IT mit Produktverantwortung

Wie CIO Markus Müller die IT der Deutschen Telekom saniert hat

13.05.2014
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Mit dem Ziel, die IT-Ausgaben um eine Milliarde Euro zu senken, trat Markus Müller vor zwei Jahren seinen Job als CIO der Deutschen Telekom an. In der Folge wurde die gesamte Konzern-IT neu aufgestellt. Was genau ist passiert?

Nein, besonders sexy sei das nicht gerade, womit er die vergangenen beiden Jahre verbracht habe, räumt der Telekom-CIO, der auch in der T-Systems-Geschäftsführung sitzt, ein. Es seien eher strukturelle Änderungen gewesen, noch nicht einmal besonders neuartige. Er habe ganz einfach seine Hausaufgaben gemacht. Aber das sei schließlich die Voraussetzung dafür, dass die IT das Business optimal unterstützen könne.

Hört sich ganz so an, als habe da vorher jemand versäumt, zu tun, was nötig war. Na ja, die Struktur sei auch eine völlig andere gewesen, schränkt Müller ein. Als er von der Allianz zur Telekom wechselte, habe es dort überhaupt keine zentrale IT-Organisation gegeben. Die informationstechnischen Bereiche seien den lokalen Geschäftseinheiten angegliedert gewesen. Und T-Systems war als interner Dienstleister gesetzt.

So kam es, dass Müller Anfang 2012 einen Anruf vom damaligen Telekom-Finanzvorstand Timotheus Höttges erhielt: Das jährliche IT-Budget in Höhe von 2,8 Milliarden Euro sei - verglichen mit dem von Konkurrenten - um eine Milliarde Euro zu hoch, und ob er sich zutraue, die bis Ende 2015 einzusparen.

"Da standen einige Ruinen herum"

Müller traute sich - und fand schnell heraus, dass hohe Kosten nicht das einzige IT-Problem der Telekom waren. Es gab gravierende Schwierigkeiten mit der Systemstabilität: "Jede Woche konnten mehrere Tausend Mitarbeiter für eine Weile nicht arbeiten." Außerdem war schon seit geraumer Zeit kein großes Projekt mehr abgeschlossen worden: "Da standen einige Ruinen herum." Müllers Vorgänger Steffen Roehn hatte schon im Oktober 2011 das Unternehmen verlassen. Offenbar wollte der Telekom-Vorstand die IT-Struktur schon zu dessen Zeiten umbauen, denn als offiziellen Grund für sein Ausscheiden führte Roehn gegenüber der COMPUTERWOCHE-Schwesterpublikation "CIO" an, er wolle nicht gleichzeitig die Demand- und die Supply-Seite verkörpern.

Müller hingegen mag eigenen Angaben zufolge "die mit dieser Doppelrolle verbundenen Herausforderungen". Er verweist sogar auf die Synergieeffekte, die sich aus dem direkten Zugriff des IT-Bereichs auf den internen Dienstleister ergäben. Außerdem hätten die beiden Unternehmensbereiche getrennte Budgets und eigene Buchungskreise im SAP-System. Genauso wichtig wie diese Synergie sei aber ein anderer Aspekt des IT-Umbaus: Die Verantwortung für die gesamte Informationstechnik liege nun in einer Hand.

IT mit Produktverantwortung

Aus Müllers Perspektive ist die Telekom-IT quasi ein Bereich mit Produktverantwortung. Zwar gebe es auch Unterstützungsfunktionen wie den Betrieb der Abrechnungssysteme und die Bereitstellung des Customer-Relationship-Managements. Daneben bestehe jedoch ein Großteil der Telekom-Angebote hauptsächlich aus IT: "Unsere Produkte, sprich: Services, werden im Rechenzentrum produziert und von dort geliefert." Damit sei die IT ein produzierender Unternehmensbereich. Nur habe dessen Performance lange Zeit nicht zum Anspruch gepasst.

