Wie aus einem Schwimmbad ein Öko-Rechenzentrum wird

22.06.2009
Was macht man mit einem ausgedienten Schwimmbad? Ganz einfach: ein Rechenzentrum – und zwar eines mit intelligenter Klimatisierung.

Hightech statt Wasser: Im stillgelegten Schwimmbad eines Tagungshauses ließ die Diözese Rottenburg-Stuttgart ein energieeffizientes Rechenzentrum errichten. Die intelligente Klimatisierung der 95 physischen und 50 virtuellen Server spart bis zu 50 Prozent der Energiekosten. Zwölf Jahre lang war das Schwimmbad verwaist. Jetzt wird es als zweites Rechenzentrum neben einem Primär-RZ der Diözese genutzt. Wo einst die Gäste des Tagungshauses ihre Bahnen zogen, wird jetzt gerechnet, gespeichert und gekühlt.

"Als im Winter 2007 die Entscheidung fiel, ein Dokumenten-Management-System einzuführen und im Gegenzug Teile des umfangreichen Papierarchivs zu vernichten, war klar: Ein zweites Rechenzentrum muss her", resümiert Martin Mast, IT-Leiter der Diözese, die Gründe für die IT-Investitionen seines Arbeitgebers.

Der Bau des Sekundär-RZ ist Teil eines groß angelegten Plans: Durch Sanierungs-, Um- und Neubaumaßnahmen mit einem Investitionsvolumen von insgesamt 36,5 Millionen Euro sollen die heute 13 Verwaltungsstandorte des bischöflichen Ordinariats und das Primär-RZ bis 2013 in einem neuen, energietechnisch hochmodernen Gebäudekomplex zusammengefasst werden. Das jetzt eröffnete RZ ist dabei ein wichtiger Baustein.

Aufrüsten für den Brandschutz

Im Grundsatz waren zusätzliche Kapazitäten für neue Aufgaben wie das Dokumenten-Management-System (DMS) notwendig. Gleichzeitig musste das RZ aber so ausgelegt sein, dass es im Februar und März 2009, während des Umzugs des Primär-RZ in einen Container, auch 80 Prozent des kompletten Rechenbetriebs der Diözese leisten konnte.

Stolz ist IT-Leiter Mast auf den Standort des RZ: "Nach eingehenden Prüfungen konnten wir ein seit zwölf Jahren stillgelegtes Schwimmbad in einem unserer Tagungshäuser reanimieren. Das ist eine optimale Nutzung für einen so lange verwaisten Raum." Zunächst mussten Erdgeschoss und Keller des Gebäudes brandschutzgerecht aufgerüstet werden. "Diese Arbeiten, die bis hin zum Auswechseln aller Kunststoff-Dübel in den zwei Geschossen gingen, haben fast einen ebenso hohen Aufwand verursacht wie der Einbau des RZ in das Schwimmbad selbst", berichtet der IT-Leiter.

Den Auftrag für die Planung und Realisierung des Rechenzentrums erhielt der IT-Dienstleister T-Systems, der das Projekt an die Sysback AG in Dresden weiterreichte. Die Entwürfe sahen vor, das Schwimmbecken mit Hilfe einer eigens gefertigten Stahlkonstruktion als Doppelboden zu nutzen. Die Abwärme des Rechenzentrums verwendet die Diözese zur Erwärmung des Frischwassers im Gebäude.

Diözese Rottenburg-Stuttgart

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart ist ein großes Unternehmen. Sie betreibt unter anderem:

  • zehn Krankenhäuser,

  • 93 medizinische Fürsorgestellen,

  • 170 Alten- und Pflegeheime,

  • 27 Waisenhäuser,

  • 18 Kindertagesstätten

  • und 150 Familienberatungsstellen.

IT-Service von unten

Die Schwimmhalle wurde zunächst im August 2008 in zwei Räume aufgeteilt. Der kleinere von beiden erhielt einen Zugang von außen. Die Fensterfront wurde zugemauert, so dass ein rundum geschlossener, nur durch den Vorraum zugänglicher Server-Raum entstand. Ein über dem Becken eingezogener Stahlbau sorgt für eine ebene Fläche und dient außerdem als Aufhängung für die Kabeltrassen, auf denen die Datenkabel und Stromleitungen separat verlaufen. Der Doppelboden darunter ist durch fünf Stufen zugänglich, die ins ehemalige Bassin hinunterführen. Im Servicefall entfernen Mast und seine Mitarbeiter lediglich einige Doppelbodenplatten.

Im Server-Raum stehen für die neuen HP-Maschinen zehn IT-Racks von Schäfer IT-Systems. Die ersten Racks jeder Reihe fassen je eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) mit einer Leistung von 32 Kilovoltampere (KVA). Das entspricht einer tatsächlichen Leistung von etwa 24 Kilowatt (KW) pro Gerät, womit wiederum für jedes der acht Server-Racks etwa drei bis vier KW zur Verfügung stehen.

