Entscheidungen fallen nach Mustern

Werden Sie manipuliert?

06.02.2013
Von 


Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Das Sein bestimmt das Bewusstsein

Bewusstsein ist eine seltsame Selbstverständlichkeit. Es ist ausgestattet mit einem Besitzer, der gleichzeitig Protagonist für seine Existenz ist. Es trägt ein selbst erschaffenes Bild der Welt in sich und ist ein Akteur - jederzeit bereit Überlegungen und Handlungen anzustoßen. Das Bewusstsein ist der Sitz des Verstandes. Der Gefühle. Der Erinnerungen. Kann man ihm trauen?

Erinnerung. Was ist das im Grunde? Ich möchte Sie an dieser Stelle auf eine sehr merkwürdige Funktion unseres Gedächtnisses aufmerksam machen. Diese Funktion ist der Tatsache geschuldet, dass wir immer noch eine Spezies sind, deren Gehirne auf unmittelbare und schnelle Aktionen aus der momentan erlebten Umwelt reagieren. Großartig überlegen tun wir selten. Obwohl wir uns das immer zuschreiben. (Und das ist gut so. Schließlich wollen wir nicht den ganzen Tag mit Suizidabsichten herumlaufen.) Unser Gedächtnis funktioniert induktiv. Es fällt uns nämlich sehr viel leichter, aus Fakten eine plausible Geschichte zu machen, wenn wir den Eindruck haben, diese Fakten würden irgendwie zusammenhängen und eine konsistente Abfolge von Ursache und Wirkung ergeben.

Geschichten memorieren wir besser. Das trifft auf gute Geschichten zu - und auf schlechte gleichermaßen. Das Sein bestimmt das Bewusstsein - ist von Karl Marx und eigentlich in einem anderen Zusammenhang gemeint, aber besser kann man es kaum umschreiben. Wir neigen dazu, die Wirklichkeit rückwirkend erklärbar zu machen, indem wir Versatzstücke aus unserem Gedächtnis unbewusst so zusammenstellen, dass sie einen Sinn ergeben. Einen Sinn, der das Jetzt und Hier erklärbar macht und der uns Trost für die Zukunft gibt.

Nichts ist schlimmer als Verwirrung

Nein - es ist doch alles nicht so schlecht. Ich kann es mir mindestens erklären. Nichts ist schlimmer als Verwirrung. Verwirrung führt zu Unsicherheit und zu Stress. Unsere Reaktionen sind dann gleichfalls panikartig - der Teufelskreis ist in Gang gesetzt. Ob diese Funktion des Gedächtnisses quasi "eingebaut" ist - oder tatsächlich noch aus unserer Vorzeit stammt - dass wird kein Wissenschaftler jemals erkunden können. Aber sie ist überwiegend ein sehr guter Mechanismus, der uns dabei hilft, die Kakofonie zu verarbeiten. Wir würden sonst verrückt. (oe)

Der Autor Wolf Erhardt ist Unternehmensberater. Betriebswirt. Diplom-Ingenieur und hat einen Master in Behavioral Economics. Ehrhardt ist Autor zahlreicher Publikationen, unter anderem "Verkaufen mit Psychologie" und "Nicht geschenkt".

Das Buch zum Thema:

Wolf Erhardt: Ich mache doch, was ich nicht will. Wie wir täglich manipuliert werden und wie wir uns dagegen wehren können, BusinessVillage 2011, 254 Seiten mit Abbildungen, ISBN 978-3-869801-39-1, http://www.businessvillage.de/Ich-mache-doch-was-ich-nicht-will/eb-864.html
BusinessVillage GmbH, Jens Grübner, Tel.: 0551 2099-104, E-Mail: jg@businessvillage.de