Verkaufsgespräche mobilisieren

Wie das iPad den Verkauf revolutioniert

05.11.2013
Von Peter Jungblut-Wischmann
Mit modernen Tablet-Computern und der passenden App können Außendienstmitarbeiter heute effizienter und überzeugender auftreten als jemals zuvor.
Auf dem iPad oder anderen Tablets können sich Kunden Informationen selbst "begreiflich" machen.
Auf dem iPad oder anderen Tablets können sich Kunden Informationen selbst "begreiflich" machen.
Foto: Twelve South

Vorreiter bei der Einführung von iPads im Vertrieb war die Pharmabranche. Schätzungen zufolge ist inzwischen knapp die Hälfte aller Vertriebslinien deutscher Pharmaunternehmen mit Apple-Tablets unterwegs. Die Gründe liegen auf der Hand. Medikamente sind erklärungsbedürftige Produkte und der Wettbewerb um den Namen des eigenen Produktes auf dem Rezept des Arztes ist in vielen Segmenten sehr intensiv.

Die Erfahrungen zeigen allerdings, dass die Pharmafirmen sehr unterschiedlich an das Thema "Einführung von Tablet-PCs im Vertrieb" herangegangen sind. Die Treiber waren anfänglich ausschließlich Marketing und Vertrieb, während die IT-Abteilungen häufig eher skeptisch reagierten. Das führte vielfach zu Alleingängen des Business, die zwar vordergründig das Ziel, innovativ beim Arzt zu erscheinen erfüllten, aber selten den Anforderungen der Unternehmen an Sicherheit, Governance, Effizienz (etwa die Wiederverwendbarkeit der Inhalte) oder Kompatibilität mit der bestehenden IT-Architektur gerecht wurden.

Am besten gelingt die Einführung von Tablet-PCs in einer Vertriebsmannschaft, wenn es als interdisziplinäres Projekt betrachtet wird, in dem alle Beteiligten (IT, Marketing und Vertrieb) auf Augenhöhe miteinander in Dialog treten. Dabei hat sich auch die Einbeziehung von Beratern als sehr wertvoll erwiesen, da das erforderliche Know-how häufig nicht ausreichend in den Unternehmen vorhanden ist.

Tablets in eine digitale Gesamtstrategie einbinden

Der Einsatz von Tablet-PCs im Vertrieb ändert nicht nur das Verkaufen, sondern auch das Marketing grundlegend. Dafür sind zwei Aspekte besonders relevant. Zum einen bietet die Technologie die Möglichkeit, Argumente im Verkaufsgespräch überzeugender zu inszenieren und gleichzeitig das Markenerlebnis zu vermitteln. Was bisher in Papierfoldern durch die Bildwelt und die Sprache nur begrenzt erreichbar war, erhält nun durch in das Verkaufsgespräch integrierte Animationen und Interaktionen eine völlig neue Dimension.

Das Verkaufsgespräch auf dem Tablet verbindet die effektive Argumentation mit der Vermittlung des Markenerlebnisses.
Das Verkaufsgespräch auf dem Tablet verbindet die effektive Argumentation mit der Vermittlung des Markenerlebnisses.
Foto: AyeQ GmbH

Gedruckte Broschüren und Verkaufsunterlagen auf Papier sind nicht nur unflexibel, sondern erreichen auch bei hohen Investments in die Konzeption nie das Maximum an Überzeugungskraft. Die Inhalte von Verkaufsgesprächen auf einem Tablet hingegen können durch eine intelligente Auswertung der Tracking-Daten aus den Kunden-Dialogen ständig verbessert werden und nahezu 100 Prozent der möglichen Überzeugungskraft erreichen.

Dazu werden die Inhalte nicht nur verbessert, sondern auch an die individuellen Informationsbedürfnisse einzelner Kundengruppen oder gar einzelner Kunden angepasst. Diese Individualisierung der Verkaufsgespräche führt dazu, dass die App automatisch genau den Ablauf auswählen kann, der den jeweiligen Kunden mit der größten Wahrscheinlichkeit überzeugt.

