Customer-Relationship-Management/Neue CRM-Technologien bringen persönliche Betreuung zurück

Wie der Kunde auch digital zum König wird

15.03.2002
Neue CRM-Technologien eröffnen neue Wege zum Kunden. Auf drei Arten wird sich die personalisierte Kundenansprache in den kommenden Jahren durchsetzen: via Internet, per Handy und über den interaktiven Fernseher. Von Wilhelm Alms*

In der digitalen Welt werden Kunden bislang in der Masse abgefertigt. Ob Fernsehwerbung, E-Mail-Marketing oder Online-Shop: Auf persönliche Betreuung, wie sie der Kunde in stationären Geschäften erfahren kann, muss er online häufig verzichten. Damit soll jedoch Schluss sein. Schon heute ist der Weg für das CRM im Internet geebnet. In etwa zwei Jahren wird er auch für die ersten Anwendungen mobiler Kundenbindung frei sein. Das T-CRM, die Nutzung interaktiven Fernsehens zur Kundenbindung, kommt in Deutschland frühestens 2006. Das ergab eine Trendstudie der Mummert + Partner Unternehmensberatung und der Zukunftsforscher von Z-Punkt.

Die Grundvoraussetzung für den Erfolg technischer Anwendungen im CRM sind gepflegte Kunden-Datenbanken. Nur wer ausführliche und aktuelle Informationen über seine Kunden besitzt, kann ihnen maßgeschneiderte Angebote machen und sie so an sich binden. Dabei steht die Anwendung digitaler CRM-Lösungen in Deutschland noch ganz am Anfang. Nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Dialego verfügen derzeit nicht einmal die Hälfte der Befragten über eine zentrale Datenbank, bei knapp einem Viertel befindet sie sich noch im Aufbau. Allerdings wollen Unternehmen jetzt nachrüsten, denn drei von vier Umfrageteilnehmern halten CRM für einen Wettbewerbsvorteil. Auch die Aussteller auf der CeBIT 2002 haben die Bedürfnisse moderner CRM-Strategien erkannt. Einen Schwerpunkt der diesjährigen Technik-Messe in Hannover stellen daher Datenbanktechnologien und IT-Lösungen zum Data-Warehousing dar.

Auf Kunden-Datenbanken basiert ein Großteil aller Anwendungen des E-CRM. Gerade im Internet lassen sich Techniken der Personalisierung gut anwenden. Ein erster Schritt sind Web-basierende Anreiz- und Loyalitätsprogramme wie beispielsweise Online-Gutscheine von Amazon: Der Kunde bekommt individuell auf ihn zugeschnittene Werbung oder Treuerabatte. Hier hat vor allem der Wegfall des Rabattgesetzes für Aufwind gesorgt. Ein weiteres, bereits funktionierendes Instrument des E-CRM sind virtuelle Communities. Dabei treffen sich Kunden im Internet, um sich über bestimmte Produkte auszutauschen. Der CRM-Faktor ist hoch, wenn der kommerzielle Charakter der Plattform nicht zu offensichtlich ist. Erfolgreich sind beispielsweise die Foren vieler Radio-Stationen, in denen sich Hörer über Musik austauschen und diese gleich bestellen können. So gehen Kundenbindung und E-Commerce Hand in Hand.

Internet-Chats und E-Commerce nutzen Unternehmen schon heute, um Kundeninformationen zu sammeln und Datenbanken zu aktualisieren. Das ermöglicht die personalisierte Online-Werbung, das erste echte One-to-One-Marketing. Ihr Marktdurchbruch hat gerade begonnen. Eine Gefahr dieses CRM-Instruments: Kunden werden in einer Flut von Werbe-Mails und Bannern - so persönlich sie auch sein mögen - ertränkt.

