Werden die europäischen Mikro-Hersteller überleben?PC-Produzenten scheitern an der zu geringen globalen Präsenz

04.10.1991

Selbst nach mehr als zehnjähriger Existenz der PC-Branche wird die weltweite Szene nach wie vor von US-Unternehmen dominiert, während Japan und andere asiatische Staaten beginnen Fuß zu fassen. Nur die europäischen Hersteller kommen trotz der Existenz eines in Kürze existierenden gemeinsamen Marktes - weltweit gesehen - auf keinen grünen Zweig. Für sie wird es angesichts ihrer schlechten Exportraten sehr schwierig zu überleben. Diesen Schluß zieht jedenfalls Ron Condon* in seiner Analyse.

1993 wird der europäische Markt - zumindest theoretisch - ein freier Wirtschaftsraum mit einer Bevölkerung von rund 300 Millionen Menschen sein. Das dürfte ihn zahlenmäßig zum eindrucksvollsten ökonomischen Gebilde der Welt machen, und wenn die sich neu formierenden Staaten Osteuropas dazustoßen, wird seine Macht noch größer sein. Solch eine Gruppe von Staaten sollte eigentlich in der Lage sein, ihre eigenen starken Player in den zukunftsträchtigen Industrien wie zum Beispiel der PC-Industrie hervorzubringen. Betrachtet man allerdings, wer diesen wachsenden Markt hält, stößt man auf US-Hersteller - allen voran auf Compaq und IBM.

Die europäischen Hersteller hingegen besetzen zwar in ihren jeweiligen Heimatländern nach IBM und Compaq meistens die drittstärkste Position, schaffen es aber nicht, ihr Produkte in großem Stil zu exportieren. Und genau hier liegt ihre größte Schwäche. Bis 1993 wird sich noch sehr viel verändern, aber es sieht ganz so aus, als würde auch dann Europa noch in erster Linie aus Einzelstaaten bestehen, die versuchen, ihre partikulären Interessen und eigenen Industrien zu fördern. Die EG-Länder begreifen den Wirtschaftsraum nach wie vor nicht als gemeinsames Haus, das ähnlich organisiert sein müßte wie die Vereinigten Staaten von Amerika, um die Früchte eines so großen Marktes wirklich ernten zu können.

Das führt dazu, daß die PC-Hersteller um ihr Überleben kämpfen müssen und die Wirtschaftlichkeit der großen amerikanischen und japanischen Konkurrenzunternehmen nicht erreichen.

Kein Glück mit US-Engagement

Einige mußten bereits ganz aufgeben wie SMT-Goupil, andere wie Nixdorf sind Opfer von Übernahmen geworden. ICL, erst im letzten Jahr von Fujitsu gekauft, schickt sich jetzt seinerseits an, mit Hilfe des japanischen Kapitals den schwedischen Hersteller Nokia zu schlucken. Ein anderer britischer Hersteller, Apricot Computer Plc., fungiert heute quasi als Mitsubishi-Niederlassung.

Peter Horne, Group Managing Director von Apricot, glaubt allerdings nach wie vor an eine Zukunft der europäischen Computerindustrie: "Apricot ist immer noch britisch, wir kreieren und fertigen unsere Produkte hier. Wir denken immer noch englisch." Das japanische Kapital ermögliche es dem Unternehmen jedoch, das zu tun, was nach Hornes Meinung jedes Weltunternehmen tun muß, nämlich auf den drei wichtigsten Märkten USA, Europa und Asien präsent zu sein.

Seit der Übernahme im Mai 1990 hat Apricot eine Niederlassung in Deutschland eröffnet und exportiert auch nach Japan. Der Versuch jedoch, auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen, brachte der Company wie den meisten anderen europäischen Unternehmen nur eine blutige Nase und tiefrote Zahlen ein. Deshalb beurteilt Horne die Chancen seines Arbeitgebers, sich in den USA zu etablieren, zurückhaltend: "Wir gehen dorthin, wenn wir bereit sind." Außerdem biete der europäische Binnenmarkt, der ein doppelt so großes Volumen aufweise wie der japanische, viel Potential direkt vor der Haustür. Die Verantwortlichen bei ICL betrachteten das Fujitsu-Engagement offenbar unter dem Motto: "Wenn Du sie nicht schlagen kannst, mach mit ihnen gemeinsame Sache." Ausgestattet mit frischem, wenn auch japanischem Kapital, versuchen die Briten zur Zeit, Nokia zu erwerben, um ihren Marktanteil im europäischen Computermarkt zu vergrößern. Es wird erwartet, daß der Deal am 1. Oktober über die Bühne geht.

