Wettbewerb auf dem Computersektor vorerst zu Lasten der Amerikaner:Japaner drängen auf europäischen DV-Markt

28.08.1981

Entwicklungskosten in der Datenverarbeitung fallen sehr hoch aus. In ihren drei DV-Programmen gab allein die Bundesregierung seit 1967 mehrere Milliarden Mark für Forschung und Entwicklung aus. 1980 kleckerte sie noch 190 Millionen hinterher, im laufenden Jahr noch einmal 140 Millionen Mark. Dabei sparte sie die Förderung von Großanlagen explizit aus. Auch Japan muß, um bei diesen hohen Fixkosten auf einen akzeptablen Rechnerpreis zu kommen, eine beträchtliche Anzahl von Anlagen exportieren. Der Inlandsmarkt reicht nicht aus, die Fixkosten pro Stück auf ein vernünftiges Niveau zu senken.

m Computergeschäft sind OEM-Verträge an der Tagesordnung. Kein Mensch denkt sich etwas dabei, wenn der Drucker beispielsweise von einem anderen Hersteller bezogen und an die Zentraleinheit des ausliefernden Produzenten angeschlossen ist.

Für die 80er Jahre plant die japanische Regierung eine Umstrukturierung der Wirtschaft, die sich auch in einer Umschichtung der Exporte des Landes auswirken wird. Zu den Hauptwachstumstragern in der laufenden Dekade gehören nach den Planungen des dortigen Industrieministeriums solche Industriezweige, die sich mit der Herstellung und Anwendung elektronischer Bausteine befassen. "Zu den europäischen Branchen, die sich künftig verstärkt mit der japanischen Konkurrenz auseinander zu setzen haben werden, gehören nach der Zielplanung der japanischen Industriepolitik die Datenverarbeitung und Mikroelektronik sowie der Maschinen- und Anlagenbau", heißt es in einem Bericht des Ifo-lnstitutes für Wirtschaftsforschung, München, vom April dieses Jahres. Der Zwang, die ölpreisbelastete Zahlungsbilanz auszugleichen, wird zu erheblichen Exportanstrengungen der japanischen Unternehmen führen, folgert das Institut. Hinzu kommt die ökonomische Notwendigkeit, die hohen Aufwendungen, die Staat und Wirtschaft für die Entwicklung der Computertechnologie tätigten, über den Vertrieb von höheren Stückzahlen auf mehr Rechner zu verteilen. Die Nachfrage nach Rechnern auf dem Inlandsmarkt reicht in Japan ebensowenig wie in anderen Ländern aus, die Fixkosten pro Stück, die durch die Forschung und Entwicklung entstehen, auf ein vernünftigtes Niveau zu bringen.

Japan steht nach Ansicht des Ifo-Institutes am Beginn seiner dritten Investitionswelle nach dem 2. Weltkrieg. Der neue Investitionszyklus stehe ganz im Zeichen der Automatisierung und der technologischen Intensivierung. Im Wirtschaftsjahr 1980/81 sei nach Untersuchungen der Japan Development Bank ein Anstieg der industriellen Investitionen um real 23,5 Prozent geplant. Die gesamten Anlageinvestitionen schätzt das Institut auf etwa 51 Milliarden US-Dollar. 8,5 Prozent davon sollen in den Forschungs- und Entwicklungsbereich fließen. Nach einer 1979 durchgeführten Untersuchung der japanischen Wirtschaftszeitung Nihon Keizai Shimbun ist im Durchschnitt der Jahre 1979 bis 1982 ein Ausbau der Kapazitäten für integrierte Schaltkreise um 32 Prozent geplant.