Davon profitieren vor allem noch unerfahrene Vertriebsmitarbeiter, da die App durch das Verkaufsgespräch führt und so eventuell vorhandene verkäuferische Defizite kompensiert.

Anders als beim Tablet erreicht eine konventionelle Verkaufsunterlage niemals ein Optimum.
Anders als beim Tablet erreicht eine konventionelle Verkaufsunterlage niemals ein Optimum.
Foto: AyeQ GmbH

Diese "hohe Schule" des mobilen Verkaufens setzt allerdings hohe Anforderungen an die Technik und die Verkaufsmethodik, die eng aufeinander abgestimmt sein müssen. Die im Markt führenden Dialog-Apps können nicht nur den Kundentyp erkennen und den passenden Handlungsstrang auswählen. Sie setzen verkaufstheoretische Grundlagen konsequent um, etwa indem sie Einwände und Fragen provozieren, den Kunden aktiv in das Verkaufsgespräch einbeziehen oder den Ablauf wechseln, wenn sie "merken", dass der ursprünglich gewählte Weg nicht zum Erfolg führt.

Sicher: All das ließe sich auch mit herkömmlichen Laptops bewerkstelligen. Aber der entscheidende Vorteil von Tablet-PCs liegt in der Nutzbarkeit der Senso-Motorik im Verkaufsgespräch: Informationen, die sich Kunden selbst auf dem Tablet "begreiflich" machen, indem sie den eigenen Zeigefinger nutzen, werden nachweislich besser und schneller verstanden und länger behalten. Der Grund dafür liegt darin, dass man den Finger als Außenposten des Gehirns verstehen kann. Es besteht eine direkte Nervenverbindung mit sehr hohen Leitungsgeschwindigkeiten. Jedes Kind lernt primär durch den Tastsinn und auch Erwachsene nutzen ihn, wenn sie einer Sache wirklich auf den Grund gehen wollen.

Datenerfassung leicht gemacht

Ein zweites wichtiges Argument für Vertriebs-Apps ist das Thema Datenerhebung: Durch Internet-Anbieter wie Amazon wissen wir, wie effektiv Tracking-Daten genutzt werden können. Doch wie viel wirkungsvoller lassen sich Informationen sammeln, wenn ein Verkäufer mit einer Website auf dem Tablet persönlich beim Kunden auftritt und ihn praktisch durch die Inhalte führt? Nichts anderes ist das Verkaufsgespräch mit dem Tablet-PC, nur dass die Dialog-App noch viel "intelligenter" ist als eine Website. Das Potenzial der Kunden-Profil-Daten - und das ist der zweite wesentliche Aspekt zum Thema Digital-Strategie - wird Marketing grundlegend verändern.

Welche Ausstattung brauchen Tablets im Vertrieb?

Das zentrale Argument für den Einsatz von Tablet-PCs im Vertrieb ist die oben beschriebene Möglichkeit, die Überzeugungskraft im Verkaufsgespräch zu steigern. Allerdings ist eine Dialog-App - und sei sie auch noch so effektiv - alleine auf Dauer nicht befriedigend. Best Practice ist daher die komplette Mobilisierung aller Prozesse im Vertrieb. Allerdings nicht auf einen Schlag.

Wie man am besten vorgeht, mit welcher Anwendung man startet und welche Anwendung man wann ausrollt, hängt von der Ausgangssituation ab. Vertriebsmannschaften, die bereits Laptops im Kundendialog einsetzen, kann man mehr "zumuten" als Linien, die bisher nur mit Papier arbeiten. Vieles spricht dafür, das Tablet erst einmal als reines Dialog-Instrument einzusetzen und mit einigen Grundfunktionen wie E-Mail auszustatten und erst nach und nach auf eine One-Device-Strategie umzusteigen.

