Wer stur ist, hat das Nachsehen

25.08.2006
Von Veronika Renkes und Angelika Fritsche 
Mit guten Vorabinformationen, einem offenen Verhandlungskorridor, nachvollziehbaren Argumenten und Kompromissbereitschaft können Mitarbeiter und Bewerber das Gespräch um das Gehalt souverän meistern.

Viele Firmen tun sich in konjunkturell schwierigen Zeiten schwer mit Neueinstellungen und Forderungen altgedienter Mitarbeiter. Der Andrang auf ausgeschriebene Positionen überschreitet bei weitem das Stellenangebot. Das setzt Firmenchefs in die für sie angenehme Ausgangsposition, die Konditionen bei Job- und Gehaltsverhandlungen weitgehend zu diktieren. Viele Bewerber, aber auch Mitarbeiter ziehen resigniert den Kopf ein und geben sich mit dem zufrieden, was ihnen angeboten wird.

Mit Fingerspitzengefühl zum Ziel

Bei jedem Bewerbungsgespräch kommt zum Schluss die Frage nach der Gehaltsvorstellung. Dazu muss man den eigenen Marktwert gut verkaufen und gleichzeitig herausfinden, was das Unternehmen bereit ist zu zahlen.

Dorothea Böhm, Personal- und Karriereberaterin aus München, sagt Ihnen, wie Sie mit Fingerspitzengefühl Ihre Interessen durchsetzen, ohne Ihren Arbeitgeber zu brüskieren.

Diese Regeln sollten Sie bei Ihren Gehaltsverhandlungen unbedingt beachten:

Informieren Sie sich über marktübliche Gehälter. Sie sollten Ihren Marktwert kennen und richtig einschätzen können. Das Gehalt bewegt sich bei allen seriösen Unternehmen immer im üblichen Rahmen. Ausschlaggebend sind Qualifikation, Berufserfahrung und Markt- lage.

Seien Sie zielorientiert und dabei diplomatisch und höflich. Geben Sie Ihrem Gesprächspartner das Gefühl, dass Ihre Gehaltsvorstellungen eine echte Anfrage an ihn sind. Stellen Sie keine ultimativen Forderungen, die Ihr Gegenüber an die Wand drängt. Der Vorgesetze muss sein Gesicht wahren können. Bescheiden- heit und Realismus sind angesagt. Nehmen Sie aber auch nicht jeden unterbezahl-ten Job an, der zudem keinen Spaß macht. Das kann nicht lange gut gehen.

Sprechen Sie darüber, wie Sie sich ins Unternehmen einbringen und welche Aufgaben Sie übernehmen können. Ihr Gesprächspartner wird dann auch seinerseits Entwicklungschancen aufzeigen, die in der Regel mit einer Gehaltserhöhung verbunden sind. Wenn Sie Ihrem potenziellen neuen Arbeitgeber zeigen können, dass Sie für das Unternehmen einen besonderen Nutzen mitbringen, können Sie viel leichter zu Ihren Gunsten über Ihr Gehalt verhandeln. Zeigen Sie, dass Sie hinter dem Unternehmen und den Produkten stehen und an welcher Stelle und wie Sie vermehrt zum Unternehmenserfolg beigetragen können.

Am ehesten lassen die Unternehmen bei variablen Gehaltsbestandteilen mit sich reden, wenn sich die Gehaltsvorstellung mit dem Erreichen konkreter Ziele verknüpfen lässt. Das gilt für die variablen Gehaltsbestandteile ebenso wie bei einer langfristigen Gehaltsentwicklung. Wenn diese an genau definierte Ziele gebunden ist, lässt sich eine Gehaltsvorstellung eher realisieren.

Versuchen Sie nicht nachzuverhandeln, wenn Sie sich bereits auf ein Gehalt geeinigt haben. Das bringt Missklänge in das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem künftigen Arbeitgeber. Denn Gehaltsverhandlungen sind auch ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, bei dem beide Verhandlungspartner auf die bereits gemachten Zusagen vertrauen.

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Die Gehaltsregelung dem Chef allein zu überlassen halten Personalexperten indes für den denkbar schlechtesten Weg: "Du kannst mir zahlen, was Du willst, ich arbeite für Dich - bei dieser Strategie geht der Schuss garantiert nach hinten los", ist sich Ingrid Mai, die Gehaltsexpertin der IG-Metall sicher. Unternehmen wollen selbstbewusste Mitarbeiter haben, Konjunktur hin oder her. Ihre Empfehlung für Vergütungsgespräche lautet deshalb: kreativ und flexibel sein sowie sich eine Bandbreite an Gehaltsmöglichkeiten ausdenken. Also nicht kategorisch auf einen festen Betrag pochen nach dem Motto: "Ich will 5000 Euro, sonst läuft gar nichts", sondern lieber austarieren, wo die Unter- und Obergrenze liegt, und dann einen Verhandlungsvorschlag unterbreiten.

