Wettbewerbsfähigkeit abhängig von Akzeptanz der Informationstechnologie

06.06.1980

Dipl. Ing. Harro D. Welzel Geschäftsführer der Philips Data Systems.

Beim Thema "Breite Anwendung der modernen Informationstechnik - eine Voraussetzung für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie in den 80er Jahren" möchte ich mich auch mit den Widerständen beschäftigen, die der breiten Anwendung, die für unsere Volkswirtschaft so lebensnotwendig ist, aus meiner Sicht im Wege stehen.

Der erste Widerstand, mit dem ich mich beschäftigen möchte liegt im Markt selbst. Ich hoffe sehr, daß ich mit dieser Feststellung Überraschung auslöse. Halten wir uns doch für das Land der freien Marktwirtschaft. Aber gerade für Produkte der Informationstechnologie ist der Markt in weiten Bereichen nicht frei. Da ist einmal der Bereich des sogenannten regulierten Marktes, in dem sich weite Teile der Fernmeldeindustrie bewegen, und andererseits gibt es Marktzutrittsbarrieren, die sich gerade beim Prozeß des Zusammenwachsens von Telekommunikation und Informationstechnik schmerzlich auswirken. Auch der den Herstellern auf einigen Gebieten aufgezwungene Wettbewerb behindert das freie Spiel der Kräfte am Markt und damit die so erwünschte breite Entfaltung auf der Hersteller- und der Anwenderseite, die zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit so wichtig ist.

Unbehagen wird automatisch verschwinden

Wenn ich als Hersteller bei der Beschäftigung mit den Widerständen gegen die breite Anwendung der modernen Informationstechnik als nächsten Punkt die Nachfrage erwähne, mag das insbesondere vor dem Hintergrund der von mir dargestellten so positiven und faszinierenden Entwicklungsmöglichkeiten unserer Branche Verwunderung auslösen. Aber die Nachfrage als Schlüsselgröße des Marktes wird maßgeblich beeinflußt durch die Akzeptanz des Benutzers neuer Telekommunikations- und Informationstechniken. Es gibt bei vielen Menschen heute noch ein ganz persönliches Unbehagen, wenn sie mit dem Computer selbst oder seinen deutlich sichtbaren Teilen konfrontiert werden. Als Beispiel erinnere ich an die Wasser- oder Elektrizitätsrechnung des Bundeskanzlers, die, vom Computer ausgedruckt, nicht mehr verständlich ist, und auch an die Rolle des Bildschirmes, der ja immer noch ein Synonym für Akzeptanzprobleme im Zusammenhang mit der Informationstechnik ist. Ich bin sicher, daß ein Teil dieses Unbehagens im Laufe der Zeit automatisch verschwinden wird, wenn nämlich neue Generationen in Industrie, Wirtschaft und Verwaltung tätig werden, die unvoreingenommen und vorbehaltloser mit derartigen Instrumenten umgehen werden weil sie bereits von der Schulzeit her den Bildschirm und die Schreibtastatur als selbstverständliche Werkzeuge kennengelernt haben.

Oft als direkte Folge der Akzeptanzprobleme treffen wir häufig auch auf sozialpolitische Barrieren für die breite Anwendung der neuen lnformationstechniken. Schließlich handelt es sich hier um Rationalisierungsmittel, die den Beschäftigungsstand sowohl negativ als auch positiv beeinflussen. Es ist aber falsch, Wirkungen auf den Arbeitsmarkt einseitig einer Branche oder deren Produkten anzulasten, wenn die Hauptimpulse jeweils von der gesamtwirtschaftlichen Situation ausgehen, wir also nur durch Einsatz modernster Techniken unsere internationale Konkurrenzfähigkeit erhalten können und überzeugt sind, daß wir das wegen unserer starken Abhängigkeit von Importen tun müssen; es gibt nur die beiden Alternativen: Entweder im Hinblick auf die Beeinflussung unserer Arbeitswelt das beste daraus zu machen oder unsere Volkswirtschaft als ganzes und damit Arbeitsplätze in ganz anderem Ausmaße zu gefährden. Ich bin aber auch der Ansicht, daß die meisten Prognosen zum Einfluß des Einsatzes dieser neuen Techniken auf den Arbeitsmarkt oder die Zahl der Arbeitsplätze in unserem Land sehr einseitig sind.