Das richtige Launch-Konzept entscheidet über Erfolg und Misserfolg

Die Akzeptanz von Tablet-PCs im Verkaufsgespräch ist per se sowohl bei Verkäufern als auch bei Kunden hoch. Das zeigt eine Metaanalyse aus insgesamt acht Untersuchungen aus den Jahren 2010 bis 2012, basierend auf den Angaben von mehr als 1.000 Außendienstmitarbeitern und über 500 Kunden. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Kunden als auch Außendienstmitarbeiter das iPad als Präsentationsmedium überwiegend positiv bewerten. Die Außendienstmitarbeiter heben besonders die Möglichkeit hervor, komplexe Inhalte anschaulich darzustellen. Dies mache die Verkaufsgespräche interessanter, sie dauerten darum länger, seien effizienter und überzeugender, gaben 80 Prozent der Befragten an. Die Kunden ihrerseits schätzen der Metastudie zufolge die Flexibilität bei den Produktpräsentationen und sehen den Vorteil vor allem darin, dass die Außendienstmitarbeiter flexibel auf ihre Informationsbedürfnisse reagieren können. Auch sie attestieren, dass sich der Einsatz des iPads positiv auf die Diskussionen mit den Verkäufern auswirkt. Das iPad hilft mit, die Information des Kunden über Produktinnovationen zu verbessern und Kundenentscheidungen rationaler zu machen.

Dieser Bonus kann allerdings schnell verspielt werden, wenn die Außendienstmitarbeiter nicht professionell und intensiv auf den Einsatz des Tablet-PCs im Verkaufsgespräch vorbereitet werden. Dabei muss man sich darüber im Klaren sein, dass ein Verkaufsgespräch mit Tablet völlig anders abläuft, als mit einer Papierunterlage. Bei allen Vorteilen lauern eine ganze Reihe von Fallstricken. Diese können dazu führen, dass sich die Vertriebler bei den ersten Gehversuchen mit der neuen Technik beim Kunden eine blutige Nase holen und damit das Thema in der gesamten Vertriebsmannschaft in Misskredit ziehen können. Ein entsprechendes Training und ein durchdachtes Launch-Konzept kann das vermeiden.

Fazit: Klare Vorteile, erheblicher Mehrwert

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von Tablets klare Vorteile und einen erheblichen Mehrwert gegenüber herkömmlichen Instrumenten bietet. Die vier wichtigsten Aspekte sind:

  • Die höhere ÜberzeugungskraftWenn Methodik, Kreativität, Didaktik und Technik aufeinander abgestimmt sind, sind Tablets ein extrem effektives Werkzeug in der Hand der Verkäufer.

  • Das einfache Handling im VerkaufsgesprächEin Tablet kann im Verkaufsgespräch fast wie eine Papierunterlage genutzt werden. Es ist per Knopfdruck einsatzbereit und setzt der Kreativität des Verkäufers keine Grenzen.

  • Die Stärkung des Mittelfeldes einer Vertriebsmannschaft

Mit der oben beschriebenen Methodik kann nachweislich die Abhängigkeit des Verkaufserfolges von der Persönlichkeit des Verkäufers reduziert werden. Dies betrifft vor allem den Teil einer Sales Force, der das größte Potenzial bietet, das Mittelfeld.

Damit die Geräte ihre Stärken ausspielen können, müssen die Anwender eine Gesamtstrategie entwerfen, ihre Mitarbeiter schulen - und einen Partner hinzuziehen, der ihnen die passende Softwareinfrastruktur zur Verfügung stellt. Die momentane Situation lässt sich wohl am besten mit der Umstellung von der Kutsche auf das Auto vergleichen: Man hat zwar das neue Gerät, fährt aus Gewohnheit aber noch genauso gemächlich wie früher. (mb)

Das Fachbuch „Die Revolution des Verkaufens. Drei Jahre Erfahrungen mit dem iPad im Vertrieb“ von Peter Jungblut-Wischmann und Cornelia Englert, ist ab November 2013 im Handel erhältlich (ISBN: 978-3-944002-37-8).