Wie amerikanische DV-Anbieter in Europa agieren US-Konzerne beschneiden die Autonomie ihrer Toechter

23.12.1994

PARIS (IDG) - Die europaeischen Tochtergesellschaften der grossen amerikanischen Computerkonzerne hatten 1994 eine doppelte Mission zu erfuellen. Nicht nur den Anforderungen der lokalen Kundschaft in den jeweiligen Laendern war Rechnung zu tragen, auch mussten die Organisationen so angepasst werden, dass interne Synergien genutzt und das Ziel einer globalen Ausrichtung nicht aus den Augen verloren wurde.

IT-Giganten wie IBM, Microsoft oder Compaq verkauften sich gegenueber ihren Kunden mehr denn je als Unternehmen mit einem weltweit einheitlichen Gesicht. Im Hintergrund einer auf nationale Anforderungen angepassten Schnittstelle, so der Eindruck, laeuft ein nahezu perfekt organisierter, maechtiger Apparat. Dennoch bekamen die Grossen der IT-Branche zu spueren, dass Europa eben doch nicht der einheitliche Markt ist, als den ihn die Euro-Politiker gerne hinstellen.

IBM hat die Frage "Global oder national?" mit einer weltweiten Reorganisation beantwortet, durch die Internationalitaet in den Vordergrund rueckt. Insgesamt 14 branchenorientierte Unternehmenseinheiten agieren weltweit, die Autonomie der Landesniederlassungen ist zwar nicht passe, aber angegriffen.

"Diese Organisation bedeutet keine Schwaechung der lokalen Praesenz der IBM", beeilt sich der Pariser IBM-Sprecher Joerg Winkelmann zu erklaeren. Im Gegenteil, mit dieser Organisation habe Big Blue die Chance, branchenspezifisches Know-how weltweit an Kunden weiterzugeben. Ob der IBMer mit seinem Optimismus recht behaelt, wird sich im naechsten Jahr zeigen - Insider sind sich dessen nicht so sicher. Die Reorganisation wird vom 1. Januar 1995 an wirksam.

Als Microsoft sich im April des abgelaufenen Jahres neu strukturierte, ging es ebenfalls darum, die internationalen Gemeinsamkeiten staerker zu betonen und Synergieeffekte zu nutzen. Den europaeischen Filialen wurde im Bereich Auftragsabwicklung Verantwortung abgenommen. Aus Gruenden der Effizienzsteigerung legte das weltweit groesste Softwarehaus wichtige Funktionen zusammen - angeblich, ohne dass die europaeischen Kunden etwas davon gemerkt haetten.

"Zuerst waren die Tochtergesellschaften weitgehend autonom organisiert, alle Funktionen befanden sich unter einem Dach", erklaert Microsoft-Direktor Bill Henningsgaard. "Jetzt konzentrieren sich die Europaeer mehr auf Verkauf und Marketing, weniger auf Produktions- und Finanzangelegenheiten." International ausgerichtete Grosskunden unterstuetzt Microsoft mit einer eigens dafuer ins Leben gerufenen, globalen Geschaeftseinheit.

Organisatorische Veraenderungen gab es 1994 auch bei der Compaq Corp., die sich zum PC-Anbieter Nummer eins hocharbeitete. Das Unternehmen zeigte sich bemueht, mit vorsichtigen Zentralisierungsschritten moeglichst wenig in die Kundenbeziehungen der nationalen Gesellschaften einzugreifen. Der wichtigste Einschnitt, den Compaq-Chef Eckhard Pfeiffer vornahm, war die Aufteilung des Geschaefts in den Consumer- und den Professional- Markt.

Mit dieser Trennung konnte Compaq nicht nur auf die stark wachsende Nachfrage im Consumer-Segment reagieren. Ebenfalls gewann man mehr Freiheit in puncto Preisgestaltung, Nutzung neuer Verkaufskanaele, Produktmodifikation und technischem Support. Dennoch beteuert der Muenchner Marketing-Direktor Bruno Didier: "Unsere

Tochtergesellschaften in Europa sind und bleiben kundenorientiert."

Aus der Not geboren war die konzernweite Restrukturierung bei der Digital Equipment Corp. Das Unternehmen hatte durch Milliardenverluste, Massenentlassungen und den Verkauf ganzer Unternehmenseinheiten negative Schlagzeilen gemacht - Chief Executive Officer Robert Palmer musste zu drastischen organisatorischen Massnahmen greifen.

Palmer isolierte zunaechst eine ausschliesslich fuer Technologie verantwortliche Geschaeftseinheit, die sich mit Computersystemen und -komponenten beschaeftigen sollte. Darueber hinaus gruendete er die Business Units Consulting, Semiconductor und Multivendor Customer Service. Die Reorganisation diente unter anderem dem Zweck, innerhalb von zwei Jahren die weltweiten Ueberkapazitaeten in der Produktion zu eliminieren und die Matrixorganisation aufzuheben.

Die Restrukturierung bei Digital, in deren Rahmen bis Ende naechsten Jahres die weltweite Mitarbeiterzahl auf 60 000 zurueckgeschraubt werden soll, sieht unter anderem eine staerkere Verlagerung des Geschaefts auf indirekte Vertriebskanaele vor. Analysten fuerchten, dass die ueberwiegend verunsicherten und frustrierten Digital-Mitarbeiter nicht im gewuenschten Mass mitziehen. Den Beschaeftigten kommt in der neuen Konzernstruktur deutlich mehr Verantwortung zu; auf ihnen lastet Druck wie nie zuvor.