In der Zwischenzeit habe sich das gründlich geändert, beteuert der IT-Chef. Um insgesamt 700 Millionen Euro (zirka 350 Millionen Euro pro Jahr) habe er die jährlichen IT-Ausgaben bereits verringert. Bis Ende des kommenden Jahres sollen sie noch einmal um insgesamt 300 Millionen schrumpfen. Gleichzeitig habe sich die Zahl der schwerwiegenden Systemausfälle um zirka 80 Prozent reduzieren lassen. Und es sei eine der Dauerbaustellen auf der Projektliste angepackt worden: Mit dem Start des Rollouts für ein konzernweites SAP-System in Deutschland habe die Telekom-IT angefangen, einheitliche Einkaufs-, Finanz- und Logistikprozesse einzuführen.

Wie der CIO das geschafft hat? - Durch eher unspektakuläre Maßnahmen, wie er sagt. Sieben Erfolgsfaktoren hat er ausgemacht.

1. Das Vertrauen in die IT zurückgewinnen:

Das Business muss die IT respektieren und als Partner wahrnehmen. Das geht nicht über Folien auf dem Projektor, sondern nur über konkret messbare Ergebnisse: hinsichtlich Stabilität, Liefertreue und Kostensenkung. "Seit das Vertrauen wiederhergestellt ist, wird die IT auch stärker in Diskussionen um Innovationen eingebunden."

2. Effektivere Führungsstrukturen schaffen:

"Ich muss Zugriff auf die Leute haben und sie steuern können", fordert Müller. So werde die Organisation führbar. Erst einmal habe er also die deutsche IT-Organisation, die IT der Zen-trale und den internen IT-Dienstleister der T-Systems zusammengeführt.

Insgesamt 8600 Mitarbeiter wurden in einem Team gebündelt. Darüber hinaus schuf der CIO eine Organisation mit sieben Bereichen, die jeweils die komplette Verantwortung für eine Wertschöpfungskette - von der Planung über die Umsetzung bis zum Betrieb - entlang der IT-Domänen des Konzerns übernahmen: "Ich will bei Problemen jemanden haben, den ich direkt darauf ansprechen kann."

3. Die Kosten transparent managen:

Alle Kosten lassen sich in einer einfachen Tabelle darstellen, so Müllers Überzeugung. Dort seien Kostenarten und Mittelverwendung aufgelistet. Das IT-Budget werde drei Bereichen zugeordnet: Projekten, Applikationsbetrieb und Overhead, und jeder Mitarbeiter müsse sich einer dieser Kostenebenen zuordnen.

Da gebe es durchaus Potenzial für mehr Effizienz, räumt der CIO ein: "Wir überlegen, ob wir auf den Betrieb eine Quote drauflegen." Denn es gelte ja, weitere 300 Millionen Euro einzusparen, "weshalb wir auch eigene Mitarbeiter abbauen müssen". Damit wurde bereits 2013 begonnen, doch weitere 2000 Mitarbeiter müssen bis Ende 2015 "sozial verträglich abgebaut werden", wie Müller sagt.

4. Die IT-Architektur flexibilisieren:

"Wir müssen konsequent dafür sorgen, dass wir alte Applikationen abschalten, sonst fahren wir zu hohe Betriebskosten, und das Geld fehlt dann für Projekte", stellt der Telekom-CIO klar. Das Verhältnis von Betrieb zu Entwicklung habe in den vergangenen eineinhalb Jahren schon deutlich verbessert werden können. Im Moment machten beide jeweils 50 Prozent der IT-Investitionen in Deutschland aus. Die Verbesserungen seien zum Teil das Ergebnis eines konsequenten Retire-Programms, verrät Müller: "Wer etwas Neues baut, muss auch aufräumen." So ist der Hausputz fester Bestandteil jedes Projekts; fünf Prozent der Kosten sind jeweils dafür reserviert. Dadurch allein hat die Telekom-IT laut Müller etwa 25 Millionen Euro pro Jahr gespart.

