Werden sich die Softwarehaeuser zusammenraufen? Gruendung der OAG weckt bei Kunden Hoffnungen und Zweifel

17.03.1995

FRAMINGHAM (IDG) - Die vor wenigen Wochen gegruendete Open Applications Group (OAG) findet mit ihrem Ziel, die Anwendungssoftware ihrer bisher neun Mitglieder kompatibler zu gestalten, breite Zustimmung bei den Anwendern. Allerdings melden sich auch Skeptiker zu Wort, die fragen, ob die Wettbewerber das Risiko eingehen werden, ihre Softwarewelten zu oeffnen.

Binnen eines Jahres, so hatte die OAG angekuendigt, werde es erste Spezifikationen geben, mit denen sich die Client-Server- Anwendungen so verschiedener Hersteller wie SAP, Oracle, Peoplesoft, Dun & Bradstreet oder J.D. Edwards zu relativ homogenen Software-Umgebungen verbinden liessen (siehe CW Nr. 9 vom 3. Maerz 1995, Seite 1). Man wolle das Integrationsproblem loesen, das in der Vergangenheit die Geduld vieler Kunden auf eine harte Probe gestellt habe, liessen sich OAG-Repraesentanten - in vorderster Front Marcam-President und OAG-Chairman Paul Margolis - vernehmen.

Andererseits verfolge natuerlich jedes Mitglied weiterhin seine eigenen Marktinteressen. Margolis verwischt den offenkundigen Widerspruch zwischen dem Herstellerinteresse, Kunden um jeden Preis langfristig zu binden, und dem Wunsch nach Wahlfreiheit seitens der Abnehmer; die OAG-Mitgliedschaft und die Unterstuetzung der Integrationsplaene sei eine Chance fuer die Anbieter, sich bei ihrer Klientel interessanter zu machen. "Wir werden auf diese Weise bessere Geschaefte machen, als wenn wir uns gegen einen offenkundigen Trend stellen wuerden", lautet sein wichtigstes Argument.

Wer wird die Gruppe langfristig dominieren?

Auf seiten der Anwender halten sich Zustimmung und Zweifel die Waage. "Das Konzept scheint Sinn zu machen, aber ich bin mir nicht sicher, wie realistisch die Plaene der OAG sind und welche Motive die einzelnen Mitglieder haben", fragt sich IT-Direktor Bob Culmer von der Phillips Cables Ltd. in Toronto. Alle teilnehmenden Softwarehaeuser befaenden sich in unterschiedlichen Stadien der Client-Server-Realisierung, so der Anwender von Dun & Bradstreet- Software; die Frage sei also, wer eine Fuehrungsrolle beanspruchen werde.

Wie die meisten Anwender moechte auch Culmer am liebsten die besten Softwareprodukte verschiedener Hersteller zu einer integrierten Umgebung konfigurieren koennen. Heute gibt es viele Anwender, die sich weitgehend auf die Produkte eines einzigen Herstellers - etwa SAP - einlassen, um den Aufwand der Schnittstellen-Programmierung gering zu halten. Andere Unternehmen schweissen unter grossem finanziellen und personellen Aufwand die Pakete verschiedener Hersteller sowie Eigenloesungen zusammen.

Zu den Firmen, die eine schnelle Realisierung der OAG- Spezifikationen begruessen wuerden, zaehlt der US-Mineraloelkonzern Chevron, einer der groessten SAP-Kunden weltweit. Dort werden derzeit die Finanzapplikationen von R/3 mit den eigenen, zumeist aelteren Individualanwendungen verknuepft. "So stark SAP auch sein mag, sie haben eben doch noch nicht alles", erklaert Manager Bob Washa die Notwendigkeit dieser Integration.