Verband Deutscher Rechenzentren zum Urteil gegen Kommunale Gebietsrechenzentren:

Wettbewerbsfeindliche Verschleuderung von Steuergeldern

27.04.1979

HANNOVER (ee) - "Warum nur die Müllabfuhr privatisieren", fragt der Verband Deutscher Rechenzentren in einer (VDRZ) Stellungnahme zu den drei Urteilen des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichts ein, in dem dieser gegen die "Zwangsmitgliedschaft" von Gemeinden in kommunalen Gebietsrechenzentren entschied (CW-Nr. 14, 6. April 1979). Ätzend leitet der VDRZ seinen Kommentar zu den Richtersprüchen mit der Aussage ein: "Eine Vielzahl von Städten und Gemeinden ist gegen ihren Willen gezwungen, erhebliche Mittel an die kommunalen Rechenzentren abzuführen, während die Auswertungen, die hierfür geboten werden, zu wünschen übrig lassen."

Den Kommunen war es bisher weder gestattet, sich alternativ einem Service-Rechenzentrum anzuschließen, das zumeist kostengünstiger und flexibler arbeitet, noch konnte die Gemeinde nach eigenem Gutdünken frei das kommunale Rechenzentrum wählen, das ihr zusagte. Vielmehr mußte sich die Kommune - zumeist nach Landesgesetz oder -verordnung - einem bestimmten Rechenzentrum anschließen, zu dessen Einzugsbereich sie laut Verordnung zählte.

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit drei Urteilen vom 9. Februar 1979 Verfassungsbeschwerden der Städte Hamm, Mülheim/Ruhr und Solingen stattgegeben und den ° 3 Nr. 7 der Verordnung über die Einzugsbereiche der kommunalen Datenverarbeitungszentralen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 20. April 1977 für richtig erklärt. Alle drei Städte sollten auf Grundlage dieser Verordnung anderen Datenverarbeitungszentralen zur Zusammenarbeit zugewiesen werden als dies die Städte selbst wünschten.

In seiner Begründung führt das Verfassungsgericht aus, daß die Organisationseinheit der einzelnen Gemeinden Bestandteil der institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist. Die tragende Komponente der somit verfassungsrechtlich verbürgten Organisationshoheit sei das Prinzip der Freiwilligkeit. Der Staat dürfe nur dann und in soweit in das organisatorische Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden eingreifen, als der mit dem Zugriff verfolgte Zweck nicht durch eine freiwillige Initiative der betroffenen Gemeinden angemessen erreicht werden kann, und zwingende Gründe des öffentlichen Wohls den staatlichen Eingriff erforderten. Davon könne nicht die Rede sein.

Die Festlegung von Einzugsbereichen für die Bildung gemeinsamer kommunaler Datenverarbeitungszentren greife tief in die Organisationshoheit der Gemeinden ein. Sie enthalte wichtige Weichenstellungen für die weitere Arbeit der Gemeinden und beeinflusse nachhaltig Inhalt und Form ihrer Aufgabenwahrnehmung. Es gehe dabei nicht um eine eng begrenzte Kompetenzabgabe, sondern vielmehr darum, daß die betroffenen Gemeinden mit dem Medium der Aufgabenbewältigung Befugnis und Herrschaft über ihre Verwaltung aufgeben und mit anderen kommunalen Einheiten teilen müßten, und zwar auf der ganzen Breite des kommunalen Wirkungskreises.

Soweit ersichtlich hat hier erstmalig ein Verfassungsgericht die Organisationshoheit der Gemeinde als Rechtsinstitut anerkannt und als Bestandteil der institutionellen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung erklärt.

Der Verband Deutscher Rechenzentren begrüßt dieses richtungsweisende Urteil in der Hoffnung, daß hiermit die Entscheidungsfreiheit der Gemeindeverwaltung auch insofern gestärkt wird, als es der kommunalen Selbstverwaltung überlassen bleiben muß, in welcher Form die automatische Datenverarbeitung genutzt wird, über das kommunale Rechenzentrum oder über das gewerbliche.

Nach Auffassung des VDRZ müßten sich auch die Anbieter und der Handel von Anlagen der Mittleren Datentechnik durch die Entwicklung angesprochen fühlen; beispielsweise heißt es in einem Rundschreiben (BWGZ Nr. 3 vom 15.02.1979) der Koordinationsstelle für die Kommunen in Baden-Württemberg:

"Im Einvernehmen mit der Datenzentrale sollten die Kommunen deshalb bis auf weiteres von der Beschaffung und dem Einsatz isolierter Kleinrechneranlagen (MDT-Anlagen) absehen und Ergebnisse des Projektauftrages der KOAG abwarten."

Der steuerzahlende Bürger muß das Gefühl haben, daß wirtschaftliche Aspekte bei der öffentlichen Hand allenfalls in der Beurteilung des Für und Wider der Privatisierung im Bereich der Müllabfuhr zu berücksichtigen sind, sie haben in der automatischen Datenverarbeitung offensichtlich keine Geltung. Aber die Urteile des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen lassen hoffen!