Werkzeuge fuer grafische Benutzer-Schnittstellen im Test Entwicklungsaufwand fuer GUIs kann mit Tools gesenkt werden

03.12.1993

Grafische Benutzer-Schnittstellen erfreuen sich immer groesserer Beliebtheit. Allerdings liegt der Anteil fuer die GUI- Programmierung am gesamten Entwicklungsaufwand zwischen 40 und 60 Prozent. Mit geeigneten Werkzeugen aber, so Hans Joerg Bullinger, Klaus-Peter Faehnrich, Christian Janssen und Gerald Groh*, laesst sich der Aufwand erheblich senken.

Zu diesem Ergebnis kamen die Autoren durch eine Marktstudie, die das Fraunhofer-Institut fuer Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), das Institut fuer Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT), die Universitaet Stuttgart und die Gesellschaft fuer Software mbH durchgefuehrt haben. Untersucht wurden 35 Entwicklungswerkzeuge. Die Grundlage bildete ein Herstellerfragebogen. Ausserdem wurden zehn Werkzeuge in einem GUI- Labor des Fraunhofer-Institutes Leistungstests unterzogen.

Der Fragebogen listet fuenf in sich untergliederte Bewertungskriterien auf:

- Plattformen: Bei den Plattformen werden Fragen der unterstuetzten Betriebs- und Fenstersysteme, der Portierbarkeit sowie des Hardwarebedarfs beruecksichtigt.

- Praesentationsschicht: Bezueglich der Praesentationsschicht werden Oberflaechenobjekte, das Oberflaechenobjektmodell, spezielle Erweiterungsobjekte, Drag-and-drop-Protokolle, dynamisch erzeugbare Objekte sowie generelle Fragen der Erweiterbarkeit diskutiert. Darueber hinaus erfasst der Fragebogen die angebotenen Entwicklungswerkzeuge und Editoren.

Es geht um Fragen der Internationalisierung, der Objektanordnung und Positionierung sowie der damit zusammenhaengenden Koordinatensysteme, weiterhin um objektorientierte Mechanismen wie Klassenkonzepte und Vererbungskonzepte. Tastaturbezogene Leistungsparameter wie Formatkontrollen und Mausaequivalente sowie die formulargestuetzte Dynamikdefinition werden erfasst.

- Dialogschicht: Bezueglich der Dialogsteuerung fragte die Studie nach Dialogbeschreibungssprache, Dialogmodell, objektorientierten Konzepten, der angebotenen Editierfunktionalitaet, der in der Dialogbeschreibungssprache angebotenen Sprachkonstrukte, den moeglichen Datentypen sowie die Erweiterbarkeit der Sprache.

- Programmierung der Anwendungs-Schnittstelle: Dies umfasst die Kommunikation zwischen Anwendung und Dialog, die Datenbank- Schnittstelle, das verwendete Client-Server-Modell und die dabei unterstuetzten Kommunikationsprotokolle sowie die anbindbaren Programmiersprachen von C ueber C++, Fortran, Pascal bis hin zum ewig jungen Cobol.

- Einbettung in einen generellen Prozess des Software-Engineerings: Die Verbindungen zu anderen Architekturkomponenten einer allgemeinen Software-Architektur und der damit zusammenhaengenden Software-Entwicklungswerkzeuge werden immer wichtiger.

Das gilt zum Beispiel fuer Transaktionsmonitore, Workflow-Software und Dokumenten-Management-Software.

Im Bereich des Software-Engineerings diskutiert die Markstudie generierbare Formate, Simulation, Debugging, Log and Replay, Modularisierungskonzepte und Mehrbenutzerbetrieb sowie die Integration mit CASE-Werkzeugen.

Bei der Auswertung von User Interface Management Systems (UIMS) liegt der "ISA Dialog Manager" (ISA Informationssysteme GmbH, Stuttgart) auch in diesem Jahr vorne. Die Konkurrenz ist jedoch dichter als in den zwei Vorjahren aufgerueckt.

In einer Spitzengruppe liegen "Cobol sp II" Flexus Software, Herrsching), der "Dialogue Builder" (SNI), "Grit plus" (GFT) sowie "Teleuse" (In Integrierte Informationssysteme GmbH) und der "XFacemaker" (Concept Asa Software & Consulting GmbH).

Einige Werkzeuge verzichten bewusst auf Multiplattform-Faehigkeit, haben aber auf ihrer eigenen Plattform in den einzelnen Leistungskategorien sehr gute Werte.

Hitliste der 4GL-Werkzeuge

Andere Tools legen groesstes Gewicht zum Beispiel auf eine Datenbankintegration. Diese mehr strategische Ausrichtung der Werkzeuge werden in der nivellierenden Darstellung nach Erfuellungsgrad der Leistungskriterien nicht beruecksichtigt.