Mit dieser Leistung und ihrer redundanten Auslegung garantieren die USV-Anlagen die Stromversorgung der Server auch im Notfall. "Wegen der Garantiebestimmungen des Herstellers durften wir die USVen nicht aus ihrem Gehäuse entfernen. Darum haben wir sie kurzerhand komplett in die Racks eingebaut", erläutert Michael Panno, bei Sysback Leiter RZ-Infrastruktur.

Über beide RZ-Standorte verteilt betreibt die Diözese 145 Server-Systeme, davon 50 virtualisiert. "Wir haben zweimal 10 TB zentrale Speicherkapazität und weitere 5 TB lokalen Speicher in den Servern", erklärt Mast. "Die gesamte Leistungsaufnahme dieser Systeme liegt bei etwa 28 KVA."

Einhausung schafft Energieeffizienz

Um eine optimale Kaltluftführung zu realisieren, reihte das Projektteam je fünf der Racks aneinander, baute sie nach dem Front-zu-Front-Prinzip auf und ummantelte sie schließlich mit einem verglasten Dach sowie mit Schiebetüren. "Allein durch die Einhausung lassen sich bereits 15 bis 20 Prozent Klimaleistung und Kosten einsparen", erklärt Panno. Auch IT-Leiter Mast ist zufrieden: "Durch die Einhausung und die konsequente Optimierung der Server-Racks können alle Wärmebrücken geschlossen werden. Die Klimatisierung des neuen Rechenzentrums ist jetzt effizient gelöst."

Die Kühlung besorgt ein Klimagerät, das die Zuluft auf etwa 22 bis 23 Grad Celsius abkühlt und sie über das komplett abgedichtete Schwimmbecken durch einen Gitterrost zwischen den Rack-Reihen einbläst. "Ziel war es, eine statische Kaltluftsäule aufzubauen. Das geht nur mit einer Kaltgangeinhausung", so Panno weiter.

Die von den Servern auf etwa 28 Grad erwärmte Raumluft wird hinter den Rack-Reihen wieder abgesaugt. Die Rückkühler und das Gebläse sind im Technikraum, dem ehemaligen Heizungsraum des Schwimmbads, untergebracht. "Die Klimaanlage hat keine lärmverursachenden Außengeräte", freut sich Mast.

Um Wärmeinseln zu verhindern, hat Sysback das Dach zwischen den Schrankreihen rund 20 Zentimeter oberhalb der Schränke eingebaut. Die Lufttemperatur wird mit Wärmefühlern ganz oben links und rechts unterm Dach festgestellt. Sobald die Sensoren die voreingestellte Temperatur messen, fährt die Drehzahl der elektronisch gesteuerten Lüftungsmotoren im Klimagerät automatisch herunter. "Mit dieser teilintelligenten Lösung kann man gegenüber durchgängig laufenden Klimageräten 50 Prozent Kühlleistungsenergie sparen", sagt Panno.

Ein wichtiger Teil der Hocheffizienzlösung ist die Nutzung der RZ-Abwärme. Diese wird von einem Wärmetauscher im Technikraum aus über Schläuche abgeführt und für die Warmwasseraufbereitung des angrenzenden Gebäudes genutzt. Durch die Wärmekopplung wird das Wasser aus dem Netz des Versorgers statt mit neun Grad Celsius jetzt mit 40 bis 60 Grad über einen 2000-Liter-Boiler an die Warmwasseranlagen des Tagungshauses weitergeleitet.

Der Effizienzgewinn ist beträchtlich: "Küche und Übernachtungsgäste haben einen erheblichen Warmwasserbedarf", erläutert Mast. "Die Projektierung geht davon aus, dass wir durch die Abwärmenutzung etwa 8000 Liter Heizöl sparen, die bisher für die Erwärmung des Wassers notwendig waren."

Schwimmbad zu RZ in drei Monaten

Laut Panno nahm der Schwimmbad-Umbau, der mit ortsansässigen Handwerkern vorgenommen wurde, inklusive der Brandschutzmaßnahmen etwa drei Monate in Anspruch. Der Aufbau des RZ dauerte etwa acht Wochen. Als das alte RZ im Februar und März 2009 wegen Umzugs außer Gefecht gesetzt war, musste das neue RZ bereits 80 Prozent der gesamten Rechenleistung übernehmen. Diese Feuerprobe gelang laut Mast problemlos. Die Projektausgaben für das Schwimmbad-Rechenzentrum beziffert er auf eine halbe Million Euro zuzüglich der Hardwarekosten. (jm)