Wider das Gerede Über die Stagnation beim Großrechner-Bedarf

05.12.1975

Dipl.-Kfm. Dieter F. Sauer

Marketing-Direktor Sperry Rand GmbH Geschäftsbereich Sperry Univac

Wenn eine explosionsartig wachsende Weltbevölkerung weitere. Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft, weitere Steigerungen der Hektar-Erträge erzwingt, oder, anders ausgedruckt: wenn es stimmt, daß der stets zunehmende Hunger in der Welt den Absatz von Landmaschinen fördert, dann wird auch der Bedarf, der "Hunger", nach Informationen den Absatz des Computers weiterhin fördern und auf lange Sicht das Wachstum dieser Branche vorprogrammierten. Wir sollten den Computer heute nicht mehr sehen als einen Moloch, der als Ergebnis seiner datenverschlingenden Tätigkeit ungeheure Mengen von bedrucktem Papier von sich gibt und der dadurch auf sehr wirksame Weise zur Informationsverschmutzung beiträgt. (Wir müssen allerdings zugeben, daß er dies, heute in vielen Fällen zweifellos noch tut.) Wir sollten den Computer vielmehr betrachten als ein Rationalisierungsinstrument zur Steuerung von Informationen, als eine Datenzerkleinerungs- und -verwertungszentrale, die durch intelligenten Einsatz zum Abbau der Informationsüberfütterung beiträgt, die sowohl die menschliche Leistungsfähigkeit als auch die Leistungsfähigkeit von Organisationen überfordert und zu Störungen, Entartungen und Krankheiten führt.

Ungewisse Erwartungen hinsichtlich der Konjunkturentwicklung und ein wachsender Kostendruck des vorhandenen Betriebsapparates zwingen den vernünftigen Computer-Anwender zu intensiverem Kostenbewußtsein. Daraus ergibt sich die Tendenz, vorhandene Kapazitäten besser zu nutzen und mit Neuanschaffungen zu warten. Der Anwender tut dies um so lieber, als ja heute Systemumstellungen in aller Regel doch noch mit Problemen behaftet sind - bei aller bereits gegebenen Daten- und Programmkompatibilität der modernen Systeme. Überdies verhindern Beharrungsvermögen und Vorurteile vieler direkt mit Computern arbeitenden Mitarbeiter sicher in vielen Fällen eine notwendige und auch ökonomisch vernünftige Umstellung.

Alle Welt spricht heute von der verteilten Computer-Intelligenz, vom Computer auf dem Weg zum Endbenutzer. Was ist daran eigentlich so neu und so sensationell und weshalb zweifeln manche, daran, daß der Weg zum Endbenutzer auch über den Großrechner führen kann? Zweifellos wird heute die Organisation von Rechenzentren nicht mehr in dem Maße von der Verfügbarkeit der Hardware bestimmt, wie dies in den sechziger Jahren noch üblich war. Das EDV-Konzept heute kann mit dem Blick auf die Struktur und Besonderheiten des jeweiligen Anwenders entwickelt werden. Heute denken wir nicht mehr so sehr in Rechenzentren, sondern eher in Kommunikationsnetzen.

Der Trend geht zweifellos zu großen Verarbeitungszentren mit zentralen Informationsbanken und mit einem Netz von Datenstationen und intelligenten Terminals. Dezentral oder vor Ort wird es also eine wachsende Zahl von Datenbearbeitungs- und -konzentrationsstationen geben, während der leistungsstarke Zentralcomputer auch in Zukunft wichtige und unentbehrliche Aufgaben im Falle des Aufbaus großer Datenbanken sowie der Lösung komplexer technisch-wissenschaftlicher Anwendungen, Optimierungsaufgaben etc. zu erfüllen hat. Wenn wir uns vorstellen, daß die Bundesrepublik Deutschland bis 1985 der größte Anwender der Datenübertragung in Europa sein wird und wenn wir davon ausgehen, daß die Zahl der installierten Terminals in Deutschland bis zum Jahre 1985 auf 280 000 Stück steigen wird, dann wird der Trend zum Endbenutzer über verflochtene Netzwerke mit großen Rechnern an den Endpunkten besonders deutlich. Dies ist eine komplexe Aufgabe, und es wird der gemeinsamen Anstrengung von Anwendern und Herstellern bedürfen, um durch ein abgestimmtes und koordiniertes Vorgehen Unsicherheiten in Entwicklung und Investition auszuschalten. Auch die Bundespost wird als unser Partner neue Datenübertragungsnetze schaffen und neue Datenübertragungsdienstleistungen entwickeln und anbieten müssen, die den Marktanforderungen von heute - und morgen entsprechen.

Das Konzept der verteilten Intelligenz, das Konzept, die Computerleistung an den Arbeitsplatz zu bringen, schafft vielfältige neue Möglichkeiten für die zweckgerechte flexible Organisation von DV-Operationen und hilft gleichzeitig Nimbus und Vorurteil zu beseitigen, dem 'insbesondere größere Rechner in der Vergangenheit ausgesetzt waren und teilweise heute noch ausgesetzt sind. Die Benutzerfreundlichkeit ist stark vorangetrieben worden. Der interaktive Umgang mit Computern ist heute für viele Sachbearbeiter bereits eine Realität. Dies wird dazu führen, daß die Vielfalt der Nutzungen, insbesondere das weitere Vordringen der datenbankorientierten Anwendungen, weiter zunehmen wird. Wie so oft, geht es auch jetzt darum, das technisch Machbare in eine vernünftige Anwendungswirklichkeit umzusetzen.