Die Strukturpolitik des Staates werde unterstützt durch eine Steuerpolitik, die die Entwicklung der Schwerpunktindustrien unterstützt. Steuerliche Vergünstigungen werden zum Beispiel zur Förderung der Entwicklung von Maschinen und Anlagen gewährt, die hochentwickelte Technologien enthalten. Gleichermaßen gefördert wird ihre Einführung und Verbreitung bei den Benutzern. Für computergesteuerte Fernkopieranlagen für Datenfernverarbeitungsanlagen wie für computergesteuerte Roboter existieren beispielsweise unterschiedlich befristete Sonderabschreibungsmöglichkeiten. Diese Steuerpolitik belebt den Inlandsmarkt.

Programm Informationstechnik

Zur besonderen Förderung der Informationstechnik als einem der Entwicklungsschwerpunkte kündigte das japanische Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) 1981 ein Programm an. Unterstützt werden soll die Forschung und Entwicklung fundamental neuer Technologien. Die weitere Entwicklung der "vierten Computergeneration" ist in diesem Rahmen zu sehen. Darüber hinaus sollen notwendige Untersuchungen zur Entwicklung einer fünften Generation durchgeführt werden die für die 90er Jahre zu erwarten sei.

Das Japan Information Processing Development Center nennt nach einer Meldung der Computerworld folgende zwölf Ziele der Forschung und Entwicklung, die den Weg zur fünften Computergeneration markieren. Die Schaltkreistechnologie werde vor allem in ihrem Anwendungsaspekt gefördert. Neue Technologien wie die Josephson-Elemente und VLSI-Technologien sollen in Praxis umgesetzt werden. Im Bereich der Rechnerstrukturen und der Hochleistungsprozessoren sei eine Orientierung in Richtung auf abstrakte Datenflußstrukturen geplant. Die Entwicklung soll sich auf Datenbankprozessoren mit assoziativen und deduktiven Funktionen konzentrieren. Vorgesehen seien weiter Arbeiten an Höchstleistungsmaschinen für sehr umfangreiche Optimierungen und Simulationen, extrem schnelle Computer mit neuen Adressiersystemen, Parallelverarbeitung und Einebenenspeicher.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden dem Bericht zufolge Systeme mit verteilten Funktionen. Geschaffen werden sollen sowohl die Prozessoren mit speziellen Funktionen als auch die Systeme, die diese speziellen Maschinen verbinden. Gefördert werden außerdem die systematisierenden Technologien sowie die Netzwerkarchitektur. Unter Berücksichtigung der internationalen Normen in diesem Bereich soll eine Verquickung von Nachrichtentechnik und Informationsverarbeitung angestrebt werden, eine Strategie, die nicht nur für Japan typisch ist, sondern derer sich auch in der Bundesrepublik operierende Unternehmen bedienen. Im Rahmen des Programmes zur Förderung der Informationsverarbeitung sind weiter eine Ausweitung der Büroautomatisierung und Schritte zum rechnergestützten Konstruktions- und Fertigungssystem angestrebt. Im Rahmen der praktischen Anwendung der künstlichen Intelligenz wird in Japan wie auch in der Bundesrepublik die Mustererkennung gefördert. Nach Angaben des Verbandes Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA), Frankfurt, vom September 1980 hat das MITI "soeben in aller Stille ein neues Programm zur Förderung der Software-Technologie aus der Taufe gehoben, um die hier noch vorhandenen Schwachstellen zu beseitigen". Das Programm sei mit 23,5 Milliarden Yen (100 Yen entsprechen etwa 1,07 Mark) ausgestattet. Nach den Planungen des Japan Information Processing Center stehen das Schreiben von Spezifikationen und die Modularisierung von Programmen in punkto Software-Technik im Vordergrund. Aufgeführt werden weiter die Datenbanktechnik und die Entwicklung intelligenter Roboter. Die Zuverlässigkeit und Datensicherung erscheinen als gesonderter Punkt im Förderprogramm.

Einige der für Japan aufgeführten Punkte sind auch in den Förderzielen wiederzufinden, die das Bundesministerium für Forschung und Entwicklung (BMFT) in seiner Forschungsplanung und -budgetierung bis 1981 vorsieht.