Hilfe ja, Aufdrängen neinAuch bei der Kundenbindung übers Internet träumen CRM-Experten bereits von wesentlich komplexeren, interaktiven Anwendungen. So werden in naher Zukunft Active Buddies an Internet-Kunden herantreten. Als individuelle Berater können sie den Weg durchs Internet weisen und direkt auf Wünsche eingehen. Manche Kunden fühlen sich von den Buddies allerdings eher belästigt. Einmal installiert, tauchen sie unverdrossen immer wieder auf dem Bildschirm auf - ob man will oder nicht. Manche Kunden empfinden sie wie übereifrige Verkäufer, die ihnen schon an der Ladentür entgegenstürzen und Hilfe aufnötigen, obwohl man sich eigentlich nur mal umsehen wollte. Etwas weniger aufdringlich und daher sinnvoller für den E-Commerce sind Live-Chats und die Online-Verkaufsberatung in Echtzeit, denn hier kann sich der Kunde gezielt an ein Unternehmen wenden. Der offensichtliche Nutzen macht die Internet-Beratung zu einem effektiven CRM-Instrument. Einen ähnlichen Service wie die Online-Beratung, nur mit menschlichem Gesicht, bieten Verkaufsavatare und Shop Bots. Ein Beispiel für einen Bot ist "MySimon", ein gut gelaunter Netzbewohner, der den Kunden bei der Produktsuche im Internet-Dschungel begleitet (www.mysimon.com). Auf Anfrage durchwühlt er unzählige Seiten, um ein passendes Angebot zu finden.

Mehr ServiceService wird beim CRM der Zukunft besonders groß geschrieben. Daher werden Unternehmen in den kommenden zwei Jahren zunehmend Seiten einrichten, auf denen sich Kunden informieren und auftretende Produktprobleme selbst lösen können. Durch eine Seite mit FAQs (Frequently Asked Questions) - bei vielen Anbietern schon heute Standard - werden beispielsweise Call-Center entlastet. So laufen die Drähte nicht mehr wegen Routine-Problemen heiß, sodass sich die Mitarbeiter um Spezialfälle kümmern können. Zwei bis vier Jahre wird diese Entwicklung allerdings noch auf sich warten lassen.

In einem weiteren Schritt des E-CRM wird der Online-Einkauf noch weiter automatisiert. Ab 2006 können Agenten eigenständig für den Kunden einkaufen, ohne dass sich dieser persönlich auf Produktsuche begeben muss. Im Auftrag - privat oder geschäftlich - eilt ein Softwareagent zum agentenbasierenden Marktplatz. Dort trifft er virtuelle Kollegen, handelt ein günstiges Angebot aus und macht den Kauf perfekt. Kunden werden so von zeitraubenden Routineaufgaben wie Preisvergleichen und dem Abhaken alltäglicher Einkaufslisten entlastet. Zudem sparen sie Geld.

Der Einsatz mobiler Endgeräte für die Kundenbindung wird in etwa drei Jahren flächendeckend beginnen. Er wird schon deswegen notwendig, weil das Internet für umfangreiche CRM-Pläne einen entscheidenden Nachteil hat: Es ist ortsgebunden. Die Vision vom ortsunabhängigen Real-Time-Marketing lässt sich damit nicht umsetzen. Die Werbeindustrie möchte den Verbrauchern die Werbung dann schicken, wenn das Produkt zum Greifen nahe ist. Geht zum Beispiel ein Krimi-Fan an einem Buchladen vorbei, bekommt er per Handy Informationen zu Neuerscheinungen. Die Ortungsfunktion kann außerdem helfen, einem erhöhten Schutzbedürfnis gerecht zu werden. In einer Umfrage nannten 79 Prozent die Sicherheit als ein Motiv für den Besitz ihres Mobiltelefons. In spätestens zwei Jahren können Eltern mit der neuen Technik zum Beispiel den jeweiligen Standpunkt ihrer Kinder ermitteln.

Trotz guter Anwendungsmöglichkeiten läuft das M-CRM bisher nur schleppend an. Der Grund: Es fehlen nicht nur die Datenbanken, auch die Endgeräteentwicklung ist unzureichend. So reicht bei den derzeitigen Handys die Übertragungsbandbreite nicht aus, um die Visionen der Werbeindustrie in digitale Realität umzusetzen. Bisher investieren die Telekommunikationsunternehmen bevorzugt in E- und M-Commerce. Insbesondere der Einstieg in die UMTS-Welt verzögert sich. Der Marktdurchbruch wird frühestens für 2004 erwartet.

