Der Gastkommentar

Wettbewerb im Kernbereich der Telekom

20.08.1993

Bislang waren sich alle Netzbetreiber, Diensteanbieter und Regierungen darin einig, dass im Telekommunikationsbereich weitere Liberalisierungsschritte erforderlich sind. Die Einigkeit hoerte aber dann auf, wenn es um deren konkrete Umsetzung ging. War man sich oft ueber die Massnahme einig, so blieb immer noch der Zeitpunkt umstritten. Nun hat der EG-Ministerrat ein deutliches Zeichen gesetzt. Mit seinem Grundsatzbeschluss, spaetestens bis zum 1. Januar 1998 in der EG Wettbewerb fuer den Telefondienst einzufuehren, sei er national oder international, existieren nun klare Zukunftsperspektiven. Am 1. Januar 1998 wird also spaetestens das Startsignal fuer den Wettbewerb im Kernbereich der Telekom gegeben. Um gut geruestet an den Start gehen zu koennen, muss sie rasch handeln. Vier Bereiche sind dabei von zentraler Bedeutung: Preise, Kosten, Organisation und internationales Geschaeft.

Die Preise fuer die Produkte, die die Telekom heute noch im Monopol anbieten kann, spiegeln bei weitem nicht die ihnen zugrundeliegende Kostenstruktur wider. Die Verzerrungen der Preisstruktur, das heisst die deutliche Abweichung der Preise von den Kosten, ist durch verschiedene, sich ueberlagernde Einfluesse entstanden.

Der technische Fortschritt und die damit verbundenen Kostenaenderungen haben nicht automatisch, wie das bei Wettbewerbspreisen ueblich ist, ihren Niederschlag in Preisaenderungen gefunden, weil diese Monopolpreise einer Genehmigung bedurften. Sie war immer dann schwierig zu erhalten, wenn es um Preiserhoehungen ging. In den Laendern, in denen ein Wettbewerb zwischen einem vormaligen Monopolisten und neu hinzugekommenen Anbietern besteht, sind fuer die vormaligen Monopolangebote Telefondienst und Uebertragungswege deutliche Aenderungen in der Preisstruktur eingetreten. Ein Vergleich dieser Wettbewerbspreise mit den Noch-Monopolpreisen der Telekom zeigt, dass Telefongespraeche und Monopoluebertragungswege ueber kurze Strecken relativ teurer und solche ueber lange Strecken relativ billiger angeboten werden.

Insgesamt hat diese Preisanpassung in den Laendern mit Wettbewerb zu einer erhoehten volkswirtschaftlichen Effizienz gefuehrt, da die Produkte nun entsprechend ihren Faktorkosten nachgefragt werden. Dieser Anpassungsprozess trifft gemeinhin auf Hindernisse. Die Kundengruppen, die schwerpunktmaessig jene Leistungen nachfragen, die unter ihren Kosten angeboten werden, das heisst, deren Preise erhoeht werden sollen, opponieren und finden im politischen Bereich haeufig Unterstuetzung. Die politischen Gremien, die die Preisstrukturreform zu genehmigen haben, schrecken vor den erheblichen Aenderungen zurueck, die bei einer Anpassung der Preise an die Kostenstruktur erforderlich waeren.

Ein gutes Beispiel dafuer ist die Ende der 80er Jahre durchgefuehrte Preisaenderung im Telefondienst unter dem Stichwort Tarif 90. Obwohl die damals durchgefuehrten Massnahmen in die richtige Richtung gingen, waren sie mit Blick auf die Kostenstruktur bei weitem nicht ausreichend. Als Loesung fuer dieses Dilemma bietet sich eine sogenannte Price-cap-Regulierung an. Damit wuerde es der Telekom ermoeglicht, unter Beruecksichtigung eines insgesamt vorgegebenen Preisniveaus die Preise den Kosten anzupassen.

Fuer die Telekom gilt wie fuer jedes andere Unternehmen, dass im nationalen und internationalen Wettbewerb kuenftig nur die Produkte am Markt erfolgreich sein werden, deren Kosten bei gleicher Qualitaet maximal so hoch sind wie die der Konkurrenz. Die Telekom muss daher insbesondere mit Blick auf den Netzbereich, der ueber die Haelfte ihrer Aufwendungen erzeugt, rasch die Kosten senken. Die groessten Potentiale dafuer liegen in der Beschaffung, der Optimierung von Prozessablaeufen und der Konzentration auf das Kerngeschaeft.

Mit der Postreform ist die Telekom dazu uebergegangen, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beschaffen, das heisst, den Preis und die Qualitaet des angebotenen Produkts bei der Beschaffung in den Vordergrund zu stellen und nicht falsch verstandene Industriepolitik zu betreiben. So wurde beispielsweise der Fernmeldesatellit DFS Kopernikus 3 mit einer preiswerteren US- amerikanischen Traegerrakete gestartet und nicht mit einem industriepolitisch gefoerderten Traeger.

Durch eine Optimierung der internen Leistungserbringung, die bislang mehr durch Anweisungen und Zustaendigkeitsabgrenzungen als durch Ziele und prozessorientierte Abstimmungen gesteuert wurde, sind mittel- und langfristig erhebliche Einsparungspotentiale auszuschoepfen. Bei dieser Optimierung wird es kein Tabu geben, das heisst, dass auch in zentralen Bereichen die Frage nach dem Make or buy gestellt wird. Wenn sich dabei herausstellt, dass der Fremdbezug guenstiger ist als die Eigenherstellung, werden wir diesen Weg gehen.

Mit der 1992 beschlossenen Reorganisation der Telekom auf lokaler, regionaler und zentraler Ebene findet ein konsequenter Umbau der vormaligen Behoerde in ein neues, kundenorientiertes Unternehmen statt. Die Divisionalisierung und Ausrichtung an Kundengruppen bedeutet, dass die Telekom wesentlich besser auf die Nachfrage der verschiedenen Kundengruppen reagieren kann. So werden aus den Fernmeldeaemtern Niederlassungen entstehen, die nicht mehr ueber eine fuer einen einzelnen fast unueberschaubare Anzahl von Vorschriften gesteuert werden, sondern ueber die Vorgabe von Zielen. Dabei zeigt die Erfahrung vergleichbarer Unternehmen, dass dies mehr ist als die Auswechslung von Fuehrungstechniken. Damit geht die Telekom einen weiteren Schritt weg von der Behoerde hin zu einem modernen Dienstleistungsunternehmen.

Fuer das Ueberleben eines Unternehmens ist es von zentraler Bedeutung, dass es sowohl die Beduerfnisse der heute existierenden Kunden befriedigt als auch neue Marktpotentiale erschliesst. In einem sich mehr und mehr oeffnenden internationalen Telekommunikationsmarkt muss die Telekom deshalb ihre Kunden weltweit durch ueberzeugende Problemloesungen ueberzeugen und auch in internationale Maerkte eintreten koennen, wo sich Erfolgschancen abzeichnen.

Die Telekom bleibt in der heutigen Rechtsform in ihren Handlungsmoeglichkeiten gegenueber ihren Wettbewerbern stark eingeschraenkt. Deshalb ist es fuer das Unternehmen von enormer Bedeutung, sich als Aktiengesellschaft bereits jetzt auf den 1. Januar 1998 einzurichten.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus Tel-Com DV Orga-Brief 7-8/1993.