Nicht in fixe Vorstellungen verbeißen

Offenheit und Flexibilität im Umgang mit Gehaltsforderungen - das empfiehlt auch Elke Radeke, Vorstand der Paderborner Softwarefirma Incony AG. Dazu zählt für die Managerin ebenfalls, dass Bewerber gezielt nachfragen können, welche Gehaltsvorstellungen der Arbeitgeber hat. Obwohl dies in vielen Ratgebern zur richtigen Verhandlungsstrategie als Zeichen von Schwäche gebrandmarkt wird, sei, so Radeke, dieses Verhalten oft sogar zielführend.

Gut informiert ins Gespräch zu gehen ist die halbe Miete

Gerade für Bewerber, die den Wiedereinstieg in den Job suchen, kann das nach den Erfahrungen von Annette Salch der richtige Hebel sein. Die Expertin vom IT-Personaldienstleister Allbecon in Würzburg hat beobachtet, dass ein Arbeitsloser mit seiner Bereitschaft, auch für weniger Geld zu arbeiten, sein Engagement für eine Arbeitsstelle zeigen und so Pluspunkte sammeln könne. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich Bewerber mit jedem Dumping-Angebot zufrieden geben sollten. Selbstbewusstes Auftreten ist für den Erfolg von Job- und Gehaltsrunden äußerst wichtig. Daneben aber gelte es, gut informiert ins Gespräch zu gehen, zum Beispiel über Tariflöhne Bescheid zu wissen, und ein angemessenes Gehalt zu fordern.

Geschickt auszutarieren, wo der eigene Marktwert liegt - das empfiehlt Carola Fend, Abteilungsleiterin Personal bei der Münchner Versicherungsgesellschaft Aioi Motor and General Insurance Company of Europe Ltd. Auch sie rät Bewerbern, sich vorab zum Beispiel über die geltenden Tarifverträge zu informieren. Denn dort findet man eine gute Gehaltsbandbreite für die einzelnen Berufe und Qualifikationen. Und besonders wichtig: Man erfährt dort detailliert, welche Qualifikationen ein Kandidat für die unterschiedlichen Gehaltsgruppen unbedingt mitbringen muss. "Der Bewerber muss ein Gefühl dafür entwickeln, in welcher Gehaltsgruppe er anzusiedeln ist", so Fend. Dazu zählt eben auch, selbstkritisch zu hinterfragen, ob man die Voraussetzungen für die angepeilte Gehaltsgruppe auch tatsächlich erfüllt. "Wer erfolgreich sein Gehalt verhandeln will, muss genau wissen, was er auf dem Arbeitsmarkt wert ist", lautet der schlichte, doch wichtige Rat der Personalchefin.

Mehr Gehalt nach der Probezeit?

Ganz ohne Gehaltsvorstellungen in ein Bewerbungsgespräch zu gehen hält Johannes Jörger für fatal. Für den Vertriebsleiter bei der Viamedici Software GmbH in Ettlingen steht dabei fest: Man sollte sich vorher eine Verhandlungsposition zurechtlegen, aber nicht starr an ihr festhalten. Die Strategie "Alles-oder-nichts" geht in der Regel in die Hose; Personalchefs erwarten Kompromissbereitschaft. Viel klüger - so Jörger - sei es, perspektivisch in die Zukunft zu sehen und zum Beispiel für die Phase nach der Probezeit eine Gehaltsaufstockung auszuhandeln.

So sehen es unisono auch seine Kollegen aus den anderen befragten Unternehmen: Für Elke Radeke führt starres Festhalten an Gehaltsforderungen oder "weichen" Gehaltsbestandteilen wie Firmenwagen oder Tankkarte zum Abbruch der Verhandlungen. Carola Fend schaltet ab, wenn sie auf arrogantes Auftreten, schlechte Vorbereitung, fehlende Argumente und zu hohe Gehaltsvorstellungen trifft. Gerade bei Bewerbern für Führungspositionen sei das nicht akzeptabel. Sie sollten, so die Personalfrau, doch eigentlich wissen, wie man argumentiert und auftritt.

Firmen haben wenig Spielraum

Nicht zu stur sein empfiehlt auch Annette Salch den Kandidaten. Die ausgeschriebenen Stellen seien meist genau budgetiert, mehr ist dann nicht drin. Die Unternehmen, so Salch, sagen ganz klar, wo ihre Grenze liegt. Bewerber müssen dies ernst nehmen und flexibel in die eigene Strategie einbauen. Zum Beispiel, indem sie nicht nur nach pekuniären Aspekten fragen, sondern Entwicklungsmöglichkeiten oder variable Gehaltsanteile ansprechen.

Ganz transparent sind die Verhältnisse bei der Paderborner Icony AG geregelt. Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter wird dort zur Funktionsbeschreibung und zum Anforderungsprofil auch eine Gehaltsvorgabe angegeben. Bringt ein Kandidat deutlich höhere Qualifikationen mit, wird intern geklärt, inwieweit diese Qualifikationen für die Stelle förderlich wären und ob eine höhere Vergütung für das Unternehmen wirtschaftlich wäre. Vorteilhaft, so Radeke, sei hier auch, wenn der Bewerber von sich aus Vorschläge zu leistungsabhängigen Gehaltsanteilen macht: "Je konkreter und messbarer die Kriterien sind, umso einfacher ist dann auch die Verhandlung." (hk)