Wichtigster Erfolgsfaktor ist und bleibt der Mensch

29.11.1991

Projekte gelingen - aber nicht immer wie erhofft. Was läuft falsch, wenn es zu

Terminüberschreitungen, Kostenüberziehungen oder Mängeln im Ergebnis

kommt? Was muß beachtet werden, um den Erfolg des Projektes zu sichern?

Diesen Problemen widmen sich Frank Dörfel und Rainer Weßelmann*.

Scheitern an Selbstverständlichkeiten

Projekt-Management gilt als eine der Zauberformeln, wenn es darum geht, die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu verbessern. Zu recht versprechen sich die Befürworter dieser Organisationsmethode einen Nutzen in Form von Umsatzsteigerung, Reduzierung der Geschäftskosten oder einfach bestimmten Problems.

Aber trotz der zahlreich erschienenen Literatur hapert es gerade bei der Umsetzung der Theorie in die Praxis: Kosten - und Nutzenaspekte der Projekte sind schwer vergleichbar, der DV-Einsatz läuft an den tatsächlichen Bedürfnissen

im Unternehmen vorbei, und dem reinen Projektablauf messen die Verantwortlichen eine größere Bedeutung bei als strategischen Gesichtspunkten.

Da die DV-Abteilung in der Regel für die Projektdurchführung im Unternehmen zuständig ist, steht und fällt ein Projekt mit den Menschen, die in der Datenverarbeitung beschäftigt sind.

Selbst die besten, Tools die die Projektleiter mittlerweile zur Verfügung haben, um beispielsweise Kosten und Aufwand eines Projektes zu schätzen, helfen nicht weiter, wenn

- das Management nicht in der Lage ist, die Ziele eines Softwareprojekte zu spezifizieren.

- die Mitarbeiter zwar programmieren können, aber nicht strukturiert denken,

- die Zusammenarbeit zwischen DV-Abteilung und Fachabteilung nichtfunktioniert und

- das Projekt nur unzureichend vom Management unterstützt wird.

Die meisten Projekte scheitern nämlich an Selbstverständlichkeiten - genau wie im richtigen Leben. Nur wenn der Projektleiter letztlich das betriebswirtschaftliche und personelle Umfeld ständig im Auge behält, wird er mit seinem Team nicht auf die Nase fallen.

Kurze Wege entscheidend

Der Erfolg von Projekten hängt, so jedenfalls suggeriert es nebenstehende Grafik, unmittelbar zusammen mit der Art der organisatorischen Einbindung des Projektleiters in die Unternehmenshierarchie beziehungsweise seine (zeitweise) Unabhängigkeit davon.

Was tun, wenn Unternehmen vor Aufgaben stehen, die sich nicht mit den traditionellen Organisationseinheiten lösen lassen? Schon bei der Entwicklung eines neuen Produktes kann sich die herkömmliche Linienstruktur als ungeeignet erweisen.

Die Lösung heißt dann: Projektorganisation.

Projekt-Management ist mehr als das Planen der Projektaktivitäten, Zeichnen von Balkendiagrammen und Kontrollieren. Unsicherheiten müssen erkannt werden, da die Projektziele zu Beginn nicht klar fixierbar sind (zum Beispiel wegen Lerneffekten beim Auftraggeber) und da sich die verfügbaren Ressourcen im Laufe der Projektarbeit verändern (zum Beispiel durch Lerneffekten bei den Mitarbeitern).

Wann gilt ein Projekt als erfolgreich? Zählen nur die Ergebnisse des Einzelprojektes, dann ist die Bestimmung von "Erfolg" relativ einfach: Man mißt sie in fachlicher, wirtschaftlicher und terminlicher Hinsicht an den anfangs gesetzten und später fortgeschriebenen Zielen, gewichtet die einzelnen Anteile der Zielerreichung und gelangt so zu einer mehr oder minder aussagekräftigen Einschätzung des "Erfolges" von diesem Projekt.

Schwieriger wird es, das Projekt-Management in einem Unternehmen insgesamt zu beurteilen.

Der Erfolg eines Projektes kann auf Kosten eines anderen ("Heldenklau") erzielt werden oder mit einer gefährlichen Schwächung von Linienfunktionen verbunden sein.

Zu den Erfolgsfaktoren für Projekte und damit für das Projekt-Management zählen:

- der Mensch,

- die Anforderungen und Aufgabe,

- die Qualität der Ergebnisse, die Organisation,

- die Vorgehensweise,

- die Werkzeuge und

- sonstige Ressourcen.

Der wichtige Faktor "Kosten" taucht hier nicht auf: Kosten-Management im Projekt resultiert aus dem Zusammenfügen der Erfolgsfaktoren.