Eine weitere Barriere, die wir sicher alle gemeinsam sehr kritisch betrachten müssen, ist der Einfluß von Gesetzen, von Rechtsprechung und staatlicher Reglementierung. Hier möchte ich es bei der Bemerkung belassen, daß, je eher sich der staatliche Einfluß auf eine reine Rahmensetzung beschränkt, und der wirtschaftlichen Gestaltung ein möglichst weiter Raum gelassen wird, sich Innovationen um so stärker durchsetzen können. Umgekehrt ist es meine feste Überzeugung, daß die Voraussetzungen für neue Ideen, Innovationen und deren Realisierungen um so ungünstiger sind, je mehr die Faktoren Reglementierung, Bürokratismus und Besitzstandswahrung dominierend werden.

Auch die Medienpolitik muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden, wenn wir über Schranken der breiten Anwendung sprechen und damit Auswirkungen auf den von uns benötigten Fortschritt in diesen neuen Techniken. Ich meine hier natürlich insbesondere die Problematik der Gestaltung neuer Medien in der Bundesrepublik unter dem Gesichtspunkt langwieriger Feldversuche sowie der Zulassung privater Veranstalter, die der breiten Einführung und Anwendung, denken wir an Bildschirmtext, im Wege stehen oder zumindest diese erheblich verzögern können, von der Wirkungsforschung ganz zu schweigen, die, vom Staat initiiert und finanziert, einer staatlichen Reglementierung vorgeschaltet zu werden droht.

Alle gemeinsam müssen wir uns auch sicher wieder klarmachen, daß wir die echte Chance haben mit der breiten Anwendung dieser neuen Techniken die Qualität unserer Arbeitsplätze, und damit letztlich die Umfeldbedingungen des arbeitenden Menschen, verbessern zu können. Ich bin sicher, daß diese Chance realiter existiert und eine Sogwirkung auf die Anwendung dieser neuen Techniken auslösen könnte, wenn sie von uns allen mehr bewußt gemacht und in den Vordergrund gestellt werden würde.

Umweltbedingungen des Menschen verbessern

Ich habe über volks- und betriebswirtschaftliche Aspekte gesprochen, über Charakteristika der modernen Informationstechnik und über verschiedene Barrieren für die breite Anwendung. Trotz aller volks- und betriebswirtschaftlichen Sachzwänge und aller politischen und hin und wieder auch technischen Barrieren steht letztlich im Mittelpunkt der Anwendung dieser Technik der Mensch. Ich möchte bei der Lösung vielschichtiger, gesellschaftlicher Probleme in dem gerade begonnenen Jahrzehnt helfen; wir haben in den letzten Jahren enorme Investitionen im Personal- und Entwicklungsbereich unserer Branche vorgenommen, um in den nächsten Jahren zusammen mit vielen Institutionen unserer Volkswirtschaft integrierte, leistungsfähige, aber gleichzeitig auch in einem Höchstmaß menschliche Kommunikationssysteme zu realisieren. Die ungeheuere Vielfalt der technischen Möglichkeiten ist bekannt. Entscheidend für ihre Akzeptanz, den Durchbruch oder die Effizienz ist letztlich aber der Mensch. Dies sowohl bei der Konzeption der Systeme, bei der Beratung und Vermarktung, bei der Auswahl alternativer Lösungen, beim Einsatz der Systeme, bei der täglichen Nutzung.

Die 90er Jahre werden zeigen, was wir gemeinsam, unter Zugrundelegung humaner Ziele für die zukünftige Arbeitswelt, aus den sich bietenden technischen Möglichkeiten gemacht haben. Ich bin sicher, daß nur das langfristig Bestand haben wird, was auch der einzelne Mensch als eine Hilfe, eine Entlastung und Bereicherung für sich empfindet. Genau so sicher aber bin ich, daß es solche Systeme geben wird und diese sinnvoll genutzt, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft - wenn dies die einzige Voraussetzung wäre - sichern würden.

Auszug aus einem Vortrag, der im Rahmen eines gemeinsam vom ZVEI, Fachverband Datenverarbeitung, und VDMA, Fachgemeinschaft Büro- und Informationstechnik, veranstalteten Symposiums gehalten wurde. Welzels Thema lautete: "Breite Anwendung der Informationstechnik, eine Voraussetzung für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie in den 80er Jahren."