Aufgrund der Forschungs-, Steuer- und Investitionspolitik der japanischen Regierung prognostiziert das Ifo-Institut, daß sich der Anteil von Computern und sonstiger elektronischer Ausrüstung an den japanischen Ausfuhren vergrößern wird. Das Institut folgert weiter, daß Produkte, deren Absatz auf dem amerikanischen und europäischen Markt durch protektionistische Maßnahmen gefährdet erscheint, verstärkt in diesen Ländern produziert werden. Folglich dürften die japanischen Direktinvestitionen im Ausland erheblich zunehmen.

Neben der Senkung des Fixkostenanteils, der durch die hohen Aufwendungen für Computerforschung und -entwicklung bei der Fertigung größerer Serien entsteht, verfolgt Japan durch den Export von Rechnern ein weiteres Ziel. Nach Ansicht eines Sprechers des BMFT spielt der Export von Rechnern, eine große Rolle, das Defizit in der Zahlungsbilanz abzubauen.

Zur Stärkung ihrer Exportkraft bedienen sich die japanischen Großrechner-Hersteller in der Bundesrepublik beispielsweise inländischer Unternehmen, mit denen sie OEM-Verträge über die Hardware abschließen. Zu inländischen Produkten treten die Maschinen kaum in Konkurrenz. Die Leistung der von Siemens selbst entwickelten und gefertigten Serie 7.500 endet in einem Bereich um die fünf Millionen Instruktionen pro Sekunde (MIPS). Der gesamte Bereich über diesem Leistungsniveau wird in der Bundesrepublik eh mit ausländischen, vor allem aus den USA stammenden Produkten abgedeckt, was protektionistische Bestrebungen., wie sie gegen die japanische Konkurrenz auf dem Pkw-Markt sichtbar wurden, sehr unwahrscheinlich macht. Während Siemens in Europa die exklusiven Vertriebsrechte für die Rechner der hier 7.800er Serie von Fujitsu für zunächst zehn Jahre erhieIt, stieg die BASF AG, Ludwigshafen, mit den OEM-Produkten ihres Kooperationspartners Hitachi ins eigentliche Rechnergeschäft ein.

Nach Angaben eines Sprechers handelt es sich bei dem Vertrag der beiden Partner um ein zeitlich unbefristetes Liefer- und Leistungsverhältnis, das sich auf die sieben Modelle einer Familie bezieht. Beiden Partnern stehe es frei, über weitere den Nachfolgemodell in Verhandlung zu treten.

Verdrängungswettbewerb zu Lasten der Amerikaner

Auf dem Markt für Großrechner betrachten die inländischen und die in der Bundesrepublik vertretenen Tochtergesellschaften amerikanischer Unternehmen das Auftreten der Rechner aus Japan mit aufmerksamer Gelassenheit. Eine mögliche Begründung liegt darin, daß das Geschäft zunehmend mit der Software und den Dienstleistungen gemacht wird die die japanischen Konzerne den hiesigen Vertragspartnern überlassen.

Doch bleibt die Konkurrenz nur eine Frage der Zeit. Auf der diesjährigen Hannover-Messe zeigten japanische Hersteller aber auch ihre kleineren Anlagen. Die Branche interpretiert diese Anwesenheit auf der "Messe der Messen" als ersten Schritt auf den Markt, der traditionell in der Bundesrepublik die Hersteller von Anlagen der mittleren Datentechnik und der Bürokommunikation für sich beanspruchen. Es ist anzunehmen, daß sich das nationale Selbstbewußtsein dann aufbäumt, wenn japanische Hersteller auf diesen Markt drängen. Denn dann findet der Verdrängungswettbewerb nicht mehr zu Lasten der Amerikaner, sondern auf Kosten der über zehn Jahre kräftig geförderten inländischen Datenverarbeitungsindustrie statt.