Wer voran kommen will, muss etwas verändern

Wer voran kommen will, muss etwas verändern

02.01.2008
Klaus-Peter Bruns, Vorstand Technik und Sicherheit der Fiducia IT AG, größter IT-Dienstleister der Volksbanken und Raiffeisenbanken, spricht über die Herausforderungen, vor denen die Finanzinstitute heute stehen, und den Erfolg des neuen Kernbankensystems agree.

COMPUTERWOCHE: Was treibt die Banken heute am meisten um?

Klaus-Peter Bruns: Die Stichworte lauten: Kostendruck, sinkende Margen und wachsender Wettbewerb. Künftig werden verstärkt industrielle Fertigungsprozesse Einzug in die Banken halten. Die nicht immer schlanken Strukturen schmelzen langsam ab. In anderen Branchen, etwa in der Automobilindustrie, wurden die Optimierungs- und Verschlankungsprozesse zu großen Teilen schon in den letzten Jahrzehnten vollzogen. Das hat der Finanzdienstleistungsbereich noch nicht so intensiv durchlaufen. Im Bankensektor sind in vielen IT-Systemen Normierung, Standardisierung und Industrialisierung noch nicht vorhanden. Viele große Banken in Deutschland haben noch sehr alte Legacy-Anwendungen. Das ist dann eben nicht schlank, wirtschaftlich kosteneffizient und schnell reagierend.

Sie haben mit agree ein Kernbankensystem entwickelt. Wie löst das die Probleme?

Aufgrund der Historie der FIDUCIA mit mehreren Fusionen gab es bei den rund 840 Volksbanken und Raiffeisenbanken in unserem Geschäftsgebiet vier verschiedene Bankverfahren. Diese haben wir zusammengeführt. Wir haben dabei nicht nur auf ein System konsolidiert, sondern die Stärken – wir nennen diese Assets – der verschiedenen Systeme integriert und weiterentwickelt. Während der gesamten Entwicklungsphase haben wir sehr eng mit den Kunden zusammengearbeitet. Wir hatten dabei die historische Chance, die Erfahrungen aus vier Systemen in die Entwicklung des neuen Systems einfließen zu lassen. Vorteile von agree sind die unter anderem Vertriebsunterstützung sowie die Prozessoptimierung. Die Prozesse, die die Bank damit abbilden kann, sind komplett durchgängig. Bei einer Kampagne läuft jetzt beispielsweise von der Auswahl der Kunden bis zum Produktabschluss und eventuellem Cross-Selling alles komplett in einem System ab. Im Hintergrund werden bankintern die verschiedensten Bereiche abgewickelt. Medienbrüche gehören der Vergangenheit an. In agree sind auch Produkte aus dem genossenschaftlichen Verbund integriert: So kann der Bankmitarbeiter mit dem agree-Bankarbeitsplatz sowohl ein Konto eröffnen als auch ein Produkt von Partnern wie etwa der DZ Bank, der R+V-Versicherung, Union Fonds oder Bausparverträge der Schwäbisch Hall verkaufen.

Haben da alle Banken mitgemacht?

Wir mussten nach der Fusion 2003 zunächst alle Volksbanken und Raiffeisenbanken in unserem Geschäftsgebiet davon überzeugen, dass sie auf ein gemeinsames Bankverfahren migrieren, und haben Ihnen die Vorteile erklärt. Das ist uns gut gelungen.

Ist dadurch automatisch die Effizienz gestiegen?

Dies ist Zielsetzung des Kernbanksystems. Wir liefern mit agree den Werkzeugkasten für die Prozessteuerung. Der Einsatz der zur Verfügung stehenden Werkzeuge liegt aber in der Entscheidungshoheit der Banken. Die optimale Gestaltung der Prozesse ist bei einzelnen Banken noch unterschiedlich ausgeprägt. Dies zeigt auch eine Untersuchung, die wir zusammen mit Partnern durchgeführt haben: Wir haben mehrere Banken in Deutschland anhand von Standardprodukten miteinander verglichen. Die Ergebnisse bei den einzelnen Banken divergieren, obwohl die Prozesse und die Effizienz in München, Kassel, Karlsruhe und Berlin ähnlich sein müssten. Das Ergebnis zeigt, dass die Prozesseffizienz bei gleichen Verfahren durchaus unterschiedlich ist. IT kann nur die Option bieten, effizient und schlank zu arbeiten. Als End-User kann ich jedoch auch dann immer noch ineffizient agieren.

Was waren die Herausforderungen des Projekts?