Im Projekt muß eine Kostenkontrolle durchgeführt werden. So lassen sich

wichtige Indikatoren für Probleme mit den anderen Erfolgsfaktoren bestimmen.

Der Mensch tritt bei Projekten in vier Rollen in Erscheinung: als Projektleiter, als Projektmitarbeiter, als Auftraggeber und als Linien-Manager. Projekte existieren immer nur für einen Zeitabschnitt, Projektleiter sind also Manager auf Zeit, Projektmitarbeiter Mitarbeiter auf Zeit etc. Hieraus ergeben sich einige Besonderheiten des Projekt-Managements, die in den Unternehmen zu beachten sind, wenn die Nutzung von Projekten nicht kontraproduktiv sein soll. Denn das Management einer zeitlich begrenzten Aufgabe stellt Anforderungen an das psychologische Geschick aller Beteiligten.

Der Linien-Manager muß vorübergehend Mitarbeiter und Kompetenzen abgeben und sogar bereit sein, wegen wichtiger Aufgaben im Projekt auf seine besten Mitarbeiter zu verzichten. Zudem sollte er sicherstellen, daß sie nach Projektende in die Linie zurückkehren können. Der Linien-Manager hat zu akzeptieren, daß für die Dauer des Projektes der zum Projektleiter ernannte Mitarbeiter einen größeren organisatorischen Autonomiestatus besitzt als etwa die Gruppenleiter in der Linie. Häufige Folge: Das Projekt wird als Konkurrenz zur Linie erlebt, das es heimlich zu bekämpfen gilt. Externe Unterstützung im Projekt-Management kann hier zur Entkrampfung beitragen, da ein Externer nicht in die Unternehmenshierarchie eingebunden ist und unabhängig von gewachsenen Strukturen agieren kann.

Der Projektleiter kann seine Mitarbeiter im wesentlichen nur über die Aufgabe motivieren, verbleibt doch die Personalverantwortung beim Linien-Manager. Die Motivation aus der Aufgabe heraus erscheint sachlich als optimal, erweist sich aber in vielen Fällen als problematisch. Dem Projektleiter fehlt beispielsweise meist die Möglichkeit, seine Mitarbeiter über längerfristige Karriereaspekte zu motivieren.

Die Routine einer Linienfunktion aufbrechen

Erschwerend kommt hinzu, daß Projektleiter häufig aufgrund ihrer Fachkompetenz ausgewählt werden, ihre Management-Fähigkeiten jedoch im allgemeinen nicht systematisch entwickelt wurden. Das muß kein Fehler sein, entpuppen sich hierbei doch manchmal Führungspersönlichkeiten, die in der Linie keine Chance gehabt hätten. Doch wird es riskant, wenn das Unternehmensmanagement sich dieser Situation nicht bewußt ist und Management-Anfänger mit ihren Problemen allein läßt.

Auch bei der Wahl der Projektmitarbeiter sind psychologische Aspekte zu beachten: Selbstbewußte Mitarbeiter, die im Projekt die Chance sehen, aus der Routine ihrer Linienfunktion auszubrechen und innovativ tätig zu sein, können, im Projektteam ihre Kraft voll entfalten. Probleme bereiten jedoch Mitarbeiter, die sich eher durch Status als durch Leistungskompetenz definieren.

- Ein Mitarbeiter gilt als guter Projektmitarbeiter, wenn er Interesse und Freude an Neuem hat, wenn er bereit ist, das Risiko einer zeitweiligen Loslösung aus der Hierarchie einzugehen, Seine Belohnung: Erfahrungen und Offenheit für Innovätionen, fachlicher Fortschritt", höhere Qualifikation.

- Ein guter Projektleiter muß Fach- und Management-Kompetenz besitzen und wie ein Unternehmer motivieren können. Er hat die Chance, sich durch erfolgreiches Projekt-Management für verantwortungsvolle Daueraufgaben im Unternehmen zu qualifizieren.

- Ein Linien-Manager ist in bezug auf Projekte ein guter Manager, wenn er die Eigenständigkeit der Projekte akzeptiert. Er gewinnt dadurch Freiräume für andere Tätigkeiten.

- Der Auftraggeber muß sich für das Projekt aktiv einsetzen und sich in projektbezogene Entscheidungsprozesse einbinden lassen. Er gewinnt hier durch Sicherheit über den Projektfortschritt und genauere Kenntnis des Projektinhaltes.

Die unvermeidbaren Aufgabenänderungen

Das Projekt zielt auf die Erfüllung einer Aufgabe - so trivial diese Aussage scheint, sie ist voller Fallstricke: Viele Projekte kranken an schlechtem Aufgaben-Management. Zwischen Auftraggeber und Projektmitarbeitern muß laufend Einvernehmen herrschen, welches die Aufgaben sind und wie ihre Erfüllung definiert und prüfbar ist. Das heißt aber auch, daß klar sein muß, wie mit den unvermeidbaren Aufgabenänderungen umgegangen wird.

