Chefs müssen zuhören

Wie das Jahresgespräch Mitarbeiter motiviert

22.09.2013
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Jahresendgespräch: Der Chef hört zu

Die Wirtschaftspsychologin Elisabeth von Hornstein rät Führungskräften, sich in Jahresgesprächen zurückzuhalten und die meiste Redezeit dem Mitarbeiter zu überlassen.
Die Wirtschaftspsychologin Elisabeth von Hornstein rät Führungskräften, sich in Jahresgesprächen zurückzuhalten und die meiste Redezeit dem Mitarbeiter zu überlassen.
Foto: von Hornstein

Viele Manager sehen Mitarbeiterjahresgespräche als lästige Pflicht. Die Wirtschaftspsychologin und Professorin Elisabeth von Hornstein aus München berät Unternehmen, wie sie das Instrument erfolgreich einsetzen können.

CW: Wie können sich Führungskräfte auf Mitarbeitergespräche vorbereiten?

von Hornstein: Jedes Unternehmen, das Jahresgespräche einführt, sollte seine Führungskräfte vorab schulen. Gesprächsdramaturgie oder differenziertes Feedback werden in Rollenspielen eingeübt. Manche Chefs schaffen es auch nicht, ihre Mitarbeiter zu loben. Auch das kann man lernen. Wichtig ist, dass nur Manager aus der gleichen Führungsebene an den Trainings teilnehmen. Nur dann trauen sie sich, Schwierigkeiten anzusprechen. So wächst auch die Führungsmannschaft enger zusammen.

CW: Welche Fehler sollten Führungskräfte in den Gesprächen vermeiden?

von Hornstein: Der Mitarbeiter sollte 70 Prozent des Gesprächs bestreiten, die Führungskraft moderierend agieren. Leider spricht häufig der Chef die meiste Zeit. Die Führungskraft sollte Du-Botschaften vermeiden, daran scheitern 60 Prozent der Gespräche.

CW: Wie sollen Vorgesetzte Mitarbeiter kritisieren?

von Hornstein: Aussagen wie "Sie sind desinteressiert" zerstören das Gespräch, der Gesprächspartner fühlt sich angegriffen und verletzt. Besser wäre es zu sagen: "Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie mit weniger Engagement an Ihre Aufgaben herangehen." Das gibt dem Mitarbeiter die Chance, seine Sicht zu schildern, und er fühlt sich nicht direkt angegriffen.

CW: Hilft ein Gesprächsleitfaden?

von Hornstein: Ja, aber er sollte nicht mit zu vielen Themen überfrachtet sein. Hilfreich ist es, wenn beide Seiten einige Wochen zuvor den Bogen ausfüllen und im Gespräch über ihre Einschätzungen diskutieren.

CW: Wie läuft ein ideales Mitarbeiterjahresgespräch ab?

von Hornstein: Nach der Begrüßung nennt die Führungskraft das Gesprächsziel und übergibt an den Mitarbeiter. Seine Standortbestimmung, Perspektive und Entwicklungsziele stehen im Mittelpunkt. Über das Gehalt sollte man separat diskutieren. Es ist schwierig, offen über persönliche Defizite zu sprechen und gleichzeitig mehr Geld zu fordern. Erfahrungsgemäß dauern die Jahresgespräche eine bis eineinhalb Stunden. Am Ende fasst der Mitarbeiter die Inhalte zusammen, um der Führungskraft zu signalisieren, dass die Botschaft angekommen ist und er sich damit auch identifiziert.

CW: Viele amerikanisch geprägte Firmen fordern ihre Manager auf, eine Rangliste ihrer Mitarbeiter zu erstellen. Trägt das zur Leistungssteigerung bei?

von Hornstein: Das geht zu Lasten einer offenen Fehler- und Feedback-Kultur. Wenn Mitarbeiter Angst haben, als Low-Performer abgestempelt zu werden, wirkt sich das negativ auf ihre Leistung aus. Auch die Teamarbeit leidet darunter. Zu strikte Vorgaben an die Führungskräfte engen auch deren Handlungsspielraum ein und führen zu Frustrationen.