Hohe Einsparungen zieht auch die Einführung einer Layered Architecture nach sich. Derzeit stellt die Telekom-IT alle Produkte auf eine IP-Architektur um: "Damit machen wir die Produktwelt von der Infrastruktur unabhängig", begründet Müller das Vorgehen. Für die Telekom-Kunden bringe das ebenfalls Vorteile: "Sie können bei einem Umzug quasi Plug and Play den Anschluss mitnehmen."

5. Demand-Management einführen:

Die Geschäftsanforderungen an die IT werden heute priorisiert, und auf Grundlage dieser Priorisierung wird das Projektbudget (in Deutschland etwa 700 Millionen Euro pro Jahr) verteilt. Da ist der IT-Chef häufig gefordert, ein Machtwort zu sprechen: "Eine meiner Rollen besteht darin, Smart Pushback zu betreiben, also auf freundliche, aber bestimmte Weise Nein zu sagen."

6. Personalentwicklung betreiben:

Auch wenn Personal abgebaut werden müsse, sei es notwendig, fehlende Qualifikationen und Kompetenzen zu ergänzen, betont Müller. Oft geschehe das durch Schulung der vorhandenen Mitarbeiter. Aber das funktioniere nicht immer: "Deshalb müssen wir trotz des bevorstehenden signifikanten Abbaus auch kurzfristig 150 Arbeitsplätze neu aufbauen, wenn die Tätigkeitsprofile nicht durch Umschulung eigener Mitarbeiter erfüllbar sind."

7. Die Stabilität im Auge behalten:

Monitoring und Controlling sind lästig, aber notwendig. "Wir streben eine Null-Fehler-Toleranz an", nennt Müller die hochgesteckten Ziele, "in diesem Jahr wollen wir die Stabilität noch einmal um 20 Prozent steigern."

Schon heute fielen die Systeme nur noch alle paar Wochen aus, aber auch das sei noch zu viel, bekennt Müller: "Allerdings sind das jetzt keine Handling-Fehler mehr, sondern klassische Fehlfunktionen wie Hardwareausfälle. Fehler durch mangelnde Aufmerksamkeit haben wir heute im Griff."

Zur Person Markus Müller

Markus Müller, CIO der Telekom AG
Markus Müller, CIO der Telekom AG
Foto: Telekom AG
  • Markus Müller hat "IT studiert" - und im Fach Informatik promoviert. Nach dem Studium war er zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Systemprogrammierung und IT-Architektur an der Universität Passau.

  • Danach wechselte Müller zu McKinsey & Co., wo er in Deutschland und den USA hauptsächlich in der Finanzindustrie tätig war.

  • Im Jahr 2000 zog es den damaligen Berater zur Allianz, wo er zunächst die E-Business-Strategie der Gruppe verantwortete. Anschließend war er für den Aufbau der Group IT zuständig.

  • Als Chief Operating Officer IT übernahm Müller die Leitung der IT-Restrukturierung und des Direct Banking bei der kurzzeitig zum Allianz-Konzern gehörenden Dresdner Bank. Als einen Schwerpunkt seiner Aufgaben dort nennt er die Kostenoptimierung bei gleichzeitiger Qualitäts- und Performance-Steigerung.

  • Nach seiner Rückkehr zur Allianz verantwortete Müller als Head of Group IT die Entwicklung eines internationalen IT-Shared-Service-Ansatzes im operativen Versicherungsbetrieb.

  • 2010 wurde er CIO der Allianz Holding. Von dort warb ihn die Telekom ab.

  • Seit dem 1. Juni 2012 ist der 52-jährige nun Geschäftsführer Telekom IT innerhalb der T-Systems International GmbH und verantwortet in dieser Funktion auch die IT für die gesamte Deutsche Telekom.