Voraussetzung für die Projektarbeit ist, daß die Anforderungen an das Projektergebnis bekannt und in funktionaler, quantitativer und qualitativer Hinsicht festgeschrieben sind. Weil sich Aufgabenänderungen weder verbieten noch wegorganisieren lassen, braucht man ein Change Management, das für die gesamte Projektdauer gilt. Das heißt für den Auftrageber, daß er währen der ganzen Laufzeit in das Projekt eingebunden bleibt, was besonders für innovative Aufgaben zutrifft. Hier gibt es zu Beginn häufig nur allgemeine Zielsetzungen,

Die Konkretisierung im Projekt führt zwangsläufig zu Detaillierungen und Änderungen. Ein Festschreiben und Einfrieren der Projektziele ist somit oft nur vorläufig möglich. Das Projekt-Management muß der geordneten Behandlung von Änderungen besondere Aufmerksamkeit widmen.

Erfassung, Modellierung und Darstellung

Im Softwarebereich hat das Management von Anforderungen in den letzten zehn Jahren besondere Aufmerksamkeit erhalten. Die Bemühungen galten insbesondere der Erfassung, Modellierung und Darstellung von Anforderungen an Systeme. Diese werden so beschrieben, daß sie sowohl vom Auftraggeber als auch vom Projektteam verstanden werden.

Techniken wie Objektorientierung, die die künstliche Trennung von Daten- und Funktionsmodellierung aufheben und die entstehenden Modelle in größere Nähe der zu modellierenden Realität bringen, stellen einen weiteren Schritt in Richtung Realitätsnähe, Verständlichkeit, Änderbarkeit und einfache Realisierbärkeit der Modelle dar.

Der Qualität des Projektergebnisses wird häufig weniger planerische Aufmerksamkeit zu teil als der Funktionalität, da sie schwieriger zu definieren ist als Funktionalität. Aber hier ist Vorsicht geboten, denn der Auftraggeber hat natürlich auch Qualitätsansprüche. Die Aufstellung des Qualitätsplanes ist eine zentrale Aufgabe der Projektplanung und sollte folgende Kriterien beachten: Bedeutung für das Projektergebnis, anzuwendende Prüf- und Meßverfahren und einen Prüfplan. Die Überwachung muß durch eine zentrale, außerhalb des Projektes angesiedelte, mit hinreichenden Kompetenzen ausgestattete Stelle Qualitätssicherung erfolgen.

Die Wahl der optimalen Organisationsform für ein Projekt aus der Liste aller möglichen Organisationsstrukturen (von der Stabsorganisation bis zur Projektorganisation als Task force) beeinflußt den Projekterfolg maßgeblich. Die "richtige" Projektorganisation hängt unter anderem von der Größe des Projektes ab.

Projektmitglieder sind "Diener zweier Herren"

Projektleitung aus einer Stabsorganisation heraus bedeutet nur Koordination. Dies führt wegen der Isolierung des Projektleiters und mangelnder Koordination zur Beeinträchtigung des Vorhabens. In der Matrixorganisation hat der Projektleiter nur fachliche Weisungsbefugnis.

Er ist für das Projekt gesamtverantwortlich, und der Grad der Ausrichtung auf die ziele erhöht sich gegenüber der Stabsorganisation. Die fachliche Kompetenz des Projektleiters und die Koordination über alle Bereiche fördern Synergieeffekte. Nachteil: Die Projektmitglieder sind "Diener zweier Herren", was zu Konflikten führen kann.

Die Organisationsformen Projektbereich und -team erreichen eine große Ausrichtung auf die Projektziele. Der Projektleiter kann als Unternehmer für alle Aufgaben eigenverantwortlich handeln. Er plant, überwacht, steuert und ist Mittler zwischen den Interessengruppen . Deutliches Plus: Es entsteht geringer Overhead, die Kommunikationswege bleiben kurz.

Projektbegleitende Gremien zur Planung, Steuerung, Beratung und Entscheidung bestimmen den Erfolg eines Projektes wesentlich mit. In diesen Gremien wirkt auch der Auftraggeber mit. Sie sollten grundsätzlich eingerichtet werden.

Die Planung des Projektes in vernetzte Teilaufgaben und das Management des Projektablaufes sind weitere wesentliche Faktoren für die Zielerreichung. Hierzu zählen Verfahrens- und Termin-Management. Das methodische Wie der Ablauforganisation gehört zu dein Standardvorgaben von Unternehmen, die außerhalb des einzelnen Projektes festgelegt und gepflegt werden müssen. Der Aufwand, der in dieser Festschreibung steckt, wird Oft unterschätzt.