Aber selbst die 1,6 Milliarden Dollar, die beide Unternehmen gemeinsam umsetzen, bescheren ihnen im europäischen Markt nur den neunten Rang unter den PC-Herstellern. Gleichwohl sieht David Hooker, Direktor PC-Marketing bei ICL, in dem Merger Elemente, die sein Unternehmen stärken. Vor allem die damit erreichte geographische Ausweitung hält Hooker für wichtig.

Bietet also nur japanischer Besitz eine ausreichende Überlebenschance für die europäische Industrie? Hier widerspricht der Chef des nach wie vor unabhängigen und profitablen holländischen Herstellers Tulip ganz entschieden. Franz Hetzenauer warf der EG-Kommission erst kürzlich vor, sie tue zuwenig für die sowieso schon ums Überleben kämpfende heimische PC-Industrie. Er verwies besonders auf das unlogische System von Importzöllen, die für Komponenten höher seien als für Komplettsysteme und dadurch die heimischen Hersteller benachteilige. Zur PC-lndustrie sagte er: "Dieser strategisch wichtige Zweig sollte entweder durch Importzölle- oder -quoten geschützt werden."

Man habe sogar, so Hetzenauer, mit dem Gedanken gespielt, die Produktion nach Irland zu verlegen, das bisher über 30 nichteuropäische Hersteller mit staatlichen Subventionen gelockt habe, sich dort niederzulassen und von der Grünen Insel aus den europäischen Markt zu erobern.

Steve McCall, Tulips Managing Director Großbritannien, benutzt ebenfalls starke Worte: "Die USA und Japan sind es gewöhnt, Massenmärkte auszubeuten, während wir immer noch lernen, Vorteile aus dem sich abzeichnenden neuen Markt Europa zu ziehen." Er spricht sich für Handelsbarrieren aus, die solange aufrecht erhalten bleiben sollen, bis tatsächlich weltweit offene Märkte existieren. "Ist der japanische Mark offen", fragt er rhetorisch und antwortet gleich selbst mit einem entschiedenen "Nein, ist er nicht". Die Amerikaner verfügten ebenfalls über Importbeschränkungen und andere Regelungen, die die heimische Industrie bevorteile. "Europa muß seine Interessen schützen", fordert er deshalb. Er verlangt, daß die EG solche Unternehmen wie das seine davor schützt, geschluckt zu werden. "Ohne deren Hilfe wird es sehr hart für uns", fürchtet McCall.

Horne von Apricot vertritt die genau gegenteilige Ansicht: "Als der größte Handelsplatz der Welt sollte Europa ihren weniger aufgeschlossenen Pendants in Asien und USA ein Beispiel für einen offenen Markt geben und nicht in Protektionismus verfallen, nur weil das andere machen. Sonst wird der Konsument der Leidtragende sein, weil er nicht mehr frei zwischen den Produkten wählen kann." Auch Hooker von ICL vertritt diese Ansicht, die den japanischen Geldgebern nicht den freien Zugang zum Binnenmarkt verwehrt: "Wir dürfen nicht aufhören, weltweit miteinander zu konkurrieren. Alles, worum wir bitten, sind gleiche Bedingungen."

Wird die europäische PC-Industrie also überleben? Die Meinungen gehen auseinander. Die einen glauben, nur mit starken außereuropäischen Partnern bestehen zu können, die anderen wollen allein den existenzsichernden Status eines "World-Players" erreichen. In einem sind sich allerdings die Beteiligten einig: Obwohl das vereinte Europa ein riesiger Markt sein wird, scheinen sie nicht davon überzeugt zu sein, besser abzuschneiden als ihre fernöstlichen oder amerikanischen Konkurrenten.

*Ron Condon ist Londoner Korrespondent des IDG News Service.