dynamics einfach die praktikablere Lösung. Und in der Geschäftseinheit Water kommt gar das wenig bekannte "iScala" von Epicor zum Einsatz. Der relativ standardisiert strukturierte Order-to-Cash-Prozess lässt sich durch ein ERP-System problemlos abbilden; für das vorhergehende "Opportunity to Order" braucht man flexiblere Lösungen.

Spezialanfertigungen und Dienstleistungen, wie Sulzer sie im Pumpengeschäft anbietet, gehorchen anderen betriebswirtschaftlichen Gesetzen als Standardprodukte, bei denen der Kostenaspekt eine viel größere Rolle spielt. Fazit der CIO: "Standardisierung ist kein Selbstzweck. Und wenn man zu viel vereinheitlicht, geht die Unterstützung für den Kunden verloren." Statt "Gleichmacherei nur für Unternehmenszwecke" folge sie lieber dem Wahlspruch: "Optimize the Diversity".

Soritsch-Renier mag offenbar griffige Slogans. Eine andere Maxime, die sie sich und ihren Mitarbeitern immer wieder ins Gedächtnis ruft, lautet: "Simplify, perform, collaborate." Jeder Mitarbeiter müsse sich permanent fragen: Was trägst du persönlich dazu bei, die Dinge zu vereinfachen, sie tatsächlich zu tun und sie gemeinsam mit den Kollegen zu tun?

Beitrag zum Cash-Management

Auch die IT insgesamt muss sich fragen lassen: Was trägt sie zum Unternehmenserfolg bei? Wie ist sie beispielsweise in das Working-Capital-Management-Programm ("Cash for Growth") involviert, das der CFO dem Unternehmen verordnet hat? - "Vor allem durch unser Sourcing-Konzept", sagt Soritsch-Renier. Sie sei nicht unbedingt eine Anhängerin des Outsourcings, aber sie sehe es auch nicht als notwendig an, jedes Rechenzentrum selbst zu betreiben: "Wenn die IT die Aktivitäten der Firma unterstützen soll, kann ich mir keinen Klotz ans Bein binden, indem ich alle Datencenter selbst aufbaue." Die Cloud könne ihr hier Arbeit abnehmen und das Budget entlasten.

Zwei Mitarbeiter sind eigens für das Vendor-Management abgestellt. "Services kauft man ja nicht mal eben so ein", erläutert die IT-Verantwortliche. Offenbar machen die beiden ihre Sache gut: Mit ihrer Hilfe habe Sulzer schon einen Betrag im unteren bis mittleren Millionenbereich eingespart, zuzüglich einer "Cost Avoidance" in ähnlicher Höhe, wie Soritsch-Renier versichert.