Die Entwicklung von Unternehmensstandards für die Projektabwicklung (wie ein generelles Phäsen-Vorgehensmodell für Projekte) ist sehr arbeitsintensiv. Wir erleben zudem derzeit bei der SW-Entwicklungs-methodik und den daraus abgeleiteten Vorgehensmodellen einen enormen Innovationsdruck: Bei großen Projekten mit einer Dauer von zwei und mehr Jahren ist am Ende des Projektes die als fortschrittlich eingeführte, Methodik bereits veraltet. Man müßte eigentlich sofort ein Reverse-Engineering-Vorhaben anschließen, um die Projektergebnisse auf den neuesten methodischen Stand zu heben und für Weiterentwicklung nutzbar zu machen. Die Konsequenz kann nicht heißen, dies alles zu unterlassen. Sie lautet: den Arbeitsaufwand sowohl für die Ersteinführung als auch für die Pflege des Vorgehensmodells für Projekte realistisch planen. Innerhalb der Laufzeit der einzelnen Projekte sind methodische Änderungen möglichst zu vermeiden.

Während das Planen von Terminen methodisch durch Netzplantechniken und instrumentell durch Planungs-Tools gut unterstützt wird, ist die Verfolgung von Terminen durch große Unsicherheiten gekennzeichnet. Sie drücken sich beispielsweise im 90-Prozent-Syndrom (also der Meldung, eine Aktivität sei zu 90 Prozent fertig) aus. Die inhaltliche und damit qualitative Prüfung von Teilergebnissen durch den Manager ist daher unerläßlich. Eine zumindest im Software-Umfeld neue Kategorie von Ressourcen sind die "Halbfertigwaren". Diese Komponenten (Objekte), lassen sich leicht an die vorliegende Aufgabe anpassen und in die Lösung einbinden. In bezug auf wiederverwendbare Objekte bedeutet Management zunächst einmal: Wir brauchen eine Abbildung der zu lösenden Aufgaben auf die verfügbaren Komponenten. Die wichtigste Fragestellung hierbei ist, für welche Teile einer Aufgabe liegen bereits nutzbare Komponenten vor.

Diese Grundfragen, die im Zusammenhang mit der objektorientierten Programmierung zu lösen ist, wird derzeit von vielen Informatikern bearbeitet, befriedigende Lösungen stehen aber noch aus. Allerdings werden zunehmend organisatorische Lösungen gesucht, beispielsweise Objektmanager, die projektübergreifend Objektbibliotheken pflegen.

Das Management des Projektes erfordert Hilfsmittel, deren Brauchbarkeit über den Erfolg des Projekts entscheiden können. Ein traditionelles Werkzeug sind Checklisten, in denen neben methodischen Vorgaben zur Projektplanung und -kontrolle auch eine große Menge an fachlichem Wissen aufbereitet vorliegen können.

Die wichtige Rolle des Repositories

Für Einzelaspekte des Projekts bis hin zu umfassenden Tools für Planung und Abwicklung ganzer Projekte oder sogar für das Multiprojekt-Management gibt es inzwischen entsprechende Software.

Helfen beim Projekt-Management KI-Ansätze? Für die Aufwandsabschätzung von Teilaufgaben, die der Projektplanung zugrunde gelegt wird, gibt es erste Versuche, Expertensysteme einzusetzen, um ähnliche Projekte zu finden, aus denen Analogieschlüsse über zu erwartende Aufwände gezogetn werden können. Wie wirksam solche Werkzeuge sind, hängt von Qualität und Umfang des verfügbaren Datenbestandes ab. KI-Werkzeuge für Projekt-Management werden noch lange eine untergeordnete Rolle spielen.

Für die Software-Entwicklung gilt: Bei integrierten CASE-Umgebungen dürfen Repositories für die Erfahrungsweitergabe in Projekten zunehmend eine wichtige Rolle spielen. Hier sind nicht nur die Objekte des Anwendungsbereiches beschrieben, hier liegt auch das Metamodell der Projektabwicklung, hier lassen sich Informationen über unterschiedliche Ausprägungen dieses Modells wiederfinden. Das ist aber vorerst noch Zukunftsmusik, da die meisten Hersteller glücklich sind, wenn sie überhaupt ein Metamodell darstellen können, an Varianten ist noch nicht zu denken. Die automatischen Hilfsmittel transportieren also nur in sehr eingeschränkter Form Erfahrungen von Projekt zu Projekt. Hier steht immer noch die Erfahrung des Menschen im Zentrum.

*Frank Dörfel und Rainer Weßelmann sind Berater bei der GfP Gesellschaft für Projekt-Management in Hamburg.