Erst einmal galt es, die Banken emotional abzuholen und glaubwürdig darzustellen, dass die angesprochenen Assets auch in agree umgesetzt werden. Wir agierten zunächst ja nur mit Versprechungen. Die Angst der Banken, dass das neue Kernbankensystem später anders ist als besprochen, war zunächst natürlich groß. Das legte sich aber, als die ersten Pilotbanken auf agree migrierten. Mit den ersten Erfolgen stieg auch das Vertrauen in das neue System. Für die Banken war die Migration eine große Herausforderung, denn es ändert sich von A bis Z sehr viel. Das bedeutet einen großen Umstellungs- und Schulungsaufwand. Aus diesem Grund nahmen wir uns im Vorfeld viel Zeit für die Schulung der Bankmitarbeiter und die detaillierte Vorbereitung der Migration. Es war für jede Bank ein Riesenprojekt, das am jeweiligen Umstellungstag in einem Minutenfahrplan gipfelte. Das erste Jahr war für uns auch sehr lehrreich. Es gab zu Beginn auch Phasen mit Instabilitäten und Performanceproblemen. Wir lernten, welche Aspekte der Migration anders bewertet werden mussten, wo es Verbesserungsbedarf gab. Projekte dieser Größenordnungen laufen nie ganz reibungslos ab. Wichtig ist, wie man damit umgeht. Wer voran kommen will, muss etwas ändern. Und am Ende des Tages zählt das Ergebnis. Wir ernten jetzt, was wir damals investiert haben. Wir ruhen uns aber nicht auf dem Bestehenden aus, sondern entwickeln agree im Rahmen unserer Strategie ‚agree plus’ weiter.

Konnten Sie auch andere Banken von Ihrem System überzeugen?

Es gibt schon rund 40 Privatbanken, die unser Verfahren ganz oder teilweise nutzen. Dazu gehören etwa die MLP AG und die Hamburger Privatbanken Hesse Newman und Goyer & Göppel. Die PSD Banken werden ebenfalls agree einsetzen.

Sorgt die Einführung von SEPA für noch mehr Konkurrenz in Europa?

Man kann sich nicht abschotten. Der Wettbewerb im Euro-Raum wird kommen, so oder so. Deswegen ist es wichtig, sich frühzeitig darauf vorzubereiten statt abzuwarten. Wir könnten auch Protektionismus pflegen. Das wird jedoch nicht lange gut gehen.

Auch Direktbanken bedrohen die Filialbanken. Was sagen Sie dazu?

Ich glaube, dass wir beides brauchen: Die Filiale und die direkten Vertriebswege zum Beispiel über Internet. Die Stärke der Volksbanken und Raiffeisenbanken ist gerade die Kundennähe. Wir brauchen flankierend aber auch ein Pendant zu den Direktbanken. Die technischen Lösungen dafür haben wir. Einige Banken unseres Verbundes nutzen den Produktverkauf im Internet bereits sehr intensiv und erfolgreich.

Ist Off-Shoring für Sie ein Thema?

Nein, für uns nicht. Wir haben es geprüft und auch ein Pilotprojekt dazu gemacht. Meiner Ansicht nach ist es nicht zielführend, große Teile eines Kernbankverfahrens zum Beispiel nach Indien auszulagern. Unsere Strategie ist, die Entwicklung weiter bei uns in Deutschland zu machen. Das kann sich zwar auch einmal ändern und wird immer wieder auf die Agenda gebracht. Aber wenn die Produktivität der Entwickler hinreichend hoch ist, fällt der Kostenunterschied weg. Die Produktivität unserer Entwicklung ist durch entsprechende Maßnahmen bereits sehr gesteigert worden. In diesem Bereich sind wir gut unterwegs.

Was wünschen Sie sich ganz generell von anderen?

Ich wünsche mir leistungsbereite und eigenverantwortliche Mitarbeiter, die schnell Änderungen adaptieren und umsetzen. Schließlich sind es im Wesentlichen die Menschen, die ein Unternehmen voranbringen. Das sehe ich als die größte Herausforderung an, mal ganz abgesehen von der IT und von technischen Fragen. In der Fähigkeit, Neues zu lernen, müssen wir alle besser werden, sonst haben wir ein Riesenproblem.

Foto: Klaus-Peter Bruns

Klaus-Peter Bruns, Vorstand Technik und Sicherheit der Fiducia IT AG.

Foto: Fiducia

IT-Leitstand bei der Fiducia AG.

Foto: Fiducia

Das Hauptgebäude der Fiducia AG in Karlsruhe.

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