Als Ergänzung zu Internet und Handy wird der Kundenbindung der Zukunft noch ein dritter Weg offenstehen: die Kundenansprache über den Fernseher. Aus altbackener Werbeberieselung wird eine neue Form der Kundenbindung, kurz T-CRM. Hier sollen alle Einzelvorteile zusammenfließen, die Internet und Handy bieten: hohe Übertragungsqualität, Personalisierung und Interaktivität. In diesem Jahr wird das digitale Fernsehen ein zentrales Thema der CeBIT, wo der neue Standard für interaktives Fernsehen, die Multimedia Home Platform (MHP), präsentiert wird. Dort können TV-Zuschauer auch schon mal in Augenschein nehmen, was sie in Zukunft bei der Werbung erwartet. Beispiel Product Placement: In Zukunft kann der Held eines Spielfilms zur Getränkedose greifen, die für den Zuschauer - je nach Profil - als Bier-, Cola- oder Wasserdose erscheint. Bisher handelt es sich dabei eher noch um eine technische Spielerei, denn gerade beim interaktiven Fernsehen liegt Deutschland weit zurück. Vorreiter ist Großbritannien, wo das interaktive TV seit 1999 rund zehn Millionen Teilnehmer gewinnen konnte. Deutschland wird diesen Stand erst 2006 erreicht haben.

Interaktives Fernsehen bedeutet jedoch nicht nur personalisierte Werbung auf Knopfdruck. Mit der Fernbedienung können Zuschauer auch ihr Programm mitbestimmen oder die Kandidaten einer Show auswählen. Dabei werden die Zuschauer von bloßen Konsumenten zu Nutzern, zum Viewer und User, kurz: "Viewser". Wenn Harald Schmidt dann dazu aufruft, den "Liebling des Monats" per Druck "auf den Knopf an der Unterseite des Fernsehsessels" zu wählen, können sich die Zuschauer tatsächlich am "Televoting" beteiligen. Ebenso können sie auf den Ausgang des "Tatort" wetten oder in Quiz-Shows live mitraten. Rund fünf Jahre wird es also noch dauern, bis alle drei neuen Wege der Kundenbindung verfügbar sind und sich für ein Gesamtkonzept nutzen lassen. Dann wird die Entwicklung der Technik den Anforderungen des digitalen CRM gerecht werden. (kf)

*Wilhelm Alms ist Vorstandsvorsitzender der Mummert + Partner Unternehmensberatung in Hamburg.

Die GrundlagenDer Artikel basiert auf den Ergebnissen des "Technologiekompass 2006", einer Trendstudie der Mummert + Partner Unternehmensberatung und der Zukunftsforscher von Z-Punkt, sowie der Vergleichsstudie des Vorjahrs, dem "Technologiekompass 2005". Als weitere Informationsquelle - vor allem zu UMTS-Fragen - diente der "Branchenkompass Telekommunikation". In der regelmäßig erscheinenden Studie wurden Entscheider aus der Telekommunikationsindustrie zu Investitionszielen, Markteinschätzungen und Geschäftspolitik befragt.

Marktdurchbruch der CRM-TechnologienAnwendung / Bereich / Erwarteter Marktdurchbruch in

Live-Chats/Real-Time-Verkaufsberatung / E-CRM / 1 bis 3 Jahren

Service-Portale / E-CRM / 1 bis 3 Jahren

Shop-Bots/ Einfache Verkaufsavatare / E-CRM / 1 bis 3 Jahren

Active Buddies / E-CRM / 1 bis 3 Jahren

Virtuelle Berater in Kundenservice / E-CRM / 1 bis 3 Jahren

Location Based Commerce / M-CRM / 3 bis 5 Jahren

Real-Time-Marketing / M-CRM / 3 bis 5 Jahren

TV-Shops / T-CRM / 3 bis 5 Jahren

Intelligente Trading-Agents und agentenbasierte Marktplätze / E-CRM / 3 bis 5 Jahren

Agenten für mobile Endgeräte / M-CRM / mehr als 5 Jahren

Interaktive Werbung/Target-Marketing / T-CRM / mehr als 5 Jahren

Interaktive Kunden-Service / T-CRM / mehr als 5 Jahren