Erste Beta des Windows-2000/9x-Nachfolgers ausgeliefert

Whistler vereint die beiden Windows-Schienen

12.01.2001
MÜNCHEN (IDG) - Microsoft hat kürzlich die erste offizielle Betatestversion der nächsten Windows-Version mit Codenamen "Whistler" an Entwickler, Hersteller und ausgesuchte Anwender verschickt. P.J. Conolly, Testredakteur der CW-Schwesterpublikation "Infoworld", hat sich einen ersten Eindruck vom neuen Betriebssystem verschafft.

Um es gleich vorwegzunehmen, wenn die aktuelle Testversion von Whistler etwa dem fertigen Produkt entspricht, dann dürfte Microsoft weiterhin eine dominierende Rolle auf dem Desktop und seinen angestammten Server-Märkten einnehmen. Mit Whistler wird die langjährige zweigleisige Windows-Strategie der Redmonder ein Ende haben. Die mit DOS-Relikten aus den 80er Jahren belastete Windows-9x/ME-Reihe läuft aus, auch Heimanwender kommen dann in den Genuss eines stabileren Systems auf der technologischen Basis von Windows NT/2000.

Das System bringt eine Reihe neuer Features - am augenfälligsten wird die neue Benutzeroberfläche sein. Da es im Kern aber eine Weiterentwicklung von Windows NT/2000 darstellt, verspricht der Hersteller bisherigen Anwendern ein komplikationsloses Upgrade. Um die Kundschaft nicht abzuschrecken, betonen Microsoft-Mitarbeiter in letzter Zeit immer wieder, dass für Administratoren nicht einmal neue Zertifizierungen notwendig sein werden.

Ganz so reibungslos dürfte der Umstieg für die Anwender von Windows 9x/ME nicht sein. Viele Programme für das DOS-basierte System - vor allem solche, die einen unter NT/2000 unmöglichen direkten Hardwarezugriff benötigen - könnten Probleme mit sich bringen. Immerhin bietet Whistler dafür einen Kompatibilitätsmodus, der zumindest einige Fehler beheben und die Kooperation mit einem Großteil spezifischer 9x-Anwendungen ermöglichen soll.

Auch wenn die Beta 1 noch nicht den kompletten Stand des Endprodukts widerspiegeln dürfte, so ist doch das Fehlen einiger Domain-Management-Tools zu beklagen. Administratoren müssen also weiterhin die User in verschiedenen Bäumen bearbeiten, was sehr komplexe Arbeitsvorgänge mit sich bringt. Deutlich vereinfacht hat sich der Installationsprozess, der mit dem Setup von Apples "Mac OS X" vergleichbar ist. Mit der Eingabe des Administrator-Passworts, den Sprach- und Regionaleinstellungen und den Netzwerkparametern ist alles erledigt. Auch die Installation und das Management von so genannten Headless-Maschinen ohne Ein- und Ausgabegeräte ist nun möglich.

Nicht so einfach ist beim derzeitigen Stand die Integration eines Whistler-Domain-Controllers in ein bestehendes Windows-2000-Netz. Weil spezifische Features des Active Directory genutzt werden, muss zuvor ein Windows-2000-Domain-Controller aktualisiert werden. Außerdem fallen offenbar einige von NT/2000 unterstützte Protokolle weg. Es handelt sich dabei um DLC, Netbeui sowie Appletalk. IPX entfällt bei der 64-Bit-Whistler-Version für Intels Itanium-Chips. An der Oberfläche ist der für die 90er Jahre typische 3D-Look der Symbole und Bedienelemente einer flacheren Web-Optik gewichen.

Vermutlich wird Microsoft zunächst die Variante für die Desktop-Anwender ausliefern und erst nach Bereitstellung des ersten Service-Packs die Server-Varianten. Bereits bei Windows 2000 haben viele Unternehmen aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit die erste Fehlerbereinigung abgewartet.

Für viele Firmen, die eine Migration auf Windows 2000 planen, stellt sich nun die Frage, ob sie nicht gleich auf Whistler warten sollen. Da Microsoft in der Vergangenheit Ankündigungen weit überzogen hat und zudem die Planungsphase einer Migration nicht genau vorhergesagt werden kann, sollte diese Frage nicht im Vordergrund stehen. Aus technischer Sicht dürfte der spätere Umstellungsaufwand auf Whistler im Vergleich zu einem NT/9x-Migrationsprojekt äußerst gering sein. Die riesige installierte Basis von Windows 9x/ME-PCs profitiert auf jeden Fall von der deutlich höheren Stabilität der Windows-2000-Architektur.

Pro und Kontra

Vorteile

- Stabileres Betriebssystem für Windows-9x-Anwender;

- einheitliche Codebasis erleichtert Entwicklern die Arbeit, Ende der zweigleisigen Treiberentwicklung

Nachteile

- Neues Betriebssystem bedeutet neue Sicherheitslücken;

- Domain-Management-Tools derzeit wenig praxistauglich;

- hohe Hardwareanforderungen

Plattformen: Intel-kompatible 32/64-Bit Systeme.

Erscheinungstermin: Ende 2001/Anfang 2002.