Wer zahlt, schafft an

11.05.1990

Mit sanfter, aber bestimmter Gewalt hat sich die Deutsche Bundespost Telekom die Stiefschwester aus dem Osten, die Deutsche Post, an die Brust gedrückt. Versuche anderer PTTs, wie British Telecom oder France Telecom, geschwisterliche Bande zur Ost-Post zu knüpfen, wurden eifersüchtig im Keim erstickt. Nach dem Motto "Friß oder stirb" bleibt dem Pflegekind von Schwarz-Schilling nun nichts anderes übrig, als in tiefen Zügen die Doktrin der Telekom einzusaugen.

Die Kost, die das gefügige Findelkind zu sich nimmt, besteht primär aus harter Währung, die die große Schwester Telekom flüssig macht. 30 Milliarden Mark (West) will sie in den nächsten Jahren für die Entwicklung des Schwesterchens ausgeben und es damit zu einer Musterschülerin der EG-Klasse hochpäppeln.

Soviel Gunst sollte allerdings auch kritisch hinterfragt werden. Man kann bei der Telekom getrost von einer gesunden Portion wirtschaftlichem Egoismus' ausgehen. Sie buttert diese Summen nämlich nicht aus patriotischer und christlicher Nächstenliebe zu, wie sie es nach außen gern darstellt, sondern weil sie sich in wenigen Jahren dicke Gewinne verspricht. Das ist legitim, das Kind sollte aber auch beim Namen genannt werden.

Die Deutsche Post muß jetzt Bekanntschaft mit dem kapitalistischen Gesetz Nummer eins machen: Wer zahlt, schafft an. Der Resolutionstraum von der freien Entfaltung ist damit ausgeträumt. Die Ost-Post hat jetzt nichts weiter zu tun, als sich artig den "ordnungspolitischen" Mantel der Telekom anzuziehen, damit der Apfel nicht weit vom Stamm fällt und in Ostberlin alles nach Bonner Plan läuft.

Das Ministerium der Deutschen Post wählt mit der bedingungslosen Unterordnung den Weg des geringsten Widerstandes. Immerhin kommt es nicht vom Regen in die Traufe, denn eine Pflegschaft unter den Fittichen der Telekom ist allemal besser als die Zwangsjacke der Rabenmutter SED. pg