Bei den 4 GL-Werkzeugen liegen "Windows 4GL" (Ingres), "JAM" (Jyacc), "SQL*Forms" (Oracle), "Power Builder" (Powersoft GmbH), "Uniface" (Uniface B.V.) und "Visual Works" (Parcplace) in der durchschnittlichen Erfuellung der angelegten Kriterien am hoechsten. SQL*Forms beruecksichtigt dabei die noch nicht freigegebene Version 4.0.

Bei Visual Works handelt es sich um eine Smalltalk-Umgebung, die bei den 4GL-Werkzeugen eingruppiert wurde, da sie eine vollstaendige Anwendungsentwicklungsumgebung darstellt.

Wie bei den UIMS unterscheiden sich die Multiplattform-Werkzeuge deutlich von denen, die Hauptplattformen unterstuetzen. Zu den ersten zaehlen Windows 4GL, SQL*Forms, Uniface und Visual Works, waehrend der "Application Manager" (Intelligent Environments), "Experi- ence" (Expert Edge) und Power Builder auf Windows, Windows NT oder OS/2 ausgerichtet sind.

Bei den Oberflaechen-Editoren handelt es sich durchweg um Ein- Plattform-Werkzeuge, die bis auf "Parasol" (Milestone) nur X und Motif ("Vuit" (DEC), "Ixbuild" (Ixos Software), "Studio" (Ontos), "XDesigner" (Pfeiffer und Partner) beziehungsweise Motif und Open Look ("User Interface Builder" (Parcplace)) unterstuetzen. Entsprechend ihrer Klassifizierung besitzen sie keine Dialogbeschreibungssprache. Dies muss fuer den Anwender, falls er in einer 3GL-Umgebung oder einer objektorientierten Umgebung programmieren kann und will, nicht unbedingt von Nachteil sein.

Weiterhin lassen sich bei den meisten Oberflaechen-Editoren einfache Dialogablaeufe formulargestuetzt festlegen. Damit geht die Unterstuetzung in diesem Punkt ueber die Praesentationskomponente hinaus. Die Funktionalitaet der Oberflaechen-Editoren fuer die Praesentationsschicht, die Anwendungs-Schnittstelle und generelle Aufgaben des Software-Engineerings ist dabei durchweg als durchschnittlich bis ueberdurchschnittlich zu bezeichnen. Die untersuchten Bibliotheken stellten als Zusatzkomponente ebenfalls einen Oberflaechen-Editor zur Verfuegung, teilweise von Drittanbietern. Sie sind so mit der Klasse von Oberflaechen- Editoren vergleichbar. "XVT" (Precision Software) unterstuetzt von allen hier aufgefuehrten Werkzeugen die meisten Plattformen. Weit verbreitet sind auch die Entwicklungswerkzeuge "Open Interface" (Nexus), "Enfin" (Easel), "SQL Windows" (Gupta) und "Visual Basic" (Microsoft), zu denen die 1993er Untersuchung noch keine Daten enthaelt.

Fuer die Erstellung grafischer Editoren und anderer Anwendungsgrafiken eignen sich besonders Spezialwerkzeuge wie "Ilog Views" (Expertise) und "Varchart" (Netronic), die in Verbindung mit anderen Entwicklungswerkzeugen genutzt werden koennen. Im Bereich der Prozessvisuali- sierung zeigte "SL-GMS" (GSE, Muenchen) seine Staerken, die auch besonders von Anwenderseite hervorgehoben wurden.

Im Vergleich der Untersuchungen von 1993 und vom Vorjahr kristallisieren sich folgende Schwerpunkte bei der Weiterentwicklung in den Entwicklungsabteilungen der Werkzeughersteller heraus: CASE-Integrationen, integrierter Datenbankanschluss, Objektorientierung, Erweiterbarkeit inklusive anbindbarer Objekte, strukturierte Grafik und die Multiplattform- Faehigkeit.

Der Trend zu Multiplattform-Werkzeugen hinsichtlich der Oberflaeche sowie der unterstuetzten Datenbanken gilt sogar fuer Werkzeuge von Datenbankherstellern.

CASE-Integration liegt ebenfalls sehr im Trend. So zeigte Andersen Consulting die Integration der GUI-Entwicklung in "CASE-Tool Foundation", wobei Deklarationen aus dem Data Dictionary fuer die GUI-Erstellung wiederverwendet werden koennen. Diese Funktionalitaet wird auch von GUI-Tool-Herstellern in Zukunft geliefert werden und ist zum Teil bereits in der Entwicklung.

Als dritter Trend laesst sich die Verbreitung von objektorientierten Techniken ausmachen. Hier gibt es die ersten Grossprojekte beim Einsatz voll objektorientierter Entwicklungsumgebungen.